Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

Sinti mit Falschgeld

Zwei Männer und eine Frau stehen vor Gericht, weil sie laut Anklage eine Million Mark Falschgeld an den Mann hatten bringen wollen. Der Abnehmer sei jedoch ein verdeckter Ermittler der Polizei gewesen. Die Zeitungen am Ort berichten über den Fall. Die erste Zeitung bezeichnet einen der Angeklagten als Oberhaupt einer großen Sinti-Familie und beschreibt ihn wie folgt: Dünne Haarsträhnen, über den Kopf pomadisiert und zum Pferdeschwanz gebunden. Analphabet. Blaues Cashmere-Sakko, goldene Armbanduhr. Während sie den zweiten Angeklagten den lieben Onkel mit dem Spitznamen „Büffel“ nennt, spricht die zweite Zeitung von einem Rentner und Sinti-Geiger, der auf Rat aus Roma-Kreisen eine Sporttasche voller falscher Hunderter besorgt habe. Die selbe Zeitung hebt in einem zweiten Artikel über den Ausgang des Verfahrens die Zugehörigkeit der zu Gefängnisstrafen Verurteilten zur Gruppe der Sinti hervor. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hält die Erwähnung der ethnischen Zugehörigkeit für einen Missbrauch der Pressefreiheit und beantragt eine Rüge des Deutschen Presserats. Die Rechtsabteilung des Verlags, in dem beide Zeitungen erscheinen, erklärt, im Vordergrund ihres Artikels stehe die Tat selbst, nämlich der Handel mit gefälschten Banknoten. Ein direkter Zusammenhang zwischen der Tat und der ethnischen Zugehörigkeit werde nicht her- und vor allem nicht herausgestellt. Der Fall sei bestimmt anders zu beurteilen, hätte es in der Schlagzeile geheißen „Sinti-Trio“ statt „Rentner-Trio“ oder „Hohe Strafen für Sintis“ anstatt „Hohe Strafen für Blüten-Händler“. Die Erwähnung der ethnischen Zugehörigkeit sei nach Inhalt und Aufmachung des Artikels insgesamt zu unbedeutend, um bei dem nach der Rechtsprechung maßgeblichen flüchtigen Durchschnittsleser etwaige Vorurteile erwecken zu können. (1998)

Weiterlesen

Adressenangabe

In zwei Artikeln berichtet eine Boulevardzeitung über die bevorstehende Gerichtsverhandlung gegen einen ehemaligen Gefängniswärter, dem mehrfache Körperverletzung vorgeworfen wird. Die Zeitung zählt die Vorwürfe auf, die gegen den „wohl grausamsten Knastwärter der untergegangenen DDR“ erhoben werden. Zu beiden Berichten werden Fotos des Betroffenen veröffentlicht, der Vorname sowie das Alter des Mannes werden genannt und seine Adresse wird bekanntgegeben. Die Anwälte des Beschuldigten rufen den Deutschen Presserat an. Sie beklagen sensationelle Darstellung sowie Vorverurteilung und sehen durch die Wiedergabe der Fotos und die Adressenangabe das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt. Die Chefredaktion der Zeitung gesteht ein, dass die Artikel zwar emotional geschrieben seien, eine Vorverurteilung aber nicht vorgenommen werde. Man berichte über einzelne Vorfälle, die zur Anklage geführt hätten, weise aber darauf hin, dass es sich um Vorwürfe handele. Diese Vorwürfe seien so gravierend, dass Mann 1990 aus dem Justizdienst entlassen worden sei. (1996)

Weiterlesen

Textbearbeitung

Eine Fachzeitschrift für Ärzte bittet einen Professor der Medizin um einen Beitrag über die Fußbehandlung von Diabetikern. Der Mediziner entspricht dem Wunsch, stellt aber später zu seinem großen Ärger fest, dass sein Text ohne seine Zustimmung gekürzt und dadurch seines kritischen Inhalts beraubt wurde. Er trägt den Fall dem Deutschen Presserat vor. Der betroffene Verlag räumt ein, dass es im vorliegenden Fall richtig und zweckmäßig gewesen wäre, mit dem Autor über die geringfügige Kürzung seines Beitrages zu sprechen. Dies sei jedoch aus Zeitgründen nicht geschehen. Als Begründung für die Kürzung des Textes führt der Verleger an, er habe sich verpflichtet gefühlt, eine überspitzte und den neuesten Forschungsergebnissen nicht mehr entsprechende Bewertung einer verbreiteten Behandlungsmethode durch den Autor nicht abzudrucken, weil dies Ärzte, die nach dieser Methode behandeln, verunsichert und mögliche Erfolge therapeutischer Maßnahmen in Frage gestellt hätte. Zudem sei der kritische Grundtenor des Beitrags nicht verändert worden. (1996)

Weiterlesen

Begriff „Wirtshaustour“

Ein 18jähriger, gerade erst im Besitz eines Führerscheins, verursacht einen Autounfall, bei dem zwei seiner Freunde ums Leben kommen, während er selbst überlebt. Eine Boulevardzeitung berichtet über den Unfall und zeigt die beiden Unfallopfer im Bild. Die Vornamen werden genannt, die Familiennamen sind abgekürzt. Die Schlagzeile des Berichts lautet „Führerschein-Neuling fuhr zwei Freunde in den Tod“. In der Dachzeile dazu ist von einer „Wirtshaus-Tour“ im Wohnbereich der Betroffenen die Rede. Der Vater eines der beiden Unfallopfer schaltet den Deutschen Presserat ein. Durch den Begriff „Wirtshaus-Tour“ in der Dachzeile werde dem Leser suggeriert, dass die Beteiligten unter Alkoholeinfluss gehandelt hätten. Tatsächlich sei jedoch bei keinem der Fahrzeuginsassen Alkoholgenuss festgestellt worden. Es habe auch keine Wirtshaustour gegeben, sondern man habe sich nur in einem Gasthaus getroffen, um von dort weiter in ein Kino zu fahren. Mittels einer reißerischen Überschrift sei hier eine Falschdarstellung erzeugt worden, welche die Ehre der Unfallopfer erheblich verletze. Eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte erkennt der Beschwerdeführer auch in der Veröffentlichung der beiden Fotos. Der Redaktionsleiters der Zeitung sieht seinen Artikel fehlinterpretiert. Nur wenn man ausschließlich die Überschrift lese und darauf verzichte, den kompletten Beitrag zu lesen, könne man auf die Idee kommen, dass eine Wirtshaustour zu dem tödlichen Ausgang, möglicherweise bedingt durch Alkohol, geführt habe. Aus dem Artikel ergebe sich aber eindeutig, dass Alkohol bei dem Unfall überhaupt keine Rolle gespielt habe. (1996)

Weiterlesen

Parlamentarierreise

Unter der Schlagzeile „Wählt sie nie wieder!“ ruft eine Boulevardzeitung ihre Leser auf, vier Bundestagsabgeordnete nicht mehr zu wählen, denen die dramatische Staatsverschuldung völlig egal sei. Während der Bundestag zu einer Sondersitzung zusammengekommen sei, hätten sich die vier lieber im Spielerparadies Las Vegas vergnügt. Die Zeitung spricht von einer Zocker-Reise. Sowohl in Las Vegas als auch später in Chicago seien die Abgeordneten in Luxussuiten untergebracht gewesen. Eine der genannten Abgeordneten wehrt sich mit einer Beschwerde beim Deutschen Presserat gegen im Artikel enthaltene falsche Tatsachenbehauptungen. Zum Zeitpunkt der Sitzung sei sie nicht mehr in Las Vegas, sondern bereits in Chicago gewesen. Sowohl hier wie dort sei sie in normalen Hotelzimmern untergebracht gewesen. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin enthält der Artikel ehrverletzende Beschuldigungen und kommt einem Rufmord gleich. Die Chefredaktion des Blattes erklärt, die Politikerin verkenne völlig den Inhalt des Beitrags. Entscheidend sei doch, dass die auf die Initiative ihrer Partei einberufene Sondersitzung des Parlaments für die Beschwerdeführerin kein Anlass war, ihre im Verhältnis zu der Bedeutung der Sondersitzung völlig unwichtige Reise abzubrechen, um in den Bundestag zurückzukehren. Es sei völlig unerheblich, wo sie zum Zeitpunkt der Sitzung gewesen sei. Wichtig sei vielmehr, dass sie an dieser Sitzung nicht teilgenommen, sondern lieber eine „Glücksspielreise“ in die USA unternommen habe. Die Aussage über die Unterbringung in Luxussuiten entspreche dem Sachstand. Zudem sei es wohl zweifelsfrei eine Meinungsfrage, was eine Suite sei. (1996)

Weiterlesen

Selbsttötung

Ein 19jähriger Junge wirft sich aus unerklärlichen Gründen vor einen Zug. In einem Abschiedsbrief an seine Familie erklärt er, er werde in Michael Jackson weiterleben. Eine Boulevardzeitung berichtet über die Selbsttötung in großer Aufmachung. Dem Text ist ein Foto des Selbstmörders beigestellt, dessen Gesicht mit einem Balken verdeckt ist. Die Mutter des Jungen beschwert sich beim Deutschen Presserat über die hartnäckigen Recherchemethoden des mit der Sache befassten Redakteurs, der sie bedrängt und sich bei ihrer 72jährigen Mutter ein Foto ihres Sohnes erschlichen habe. Der Leiter der örtlichen Redaktion habe ihr schließlich zugesagt, dass er das Bild nicht veröffentlichen werde. Der Text werde aber auf jeden Fall erscheinen. Auch wenn die „Geschichte“ ihres Sohnes sachlich stimme, diese Art von Journalismus empöre sie zutiefst, erklärt die Mutter. Die Chefredaktion des Blattes bestreitet, dass ihr Mitarbeiter die Angehörigen des Selbstmörders unter Druck gesetzt habe. (1996)

Weiterlesen

Karikatur

„Falls es jemand noch nicht gemerkt haben sollte: Vorsicht Satire!“, schreibt eine Zeitschrift zu einer Karikatur von Helmut Kohl im Dienstwagen und einer fast nackten Hannelore Kohl auf dem Kotflügel des Fahrzeugs. Her K. sei Deutscher Meister im Kanzlertiteltragen. Das Schicksal einer jeden Kanzler-Gattin sei es bekanntlich, das Show-Girl des Kanzler-Amtes zu sein. Und diese Rolle habe Frau K. in den 14 Jahren Regentschaft des Herrn K. klaglos gespielt und stets eine gute Figur gemacht. Der Leiter des Arbeitsstabes für Öffentlichkeitsarbeit und Medienpolitik im Bundeskanzleramt reicht Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Die Veröffentlichung verletze Würde und Persönlichkeitsrecht von Hannelore und Helmut Kohl. Das Bild und der dazugehörige Text seien gegen das auf der Verfassung beruhende Amt des Bundeskanzlers gerichtet. Die Chefredaktion der Zeitschrift weist darauf hin, dass es sich bei der beanstandeten Zeichnung eindeutig um eine Karikatur handele, woraus sich auch die Berechtigung der Veröffentlichung ableite. Auch der Zeichner meldet sich zu Wort. Das Blatt sei Bestandteil einer satirischen Prominenten-Galerie, welche seit mehreren Jahren in dieser Zeitschrift erscheine. Nur dem leichtfertigen Betrachter könne die Fehlinterpretation unterlaufen, Frau Kohl sei auf dem Bildnis irgendwie „halbseiden“ gekleidet und in ein entsprechend schummriges Licht gerückt. Sie sei vielmehr im „klassischen Revue-Girl-Outfit“ dargestellt und daran sei nichts unschicklich. (1997)

Weiterlesen

Überschrift und Unterzeile

In ihrer Lokalbeilage berichtet eine Tageszeitung unter der Überschrift „Taubenfüttern bei Strafe verboten“ über die Absicht des örtlichen Umweltschutzdezernenten, beim Stadtrat ein Verbot des Taubenfütterns zu beantragen. Ein Leser beschwert sich beim Deutschen Presserat. Durch die Tatsachenbehauptung in der Überschrift werde bei ihm der Eindruck erweckt, dass das Verbot bereits eine beschlossene Sache sei, obwohl der Stadtrat darüber noch gar nicht entschieden habe. Der Sinn des Artikels werde somit durch die Überschrift verfälscht. Derartiger Journalismus sei unseriös. Die Chefredaktion der Zeitung weist darauf hin, dass die Überschrift nicht für sich allein stehe, sondern durch den ebenfalls sofort augenfälligen Untertitel „Morgen soll eine neue Regelung beschlossen werden – Doch die Vogelfreunde machen mobil“ ergänzt werde. Schon deshalb werde der Leser durch diese Überschrift nicht irregeführt, da er mit einem Blick nicht nur die Hauptüberschrift, sondern auch den Untertitel wahrnehme. Zudem hätte bei der Veröffentlichung des Artikels bereits festgestanden, dass es zu einem solchen Verbot kommen werde. Alle im Stadtrat vertretenen Fraktionen hätten sich zu diesem Thema geäußert. Die Mehrheitsverhältnisse seien eindeutig gewesen. Im Journalismus sei es durchaus üblich, Sachverhalte in der Überschrift verkürzt und auch etwas überspitzt darzustellen. Insoweit solle die Überschrift vor allem zum Lesen des jeweiligen Artikels verlocken. Sie habe keinen eigenen gewichtigen Informationscharakter. (1996)

Weiterlesen

Namensnennung

Der Detektiv eines Kaufhauses erwischt eine Kundin beim Diebstahl einer Flasche Parfüm im Werte von 27,50 Mark. Die Redaktion der Zeitung am Ort berichtet darüber und schildert auch die Reaktion der Frau. Diese sei „ausgerastet“, auf den Parkplatz gelaufen, habe laut um Hilfe geschrien und sich später „wie ein nasser Sack“ fallen lassen. Die Zeitung nennt den vollen Namen der Frau und auch den Ort, in dem ihr Mann Bürgermeister ist und sie einen Sitz im Gemeinderat hat. Ein Leser der Zeitung sieht die Frau bloßgestellt und bittet den Deutschen Presserat, diese Entgleisung zu rügen. Die Lokalredaktion ist anderer Ansicht. Der Bürger könne erwarten, dass Personen, die politische Ämter bekleiden, auch insoweit verlässlich seien, dass sie Gegenstände, die sie erwerben wollen, auch bezahlen. Täten sie das nicht, müsste dies – auch zum Schutze der Allgemeinheit – öffentlich gemacht werden. Die Redaktion räumt jedoch ein, dass sie auf die Namensnennung hätte verzichten können, nicht aber auf den Hinweis, dass es sich um eine Gemeindevertreterin und die Frau des Bürgermeisters handelt. Die Frau ist zwischenzeitlich zurückgetreten. (1996)

Weiterlesen

Tatort

In großer Aufmachung „enthüllt“ eine Boulevardzeitung einen „Millionen-Betrug“. Als Beispiel dafür, wie heute die Sozialämter „abgezockt“ werden, wird u.a. der Fall eines 38jährigen Russen geschildert, dem das Sozialamt der Stadt seit zwei Jahren monatlich 4.000 D-Mark Sozialhilfe zahle. Gleichzeitig sei er beim Wirtschaftsamt der Stadt als Firmeninhaber gemeldet. In Wahrheit verschiebe er Autos. Bei einer jetzt durchgeführten Hausdurchsuchung habe die Kriminalpolizei Kontoauszüge gefunden, die auf einen Jahresumsatz von 10 Millionen D-Mark schließen lassen. Der Bürgermeister des Stadtbezirks legt den Bericht dem Deutschen Presserat vor. Der erwähnte Russe habe vom Sozialamt seines Bezirks nie Sozialhilfe erhalten und beim Wirtschaftsamt auch keine Firma angemeldet. Recherchen des Presserats beim Polizeipräsidium ergeben, dass es sich bei dem geschilderten Fall um einen authentischen Sachverhalt handelt. Aus datenschutzrechtlichen Gründen sei er jedoch verfremdet worden. So habe der zuständige Beamte der Kriminalpolizei weder den richtigen Namen des Täters, noch die betroffene Dienststelle angegeben. Er habe lediglich von einem Bezirksamt der Stadt gesprochen. Die Redaktionsleitung des Blattes teilt mir, dass die in dem Artikel beschriebenen Fälle, also auch der des Russen, von Mitarbeitern des Landeskriminalamtes geschildert worden seien. Eine Sozialstadträtin des genannten Bezirks, auf den Fall des Russen angesprochen, habe bestätigt, dass eine „Familie“ oder „Gruppe“ überführt worden sei, kriminelle Autoschiebereien begangen zu haben. Man habe festgestellt, dass ein Mitglied dieser „Gruppe“ zumindest für sich und seine Familie Sozialhilfe bezogen habe. Zwar sei der Name des Russen von der Stadträtin nicht genannt, aber auch nicht dementiert worden. Da sie aber den wesentlichen Sachverhalt bestätigt habe, sei die Redaktion davon ausgegangen, dass die Informationen vom Landeskriminalamt zutreffend waren. Schließlich erklärt die Redaktionsleitung, der Beschwerdeführer dementiere nicht, dass der dem Fall des Russen zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig sei, sondern stelle nur fest, dass der genannte Russe nicht Klient des Bezirksamtes gewesen sei. Man könne dadurch den Eindruck gewinnen, dass die einzig unrichtige Tatsache der in dem Artikel genannte Name des Täters, nicht aber der geschilderte Sachverhalt sei. (1996)

Weiterlesen