Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

Zwangsversteigerung

Unter der Überschrift „Hab und Gut für ein Luftschloss“ berichtet eine Regionalzeitung über die Zwangsversteigerung des Wohnhauses eines ehemaligen Bürgermeisters. Sie zitiert den zuständigen Sachbearbeiter der Kreissparkasse und den Betroffenen selbst, erwähnt das Engagement des Ex-Bürgermeisters um einen nie verwirklichten Ferienpark und teilt mit, der Stadtrat kreide ihm in Sachen Ferienpark Versäumnisse und eigenmächtiges Handeln an, was der Stadt einen Schaden von über einer Million Mark eingebracht habe. Ob mit den 550.000 Mark, die für das Haus veranschlagt seien, die Verbindlichkeiten des Betroffenen gedeckt seien, darüber wolle die Kreissparkasse keine Auskunft geben. In einem zweiten Bericht unter der Überschrift „Ein Gebot blieb aus“ informiert das Blatt, dass sich innerhalb der gesetzlichen Bieterfrist kein Interessent gemeldet habe und dass jetzt ein zweiter Termin angesetzt werden müsse. Detailliert geht die Zeitung dann auf die Hypotheken ein, mit denen das Haus belastet sei. Sie zählt dreizehn Einträge im Grundbuch auf, gibt Einzelbeträge an, nennt einzelne Gläubiger und beziffert den Gesamtwert der Forderungen auf rund 783.000 Mark. Allein die Gerichtskosten machten knapp 10.000 Mark aus. Die Tochter des betroffenen Bürgermeisters reicht beide Veröffentlichungen beim Deutschen Presserat ein. Sie ist der Ansicht, dass das Persönlichkeitsrecht ihres Vaters durch die Bekanntgabe der Details verletzt worden sei. Es bestehe kein öffentliches Interesse an einer Berichterstattung in dieser Ausführlichkeit. Die Redaktionsleitung der Zeitung erklärt, das Verhalten des Bürgermeisters während seiner Amtszeit wirke über die Jahre hinaus und berühre nach wie vor öffentliches Interesse. Die Versteigerung resultiere nachweislich aus vielen Forderungen, die sich aus einem Ferienparkskandal während der Amtszeit des Bürgermeisters ergeben hätten. Dieser habe sich mit seinem Privatvermögen an diesem Projekt beteiligt. Die Redaktion ist der Auffassung, dass sich daraus ein Anrecht der Öffentlichkeit ableite zu erfahren, ob und wann die Forderungen beglichen und die Schuld ihres ehemaligen Bürgermeisters abgetragen sei. Zudem seien alle im Artikel genannten Zahlen zum Vorgang öffentlich bei dem Zwangsversteigerungstermin genannt worden. (2000)

Weiterlesen

Namensnennung bei Verdacht der Untreue

In Lokal- und Landesteil berichtet eine Regionalzeitung in mehreren Artikeln über eine Angestellte, die von einem Kreisverband des Roten Kreuzes wegen des Verdachts der Veruntreuung von Beträgen bis zu einer halben Million Mark entlassen und von einem anderen Kreisverband des Roten Kreuzes dann als freie Mitarbeiterin für ein EDV-Projekt engagiert worden ist. In den Beiträgen wird der volle Namen der Frau genannt, in einigen auch ein Foto von ihr veröffentlicht. Die Betroffene wendet sich mit einer Beschwerde an den Deutschen Presserat. Sie sieht durch die Nennung ihres Namens und die Veröffentlichung ihres Fotos ihr Persönlichkeitsrecht verletzt. Durch diese Beiträge werde sie zudem vorverurteilt. Der Zeitungsverlag erklärt, man habe den Namen der Frau genannt, weil bereits die Kündigung ein halbes Jahr zuvor erheblichen Wirbel verursacht habe. Die Beschwerdeführerin sei wegen des Verdachts der Untreue und der Unterschlagung von annähernd einer halben Million Mark entlassen worden. Vor diesem Hintergrund sei es verwunderlich, dass ein anderer Kreisverband des Roten Kreuzes die ehemalige Angestellte erneut in seine Dienste aufgenommen habe. Noch mehr verwundere an dem Vorgang, dass dessen Vorsitzender der Anwalt sei, der gleichzeitig auch die rechtlichen Interessen der Betroffenen vertrete. In Kenntnis all dieser Vorgänge habe die Redaktion es als zulässig erachtet, die Beschwerdeführerin mit vollem Namen zu nennen, zumal sie auf Grund der Berichterstattung über die Betrugsvorwürfe sowieso einer Vielzahl von Personen bekannt geworden sei. (2000)

Weiterlesen

Kampfhunde

Die Diskussion über Kampfhunde sowie geplante und bereits umgesetzte Verbote entsprechender Haltung sind das Thema einer Reihe von Artikeln in einer Boulevardzeitung. In einem Beitrag unter der Überschrift „Berlin verbietet Kampfhunde“ informiert die Zeitung ihre Leserinnen und Leser, dass Berlin die gefährlichen Beißer verbietet. Unter der Überschrift „Pitbull zerfetzte ihre Pulsader“ behauptet das Blatt eine Woche später, dass der Senat in Berlin bereits ein Verbot für 15 Kampfhunderassen beschlossen habe. Ein Verein gegen die Diskriminierung von Hund und Halter beanstandet in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat, dass die Artikelreihe verschiedene falsche Tatsachen behaupte. So sei die Nachricht, dass Berlin Kampfhunde verbiete, frei erfunden. Es gebe zwar ein entsprechendes Vorhaben der SPD. Diesem Plan hätten aber andere Parteien eine eindeutige Absage erteilt. Die Rechtsabteilung des Verlages hält die Beschwerde für unbegründet. Sie sei mit falschen Daten angereichert worden, um die Behauptung zu halten, die Zeitung habe mehrfach falsch berichtet. Auf Anfrage teilt das Presse- und Informationsamt des Landes Berlin dem Presserat mit, dass der Senat am 4. Juli 2000 eine Sofortverordnung über das Halten und Führen von Hunden erlassen habe. Eine Woche später, am 11. Juli 2000, habe ein Gesetzentwurf über das Halten und Führen von Hunden im ersten Durchgang den Senat passiert. Dieser Gesetzentwurf liege nun dem Rat der Bürgermeister zur Stellungnahme vor, um danach in das Abgeordnetenhaus eingebracht zu werden. Zum Zeitpunkt der beiden Veröffentlichungen im April habe es jedoch in Berlin kein Verbot für Kampfhunde gegeben. Zu diesem Zeitpunkt habe lediglich ein Auftrag des Abgeordnetenhauses zur Überarbeitung der Hundeverordnung vom November 1998 vorgelegen. Dieser Entwurf sei der Presse aber nicht vorgestellt worden. (2000)

Weiterlesen

Interview

In einer Wochenzeitung erscheint ein Interview mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter einer Fernuniversität über die Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Dieser beschwert sich beim Deutschen Presserat über die Art und Weise, wie dieses Interview zu Stande gekommen ist. Der Autor habe sich ihm als Mitarbeiter der – nicht einer – „Berliner Wochenzeitung“ vorgestellt und um ein Interview mit seinem Vorgesetzten gebeten. Da sich dieser jedoch gerade in Urlaub befand, habe er sich selbst zu den Fragen des Journalisten geäußert und das Interview auch gegenüber der „Berliner Wochenzeitung“ autorisiert. Das ihm dazu vorab gefaxte Manuskript enthält allerdings keinen Hinweis auf die Herkunft mit Ausnahme der Faxnummer. Dass seine Wahlanalyse in einer anderen als in der vermeintlichen Wochenzeitung erschienen ist, erfährt er erst anhand eines Belegexemplars. Diesem Blatt, so schreibt er dem Presserat, hätte er nie ein Interview gegeben, da er bereits die Verbindung seines Namens mit dieser Zeitung geradezu als rufschädigend ansehe. Auch sein Vorgesetzter habe zuvor ein Interview mit Vertretern dieser Zeitung abgelehnt. Der Geschäftsführer der Wochenzeitung trägt vor, es gebe in seinem Blatt grundsätzlich keine Interviews, die nicht vom Interviewpartner autorisiert worden seien. So habe es sich auch im vorliegenden Fall verhalten. In einer eidesstattlichen Versicherung schildert der Mitarbeiter, der das Interview mit dem Wissenschaftler geführt hat, die näheren Umstände des Zustandekommens des Interviews aus seiner Sicht. Er habe sich der Telefonvermittlung des Instituts mit seinem Namen und dem Namen seiner Zeitung vorgestellt und um ein Gespräch mit dem Institutsleiter gebeten. Statt dessen habe sich aber überraschend der Beschwerdeführer gemeldet. Der Autor räumt ein, dass es durchaus möglich sei, dass er sich dem Mitarbeiter des Professors nicht mehr vorgestellt habe, da er ihn ja auch gar nicht habe sprechen wollen. Der Betroffene habe sich sofort ohne weitere Nachfrage sehr entgegenkommend bereit erklärt, als Vertretung für seinen Vorgesetzten ein Interview zu geben, da dieser verreist sei. Der Text sei dem Interviewpartner am nächsten Tag zur Ansicht gefaxt und von diesem ordentlich autorisiert worden. Da es sich bei dem gefaxten Text um ein Arbeitspapier gehandelt habe, habe er es nicht für nötig gehalten, einen Kopfbogen der Zeitung zu verwenden. Schließlich kennzeichne das Faxgerät ja alle Ausgänge sowieso automatisch. Dass die Faxkennung in dieser Woche ausgefallen war, sei ihm nicht bekannt gewesen. Der Autor sieht es als seinen moralischen Fehler an, gegenüber dem Beschwerdeführer nicht nachdrücklich auf Klärung der Situation bestanden zu haben. Allerdings sehe er sich als sachlich unschuldig, da keinerlei Täuschungsabsicht bestanden habe. Da der Beschwerdeführer keinerlei Fragen mehr gestellt habe, habe er davon ausgehen können, sein Gesprächspartner sei durch seine Sekretärin ausreichend informiert worden. (2000)

Weiterlesen

Bombenattentat

Am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn explodiert eine umgebaute, alte Handgranate. Sie verletzt zehn russische Aussiedler schwer. Eine Frau verliert ihr Baby. Unter der Überschrift „Düsseldorfer Terroranschlag – war er’s?“ berichtet eine Boulevardzeitung über die Festnahme eines Verdächtigen. Sie nennt seinen Vornamen und abgekürzten Nachnamen, veröffentlicht sein Foto, macht jedoch vorher sein Gesicht unkenntlich, zeigt die Ansicht seines Militarialadens und gibt die Adresse an. In einer Skizze wird dargestellt, wie nahe beieinander Wohnung und Ladengeschäft des Beschuldigten sowie Tatort liegen. Die Zeitung behauptet, der Mann sei unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassen worden und zitiert einen PDS-Ratsherrn, der den angeblichen Täter als „rassistischen Amokläufer“ bezeichnet. Die Anwältin des Betroffenen legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Durch die Veröffentlichung der detaillierten Angaben sei das Persönlichkeitsrecht ihres Mandanten verletzt worden. Für die Bezeichnung „rassistischer Amokläufer“ gebe es keine Belege. Zudem sei der Mann nicht unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassen worden. Insgesamt erkennt die Anwältin in der Veröffentlichung eine Vorverurteilung. Die Redaktionsleitung stellt fest, noch heute werde gegen den Beschwerdeführer wegen des Bombenattentats ermittelt. Die Verdachtsmomente der Staatsanwaltschaft rechtfertigten es, sich mit der Person des Verdächtigen zu beschäftigen. Wenn sich Personen mit öffentlichen Ämtern dazu äußern, könne es nicht in Frage gestellt werden, dass in den Medien diese Äußerungen wiedergegeben werden. Die von dem Ratsmitglied getroffene Feststellung, der Beschwerdeführer sei ein „rassistischer Amokläufer“, sei eine durchaus zulässige Meinungsäußerung. Das gleiche gelte für die Behauptung, der Betroffene sei unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassen worden. Die Presse dürfe in diesem Fall auf die Richtigkeit der Angaben durch einen Ratsherrn vertrauen. Dass der Betroffene in seinem Militarialaden Waffen verkaufe, werde in der Beschwerde nicht bestritten. Es werde lediglich kritisiert, dass die Zeitung nicht bewusst berichtet habe, es handele sich nicht um „scharfe“ Waffen. Schließlich sei es notwendig gewesen, den Zusammenhang zwischen dem Tatort und dem Aufenthaltsgebiet des Beschuldigten darzustellen. (2000)

Weiterlesen

Pflegedienste

Eine Lokalzeitung stellt eine neu eingerichtete Serviceleistung eines Hilfsdienstes vor. So sei die Erreichbarkeit seiner Geschäfts- und Dienststellen im Land wesentlich verbessert worden. Damit Bedürftige rund um die Uhr z.B. die Fahrdienste für Behinderte, Pflegedienste, den Hausnotruf oder Essen auf Rädern anfordern können, sei ein sogen. Kunden- und Servicecenter eingerichtet worden. Der Leiter der Einrichtung wird zitiert. Keine andere Hilfsorganisation in ... verfüge über eine vergleichbare Zentralstelle zur Kunden- und Mitgliederbetreuung, sagt er. Gegen die Behauptung, dass es landesweit keine Hilfsorganisation gebe, die diesen Service biete, wendet sich ein Verband der Alten- und Behindertenhilfe. Er schreibt dem Deutschen Presserat, diese Aussage sei objektiv falsch. Jeder Pflegedienst sei – unabhängig vom Träger – auf Grund des mit den Kassen geschlossenen Versorgungsvertrages verpflichtet, jederzeit, d.h. rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche erreichbar zu sein. Das sei eine vertragliche Selbstverständlichkeit, die zum Beispiel von den Mitgliedsbetrieben der Beschwerdeführerin im Verbreitungsgebiet der Zeitung seit Jahren gewährleistet sei. Diese Mitgliedsbetriebe seien nicht nur telefonisch erreichbar, sie seien auch jederzeit verfügbar. Das bedeute, dass rund um die Uhr auf Notfälle reagiert werde. Wenn also der Hilfsdienst, der in dem Artikel vorgestellt werde, jetzt erst, d.h. fünf Jahre nach Inkrafttreten dieser Regelung die vertraglichen Vereinbarungen erfüllen und das noch als besonderen Vorzug werbewirksam herausstellen wolle, könne sich jeder sein Urteil darüber selbst bilden. Die Aussage, dass keine andere Hilfsorganisation im Land über eine vergleichbare Zentralstelle zur Kunden- und Mitgliederbetreuung verfüge, sei eine bewusste Irreführung der Leser. Der Redaktionsleiter weist diesen Vorwurf zurück. Die Beschwerdeführerin verwechsle zwei Dinge: zum einen den gesetzlich vorgeschriebenen Pflegenotruf und zum anderen das Kunden- und Servicetelefon, das der genannte Hilfsdienst bundesweit rund um die Uhr betreibe. Von einer Wettbewerbsverzerrung durch die Berichterstattung zu sprechen, sei daher verfehlt. Der Bericht im Blatt beziehe sich nicht auf den sogen. Pflegenotruf, über den jeder Pflegedienst rund um die Uhr erreichbar sein müsse. Dieser laut Pflegeversicherungsgesetz vorgeschriebene Pflegenotruf sei in dem Bericht überhaupt nicht erwähnt. Vielmehr sei in dem Artikel darauf hingewiesen worden, dass alle Dienststellen des Hilfsdienstes im Land rund um die Uhr erreichbar seien, dass es also rund um die Uhr möglich sei, Dienstleistungen zu bestellen oder sich über Dienste zu informieren. Die Aussage, dass es im Land nichts Vergleichbares gebe, sei keine Irreführung, sondern entspreche der Realität. Lediglich die Rettungsleitstellen, die vom Roten Kreuz getragen, aber unabhängig tätig seien und deshalb unter anderen Voraussetzungen arbeiteten, wären mit dem beschriebenen Call-Center gleichzusetzen. (2000)

Weiterlesen

Bombenattentat

Unter der Überschrift „Düsseldorfer Terror-Bombe – Neo-Nazi verhaftet!“ schildert ein Boulevardblatt die Festnahme eines Mannes, der verdächtigt wird, an der S-Bahn-Station am Wehrhahn eine Bombe gezündet zu haben. Bei dem Anschlag waren zehn Personen zum Teil schwer verletzt worden. Eine schwangere Frau verlor bei dem Attentat ihr ungeborenes Baby. Sechs der zehn Bombenopfer sind laut Zeitung jüdischen Glaubens. Sie kamen gerade vom Sprachunterricht. Die Zeitung nennt den Vornamen des Festgenommenen und den Anfangsbuchstaben seines Nachnamens, gibt sein Alter und die Straße an, in der er einen Wehrsportladen betreibe. Der Mann sei ein stadtbekannter Rechtsradikaler mit Kampfhund, der Nazischmutz verkaufe und Juden, Ausländer und Schwule hasse. Ein PDS-Ratsmitglied wird mit der Auffassung zitiert, der Tatverdächtige sei ein „rassistischer Amokläufer“. Ein Foto des Betroffenen wird auch veröffentlicht, ist aber unkenntlich gemacht. Andere Fotos zeigen Polizeibeamte vor dem Geschäft des Festgenommenen. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat kritisiert die Anwältin des Betroffenen, dass es für die in dem Artikel enthaltenen Behauptungen keinerlei Beweise gebe. Zudem werde ihr Mandant vorverurteilt. Die Rechtsabteilung des Verlages weist den Vorwurf der Vorverurteilung zurück. In dem Beitrag werde der Beschwerdeführer durchgehend als Verdächtiger bezeichnet. Der Leser erfahre, dass es sich aus Sicht der Polizei nur um einen von vielen Ansätzen handele, denen nachgegangen werden müsse. Zudem sei am Tage nach der kritisierten Veröffentlichung ein weiterer Artikel unter der Überschrift „Verdächtiger ... wieder frei“ erschienen. Darin werde der Sprecher der Staatsanwaltschaft ausführlich zitiert, u.a. auch mit der Feststellung, dass sich ein dringender Tatverdacht in bezug auf die Person des Beschwerdeführers nicht bestätigt habe. Zu dem Zitat des Stadtrates, der den Betroffenen einen „rassistischen Amokläufer“ genannt habe, habe die Redaktion die erforderliche Distanz gewahrt. Eine gezielte Beeinflussung der Öffentlichkeit im Hinblick auf die Schuld des Beschwerdeführers liege nicht vor. Die Schlagzeile „Neo-Nazi verhaftet!“ könne nicht beanstandet werden. Dass der Mann einen Wehrsportladen besitze, sei unstreitig. Darüber hinaus gebe es in der Berichterstattung mehrere Hinweise, insbesondere auch Aussagen von Wohnungsnachbarn, welche die These, er sei ein stadtbekannter Rechtsradikaler mit Kampfhund, stützten. In diesem Zusammenhang dürfe auch nicht die Funktion einer Schlagzeile außer acht gelassen werden. Sie solle Aufmerksamkeit erregen und zum Kauf bzw. zur Lektüre der Zeitung und damit auch des konkreten Artikels führen. In diesem Sinne werde lediglich schlagwortartig auf die Berichterstattung aufmerksam gemacht. Der eigentliche Aussagegehalt werde durch den Artikel selbst weit mehr geprägt als durch die Schlagzeile oder gar ihre Unterzeile. Der Artikel selbst sei nicht zu beanstanden. (2000)

Weiterlesen

Foto eines ertrunkenen Kindes

Ein Ehepaar mit drei Kindern bezieht einen Dauerstellplatz auf einem Campingplatz nahe bei einem Baggersee. Plötzlich ist sein vierjähriger Junge verschwunden. Fieberhaft wird gesucht. Mit Hubschrauber, Boot und Tauchern. Nach 18 Stunden steht fest: Das Kind ist ertrunken. Die Eltern erleiden einen Schock und werden in ein Krankenhaus gebracht. Unter der Überschrift „Wenn die Hoffnung in Tränen ertrinkt“ schildert eine Boulevardzeitung den Vorfall. Sie merkt an, dass das Verschwinden des Jungen zunächst nicht bemerkt worden sei. Offenbar hätten sich die Familienmitglieder gegenseitig aufeinander verlassen. Fest stehe: Irgendwann müsse das Kind zum Badesee gegangen, ins 1,40 Meter tiefe Wasser gestürzt und ertrunken sein. Fotos zeigen die Taucher bei der Arbeit, die geschockten Eltern und schließlich einen Taucher, der das tote Kind im Arm hält. Die Pressestelle der zuständigen Kreispolizeibehörde schaltet den Deutschen Presserat ein. Sie hält die Veröffentlichung – vor allem der Fotos – für voyeuristisch und geschmacklos. Vor Ort seien die anwesenden Pressevertreter gebeten worden, nicht zu fotografieren. Dieser Bitte sei von keiner Seite widersprochen worden. Mit Ausnahme der Mitarbeiter der Boulevardzeitung hätten alle Pressevertreter diese Bitte respektiert. Auch die Anwälte der Eltern wenden sich an den Deutschen Presserat. Durch beide Fotos werde das Persönlichkeitsrecht der Eltern und des Kindes verletzt. Die Darstellung sei zudem unangemessen sensationell. Die Behauptung „Offenbar verließen sich die Familienmitglieder gegenseitig aufeinander“ sei falsch. Die Vermutung entbehre jeder Grundlage. Die Rechtsabteilung des Verlages teilt mit, dass sie mit der Rechtsvertretung der Beschwerdeführer eine einvernehmliche Regelung anstrebe. Es sei daher verabredet worden, eine Stellungnahme zu dem Vorgang derzeit nicht abzugeben. Da die außergerichtliche Einigung mit dem Verlag zustande kommt, ziehen die Anwälte der Eltern ihre Beschwerde schließlich zurück. (2000)

Weiterlesen

Mitmachzeitung

In einer Großstadt erscheint eine sogen. „Mitmachzeitung“, in der nach Aussage ihres Herausgebers jedermann die Möglichkeit hat, seine Meinung zu veröffentlichen, soweit sie nicht eindeutig rassistisch oder sexistisch ist. Unter der Überschrift „Sie schulden mir meine Kaution“ schildert ein Mieter, der aus dem Dachgeschoss eines Mietshauses ausgezogen ist, seine Auseinandersetzung mit der Vermieterin, die er mit vollständigem Namen und vollständiger Adresse nennt. Er behauptet, dass seine Vermieterin sich mit wechselnder Begründung geweigert habe, ihm nach seinem Auszug die Kaution zurückzuzahlen, auf die er nach seiner Ansicht einen Anspruch habe. Zunächst sei die Einbehaltung der Kaution damit begründet worden, dass das mitvermietete Mobiliar der Wohnung abgenutzt worden sei. Eine weitere Begründung sei in der Folgezeit gewesen, dass er die Wohnungsschlüssel nicht rechtzeitig abgegeben habe, so dass ein neuer Mieter in die Wohnung nicht habe einziehen können. Dadurch seien diesem Hotelkosten entstanden und er habe die Lagerung seiner Möbel bezahlen müssen. Schließlich sei der angebliche Mieter vom Vertrag zurückgetreten, weil der Vormieter die Wohnung verdreckt zurück-gelassen habe. Die Vermieterin beschwert sich beim Deutschen Presserat, dass in dem Beitrag ihr Name und ihre Anschrift genannt werden. Da sie politisch aktiv sei und sich in absehbarer Zeit um ein öffentliches Amt bewerbe, wolle sie das rufschädigende Verhalten der Zeitung nicht auf sich beruhen lassen. Die angesprochene Sache sei inzwischen auch gerichtsanhängig. Die Zeitung beruft sich in ihrer Stellungnahme darauf, dass die Beschwerdeführerin sich um ein politisches Amt bemühe, daher einem gesteigerten öffentlichen Interesse unterliege und sich nicht mehr in vollem Umfange auf ein Recht auf Anonymität berufen könne. Schließlich handele es sich hier nicht um eine Zeitung im herkömmlichen Sinne, sondern um eine „Mitmachzeitung“. (2000)

Weiterlesen

Namensnennung bei Gutachtertätigkeit

Unter der Überschrift „Gutachterin: MS-Kranker muss nicht mehr so oft duschen“ schildert eine Regionalzeitung die Situation eines 59-jährigen Maurers, der an Multipler Sklerose erkrankt ist und sich seit 34 Jahren nur noch im Rollstuhl bewegen kann. Die Zeitung berichtet, das eine Mitarbeiterin des medizinischen Dienstes den aktuellen Gesundheitszustand des MS-Kranken begutachtet hat. Die namentlich genannte Ärztin wird mit der Feststellung zitiert: „Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich keine Veränderungen seitens des Gesundheitszustandes ergeben haben.“ Trotzdem sei die Gutachterin der Meinung, dass sich der Zeitaufwand für die Pflege des Mannes verändert habe. Er müsse nicht mehr so oft gewaschen werden. Er müsse nicht mehr so oft zur Toilette. Er lege sich nachmittags nicht mehr zur Ruhe und auch beim An- und Auskleiden habe sich der Aufwand für die Ehefrau, die ihren Mann täglich pflegt, verringert. Schließlich habe die Ärztin festgestellt, dass sich auch die Transferzeiten, die täglich für das Duschen anfallen, verändert haben. Die Argumente der Betroffenen gegen die Reduzierung des Hilfebedarfs haben laut Zeitung die Ärztin „wenig gekümmert“. Schließlich berichtet die Zeitung, dass selbst die Leiterin des medizinischen Dienstes Zweifel an dem Gutachten ihrer Kollegin hege. Sie rate dem Betroffenen, einen Widerspruch zu formulieren. Die Ärztin beschwert sich beim Deutschen Presserat darüber, dass sie in dem Artikel mehrfach namentlich erwähnt und sinnentstellt zitiert werde. Der Autor habe sie persönlich zu dem Sachverhalt gar nicht befragt. Zu den medizinischen Gegebenheiten selbst wolle sie keine Stellung nehmen, da sie sich an die Schweigepflicht gebunden sehe Es sei jedoch so, dass die Schwere einer Erkrankung nicht immer in direktem Zusammenhang mit einer Pflegestufe zu sehen sei. Die Beurteilung der Pflegenotwendigkeit erfolge anhand gesetzlicher Vorgaben, so dass eine Bemerkung wie jene, das habe sie „wenig gekümmert“, jeglicher Objektivität entbehrten. Die Gutachterin empfindet die mehrfache Nennung ihres Namens ohne ihre persönliche Zustimmung als rufschädigend. Der Chefredakteur der Zeitung bittet, die Beschwerde zurückzuweisen. Eine für die Zeitung negative Beurteilung würde die Berichterstattung über Sozialfälle seines Erachtens erschweren, was er für unangemessen halte, insbesondere da durch die vorliegende Berichterstattung nicht gegen publizistische Grundsätze verstoßen worden sei. Die Berichterstattung basiere auf schriftlichen Unterlagen. Von einer sinnentstellenden Zitierung der Gutachterin könne nach seiner Ansicht nicht gesprochen werden. Richtig sei, dass die Ärztin vor Veröffentlichung des Berichtes nicht persönlich befragt worden sei. Man habe jedoch die Leiterin des medizinischen Dienstes nach den Angaben in dem Gutachten befragt. Sinngemäß habe diese geantwortet, dass sie Aussagen schon ihre Richtigkeit hätten, wenn die Kollegin das so schreibe. Der Chefredakteur räumt ein, dass die Formulierung, das habe die Ärztin „wenig gekümmert“, unglücklich sei. Dieser Satz sei nicht notwendig gewesen. Dies rechtfertige aus seiner Sicht aber nicht eine Rüge des Artikels. (2000)

Weiterlesen