Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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7055 Entscheidungen
Eine Lokalzeitung berichtet unter der Überschrift „Afrikas moderne Märchenerzähler“ über eine im Umlauf befindliche E-Mail, in der ein angeblicher Farmersohn aus Simbabwe um Partner für eine finanzielle Transaktion werbe. Der Mann, der sich in den Niederlanden um Asyl bemühe, suche ein geeignetes ausländisches Konto, auf das er 8,5 Millionen US-Dollar überweisen lassen könne, das sein inzwischen ermordeter Vater zuvor in Johannesburg in einer privaten Sicherheitsfirma hinterlegt habe. Die Zeitung druckt den Inhalt der E-Mail im Wortlaut ab und warnt vor dem Verfasser als einem Märchenerzähler neuen Stils, der zwar ein hervorragender Unterhalter, aber ein noch größerer Ganove sei. Begonnen habe die moderne afrikanische Märchenerzählerei mit den selbst ernannten Ölbaronen aus Nigeria. Dazu müsse man wissen, dass die Nigerianer – die viven Yorubas vor allen anderen – über ein besonderes Talent verfügten: Ihre kriminelle Energie und ihre verkäuferische Begabung seien stark ausgeprägt. Längst beherrschten sie das Drogengeschäft zwischen Bangkok und Kapstadt, den Kinderhandel zwischen Elfenbeinküste und Gabun; auch die Prostitution sei bei ihnen in besten Händen. Fit seien sie aber vor allem in eleganten Betrügereien globalen Ausmaßes, wie in der Erfindung jener Märchen neuen Stils. Ein Leser der Zeitung teilt sein Entsetzen über diesen Artikel dem Deutschen Presserat mit. Solche zutiefst rassistischen und diskriminierenden Aussagen hätten in einer demokratischen Zeitung nichts verloren. Der Chefredakteur des Blattes erläutert in seiner Stellungnahme zur Beschwerde, mit dem Beitrag habe die Zeitung vor E-Mails warnen wollen, deren Beweggrund sei, auf betrügerische Weise von arglosen Verbrauchern Geld ergaunern zu wollen. Er könne hierin nichts ethisch Falsches erkennen, da die mutmaßlichen Verbrecher eben auch aus Nigeria stammten. Zur journalistischen Aufklärungspflicht gehöre es seiner Meinung nach, die Dinge beim Namen zu nennen. Der Verfasser des Artikels habe jahrelang in Afrika gelebt und gelte als exzellenter Kenner afrikanischer Staaten. (2003)
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Eine Boulevardzeitung berichtet, der Stadionsprecher eines Bundesligavereins habe während eines Spiels die Fans der Gästemannschaft beleidigt. Nach einem Rauchbombenwurf habe der Mann die Anhänger der gegnerischen Elf als „krank“ bezeichnet. Und als sie seinem Rat, zwei, drei Stufen nach unten zu gehen, nicht nachgekommen seien, habe der Sprecher gemeint: „Ich wusste, dass ihr mich nicht versteht.“ Der Betroffene wehrt sich gegen diese Vorwürfe mit einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Er habe die Fans der Gäste nicht als „krank“ bezeichnet. Nach dem Abbrennen von einigen Feuerwerkskörpern habe er die Fans freundlich auf die Gefährdung von Spielern und Zuschauern hingewiesen und die Bitte geäußert, dieses Tun zu unterlassen. Und sein Hinweis „Ich wusste, dass ihr mich nicht versteht“ sei nicht beleidigend, sondern ironisch-süffisant gewesen. Schließlich bemerkt der Beschwerdeführer, dass in dem Bericht sein Name völlig verdreht wiedergegeben worden ist. Die Rechtsabteilung des Verlages bekundet, der Verfasser des Beitrages habe sich für die Falschschreibung des Namens und für eine falsch wiedergegebene Äußerung entschuldigt. Zwar habe der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Abbrennen von Feuerwerkskörpern das Wort „krank“ benutzt. Es sei aber nicht direkt an die Fans gerichtet worden. Dies habe der Verfasser des Artikels erst nach der Veröffentlichung des Beitrages erfahren. Vorher sei er von einem ansonsten zuverlässigen Informanten falsch informiert worden. Die Äußerung „Ich wusste, dass ihr mich nicht versteht“ sei dagegen unbestritten gefallen. Auch der gastgebende Verein habe diese Aussage als Beleidigung der Gäste empfunden. Eine solche Äußerung eine Beleidigung zu nennen, sei eine dem Sachverhalt angemessene zulässige Meinungsäußerung. Die Pressestelle des gastgebenden Vereins teilt dem Presserat auf Anfrage mit, dass kein Mitschnitt der Durchsagen während des Spiels existiert. Der Leiter der Medienarbeit betont jedoch, dass er während des Spiels im Stadion gewesen sei und die Durchsage des Stadionsprechers gehört habe. Das Wort „krank“ sei dabei nicht gefallen. Auch keiner der befragten Mitarbeiter habe dies gehört. (2003)
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Eine Fachpublikation für Gebäudetechnik veröffentlicht zwei Beiträge, in denen es einmal um eine „wichtige“ Personalie und zum andern um eine Entscheidung über einen neuen Messestandort geht. Beide Beiträge sind Aprilscherze und frei erfunden. Die Redaktion eines Wirtschafts- und Informationsdienstes ist der Ansicht, dass diese Scherze nicht in Ordnung seien und wendet sich an den Deutschen Presserat. Auch wenn auf der Titelseite der Zeitschrift ein Hinweis auf „April, April“ gebracht worden sei, sei es für den Leser nicht eindeutig erkennbar gewesen, dass die Beiträge nicht den Tatsachen entsprechen, zumal sie am 4. und nicht am 1. April veröffentlicht worden seien. Die Berichte hätten zu „Irritationen“ geführt. Die Redaktion der Fachzeitschrift teilt mit, dass sie ihre Aprilscherze seit Jahren zeitnah um den 1. April herum veröffentliche. Diese Scherze gehörten quasi zum festen Redaktionsprogramm und würden von den Lesern stets mit Amüsement aufgenommen. Beschwerden habe es bisher nicht gegeben. Die Redaktion habe eine Leserzuschrift des Beschwerdeführers veröffentlicht, der sich kritisch mit den Aprilscherzen auseinandergesetzt habe. Im Übrigen sei die Redaktion daran interessiert, mit dem Beschwerdeführer eine für beide Seiten akzeptable Lösung ohne weitere Bemühungen des Presserats zu finden. Man werde sich in den nächsten Tagen mit ihm in Verbindung setzen. (2003)
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In einer Satire unter der Überschrift „Bleib da, Schatz!“ knüpft eine Zeitschrift an zahlreiche Beispiele die Feststellung, die deutsche Frau habe im Vergleich zu Frauen in anderen Ländern keinen Grund zum Jammern. Dennoch jammere sie, immer sei sie diejenige, die sich um die Verhütung kümmern müsse. Dabei habe sie es so gut. Sie könne froh sein, dass sie verhüten dürfe. In China sei die Pille verpönt, da sie eine Gefahr für die Moral sei. Sie jammere, ihr Wunsch, unbefleckt in die Ehe zu gehen, werde nicht respektiert. Dabei habe sie es so gut. Auf der kleinen Pazifikinsel Guam wäre ihr Wunsch illegal. Den Inselfrauen sei es nicht erlaubt zu heiraten, wenn sie noch Jungfrauen seien. Sie jammere über ihren dicken Hintern. Dabei habe sie es so gut, denn bei den Tuaregs würden die Frauen gemästet. Sie jammere, der Partner finde beim Vorspiel die Klitoris nicht. Dabei habe sie es so gut. Wenn sie in Ägypten leben würde, wäre es unmöglich, ihre Klitoris zu finden. Viele der 32 Millionen Ägypterinnen hätten gar keine mehr. Sie jammere, ihr Partner sei nicht romantisch genug. Dabei habe sie es so gut. In afrikanischen Ländern seien die Kennenlern-Rituale um einiges unromantischer. Wolle ein äthiopischer Mann eine bestimmte Frau haben, kidnappe er sie zusammen mit seinen Freunden, bringe sie zu einer entfernt gelegenen Hütte und vergewaltige sie dort, um sie nach Möglichkeit zu schwängern. Eine Leserin der Zeitschrift beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Darstellung und die kommentarlose Aufzählung von Beispielen für gebräuchliche, teilweise traditionelle Misshandlung, Unterdrückung und Folter von Frauen und Mädchen sei nicht dazu geeignet, um in ironischer Weise kleine Beziehungsproblemchen zu diskutieren. Der Artikel sei ehrverletzend und demütigend. Zudem würden die beschriebenen Beispiele lächerlich gemacht. Der Chefredakteur der Zeitschrift hält die Darstellung für zulässig. Erschreckende Beispiele für die prekäre Situation von Frauen in verschiedenen Ländern würden mit vielen und üblichen Klischees, die Männer gegenüber Frauen haben, in Zusammenhang gebracht. Es entspreche dem Charakter seiner Zeitschrift, dass dieser Zusammenhang in drastisch überzogener Weise hergestellt werde. Das Thema werde bewusst in einer Provokation umgesetzt, um sowohl Leser als auch Leserinnen nicht nur mit der Situation der Frauen in anderen Ländern zu konfrontieren, sondern ihnen zugleich deutlich zu machen, welche Nichtigkeiten den Beziehungsalltag hier zu Lande oft prägten. (2003)
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Eine Boulevardzeitung berichtet über das Attentat auf die schwedische Außenministerin Anna Lindh. Ein Foto auf der Titelseite des Blattes zeigt, wie Frau Lindh kurz nach dem Anschlag medizinisch versorgt wird: Sie liegt mit geschlossenen Augen auf der Bahre eines Krankenwagens, wird künstlich beatmet und mit Messgeräten überwacht. Unter der Dachzeile „Der Mord an der schwedischen Außenministerin“ ist in das Foto der Vierzeiler „Hier stirbt Anna Lindh“ eingeklinkt. Im Text werden der Vorfall und sein tragischer Ausgang beschrieben. Dieselbe Darstellung findet sich auch im Online-Angebot der Zeitung. Die Aufmachung des Beitrags löst drei Beschwerden beim Deutschen Presserat aus. Der Referent für Philosophie und Ethik einer katholischen Akademie beklagt einen signifikanten Bruch der Publizistischen Grundsätze. Größe, Prominenz und Explizitheit der Schlagzeile forderten zusammengenommen Leser und Leserinnen auf, sich dem Bild und damit auch dem Sterben von Frau Lindh in einer Weise zuzuwenden, die trotz eines erkennbaren öffentlichen Interesses mit deren Würde nicht vereinbar sei: Wir sollen ihr beim Sterben zusehen. Ein weiterer Leser des Blattes moniert gleichfalls, dass Überschrift und Foto in menschenverachtender Weise suggerieren, Hinsehen sei legitim. Entsetzt über den hier dargebotenen Umgang mit einer Sterbenden beschwert sich auch ein Ehepaar. Pietät scheine für die Zeitung ein Fremdwort zu sein. Der Anwalt der Zeitung bekundet, zu keinem Zeitpunkt sei es das primäre Anliegen der Redaktion gewesen, das Sterben von Frau Lindh zu zeigen. Dies werde auch nicht durch die Überschrift suggeriert. Bekanntermaßen sei die Ministerin erst am nächsten Morgen gestorben. Die Zeitung informiere darüber, dass auf tragische Weise die Hoffnung, Frau Lindh könne das grausame Attentat doch noch überleben, am Morgen nach der Tat erloschen sei, und dass das Foto, das Frau Lindh zu einem Zeitpunkt zeigt, als alle Welt davon ausging, dass sie noch gerettet werden konnte, leider einen falschen Eindruck vermittele. Das Bild selbst zeige also keine sterbende Frau. Erst in der Nachschau sei klar geworden, das der Angriff zum Tod von Frau Lindh geführt habe. Die Überschrift stelle klar, Frau Lindh sei bereits zum Zeitpunkt des Abtransports in das Krankenhaus – wie sich erst im Nachhinein herausgestellt habe – so schwer verletzt gewesen, dass sie am nächsten Morgen ihren Verletzungen erlegen sei. Die Fotoveröffentlichung habe historische Bedeutung. (2003)
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Unter der Überschrift „BKA entlarvt ‚Feierabend-Terroristen‘“ berichtet die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins, Fahndern seien die Anführer einer linksextremistischen Vereinigung ins Netz gegangen. Die vier Männer im Alter zwischen 30 und 49 werden mit Vornamen und abgekürzten Familiennamen genannt. Sie arbeiteten unter anderem als Taxifahrer sowie als Mitarbeiter eines alternativen Bäckerei-Kollektivs in Berlin. Die Aktivisten der „Militanten Gruppe“ seien eine Art Feierabend-Terroristen, wird ein Ermittler zitiert. Das BKA schließe derzeit nicht aus, dass die Untergrund-Gruppe, die vorwiegend im Großraum Berlin Finanzämter, Justizgebäude und Autohäuser mit Brandsätzen angegriffen habe, über noch weitere Mitglieder verfüge. Einer der mutmaßlichen Terroristen habe, unbemerkt vom BKA-Observationsteam, im Oktober 2002 mit seiner Familie in einem italienischen Restaurant in Berlin am Nebentisch von Bundeskanzler Gerhard Schröder und dessen Frau Doris gesessen. Schröder habe sich auf Wunsch des Schwiegervaters des mutmaßlichen Terroristen zu der jungen Familie gesetzt und sich mit deren Baby fotografieren lassen. Das BKA habe von dem Vorfall erst durch abgehörte Telefonate erfahren. Die vier betroffenen Männer sind der Ansicht, dass die Veröffentlichung gegen ihr Persönlichkeitsrecht verstößt, und legen Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Durch die Nennung von Vornamen und Initialen der Nachnamen, die Angabe des Wohnortes und die Aufzählung ihrer Berufe seien sie für einen begrenzten Personenkreis identifizierbar. Die Bezeichnung „Feierabend-Terroristen“ stelle eine Vorverurteilung dar. Außerdem kritisieren die Beschwerdeführer eine Verletzung der Sorgfaltspflicht. Der Artikel suggeriere, sie seien festgenommen worden, was jedoch nicht der Fall sei. Die Rechtsvertretung des Nachrichtenmagazins verweist auf ein Interview, dass einer der Beschwerdeführer im Fernsehen gegeben habe. Er habe sich und seinen Fall damit wirksam an die Öffentlichkeit getragen. Dabei sei er voll im Bild gezeigt und ohne Namensnennung als „Pressereferent einer Menschenrechtsgruppe“ bezeichnet worden. Wenn jemand dadurch so bekannt sei wie er, dürfe er nach einer Entscheidung des Presserats im Fall B 103/2000 grundsätzlich auch genannt werden. Schon wegen des Interviews handele es sich hier um einen Vorgang der Zeitgeschichte. Nur durch die Nennung ihrer Vornamen und der Initialen ihrer Nachnamen seien die Betroffenen jedoch für einen größeren Personenkreis nicht identifizierbar. In diesem Zusammenhang verweist der Beschwerdegegner auf den Fall B 57/1997, in dem der Presserat festgestellt habe, dass mit den hier vorgenommenen Abkürzungen hinreichend anonymisiert werde. Den Vorwurf der Vorverurteilung weist die Rechtsvertretung zurück. Es handele sich hier vielmehr um eine zulässige Verdachtsberichterstattung. Schließlich werde erwähnt, dass ein Ermittlungsverfahren laufe. Somit werde dem Leser klar, dass noch hieb- und stichfeste Beweise fehlen. (2003)
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Unter der Überschrift „Mordprozess gegen junge Sinti kommt nur schleppend voran“ berichtet eine Regionalzeitung über einen Mordprozess. In der Überschrift wird die Ethnie der Angeklagten genannt. Im Text taucht diese dann nochmals auf: “Alle Angeklagten gehören zu einer weit verzweigten Sinti-Familie und sind deutsche Staatsbürger“. Der Landesverband Deutscher Sinti und Roma sieht einen Verstoß gegen den Pressekodex als gegeben an, da die Tat nichts mit der Minderheit der Sinti und Roma zu tun habe, sondern ausschließlich individuell motiviert sei. Durch die Nennung der Minderheitenzugehörigkeit solle ein Sachzusammenhang zwischen Minderheiten der Sinti und Roma und der Tat hergestellt werden. Nach Meinung des Verbandes sei es das Ziel dieses Artikels, die gesamte Minderheit der Sinti und Roma zu diskriminieren und zu kriminalisieren. In der Stellungnahme der Chefredaktion der Zeitung heißt es, die Zugehörigkeit der Angeklagten zur Bevölkerungsgruppe der Sinti habe in diesem Fall sehr wohl eine Rolle gespielt. Die Polizei habe Hinweise darauf gehabt, dass etwa 500 Angehörige dieser Gruppe sich Zutritt zum Gerichtssaal hätten verschaffen wollen. Damit habe auch der Landgerichtspräsident das hohe Polizeiaufkommen im Gericht und im Umkreis des Gerichtsgebäudes begründet. Auch die Agentur-Meldung zu dem Prozess habe die Minderheit genannt. Die Redaktion habe keine Veranlassung gehabt, die Agenturmeldung zu neutralisieren oder eigene Recherchen anzustellen. Zudem verweist die Chefredaktion auf die Urteilsverkündung, bei der es im Gerichtssaal zu Tumulten gekommen seien, die von Verwandten und Bekannten der verurteilten Sinti ausgelöst worden seien. (2003)
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Unter der Überschrift „Tod und Gedächtnis“ berichtet eine Zeitschrift über den „neuen Umgang mit der Endlichkeit des Lebens“. In einer Passage ihres Beitrages beschreibt die Autorin die leidenschaftlichen Emotionen der Lebenden, die ihrem Schmerz Luft machen wollen. Zum Beispiel durch die Verschwendung von Geld. So seien sieben teure Todesanzeigen, die ein gutes Drittel der Seite einer Tageszeitung beanspruchen, einem Neunzehnjährigen gewidmet worden. Der frische Abiturient, Zivildienstleistende, Radfahrer und Hobbymusiker sei bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Dass er auf der Stelle tot war und nicht lange leiden musste, sei der Familie, die es in der Anzeige vermerke, ein Trost. Die Autorin nennt den vollen Namen des Verunglückten und kommentiert die Zahl der Todesanzeigen mit der Feststellung: „Hier wurde wahrhaftig Geld verbrannt.“ Die Mutter des Unfallopfers ruft den Deutschen Presserat an. Sie kritisiert, dass in dem Beitrag der Name ihres Sohnes genannt wird. Ferner sieht sie die Menschenwürde ihres Sohnes verletzt. Die Verarbeitung der Trauer von Familie, Arbeitgeber, Schule und Freunden werde als Geldverschwendung dargestellt. Die Hinterbliebenen fühlten sich dadurch verunglimpft und in ihren Gefühlen verletzt. Die Redaktion der Zeitschrift versichert, dass sie mit dem Beitrag das Andenken des Sohnes der Beschwerdeführerin nicht habe schmähen wollen. Die Autorin habe nur neue Trauerrituale skizziert. Formulierungen wie „Geld verbrannt“ und „Verschwendung“ seien sicherlich sehr ungeschickt. In einem Brief an die Mutter des Unfallopfers habe die Redaktion dies eingeräumt und ihr Bedauern ausgedrückt. (2004)
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„Mordprozess gegen junge Sinti kommt nur schleppend voran“ überschreibt eine Nachrichtenagentur ihre Meldung über einen Mordprozess. In der Überschrift wird die Ethnie der Angeklagten genannt. Im Text taucht diese noch einmal auf: „Alle Angeklagten gehören zu einer weit verzweigten Sinti-Familie und sind deutsche Staatsbürger“. Der Verband Deutscher Sinti und Roma sieht einen Verstoß gegen den Pressekodex als gegeben an, da die Tat nichts mit der Minderheit der Sinti und Roma zu tun habe, sondern ausschließlich individuell motiviert sei. Durch die Nennung der Minderheitenzugehörigkeit solle ein Sachzusammenhang zwischen Minderheiten der Sinti und Roma und der Tat hergestellt werden. Nach Meinung des Verbandes ist das Ziel dieser Meldung, die gesamte Minderheit der Sinti und Roma zu diskriminieren bzw. zu kriminalisieren. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Chefredaktion der Agentur teilt mit, die Redaktion habe es für richtig gehalten, auf den ungewöhnlichen Tatbestand hinzuweisen, dass die Angeklagten einer Familie angehörten. Die Agentur wollte damit jedoch keinesfalls eine ethnische Minderheit verunglimpfen. (2003)
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Eine Regionalzeitung teilt ihren Leserinnen und Lesern mit, die Staatsanwaltschaft ermittele auch gegen den Bruder des sogenannten „Satansmörders“ wegen des Vertriebs rechtsextremen Propagandamaterials. Der Betroffene sei wegen des gemeinsamen Vertriebs gleichen Materials mit seinem Bruder bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Der Vater der beiden Brüder ist der Ansicht, dass durch die Berichterstattung sein Sohn an den Medienpranger gestellt und vorverurteilt werde. Er legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richteten sich gegen einen mindestens 20 Personen umfassenden Kreis. Sein Sohn werde dabei herausgegriffen, weil er der Bruder des sogen. „Satansmörders“ sei, dessen Straftat im Jahre 1993 begangen worden sei. Damit bediene sich die Zeitung eines Familienmitgliedes, um ein anderes erneut in die mediale Öffentlichkeit zu bringen. Dies bedeute Sippenhaftung und sei eine Dauerstigmatisierung. (2003)
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