Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

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Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

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Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

Verbraucherzentrale missverständlich zitiert

Eine Regionalzeitung berichtet online über das Vorhaben eines Energiekonzerns, die Gläubiger eines insolventen Windkraftentwicklers davon zu überzeugen, einem sogenannten „Investoren-Insolvenzplan“ zuzustimmen. In diesem Rahmen würde das Unternehmen an den Energieversorger verkauft, und die Gläubiger erhielten aus dem Verkaufserlös eine anteilige Rückzahlung ihrer Forderungen. Alternativ dazu könnten die Gläubiger im Rahmen eines „Genossenschaftsinsolvenzplans“ für die Umwandlung in eine Genossenschaft optieren. Nach Auffassung des Autors erscheint die Übernahme der Anteile durch den Energieversoger zukunftsträchtiger. Im Text heißt es dazu: „Die Zahlen überzeugen den Kopf, entsprechend rät die Verbraucherzentrale Schleswig-.Holstein denn auch, Anleger sollten gegen die Genossenschaftslösung stimmen. Und die Stiftung Warentest warnt, ein Totalverlust sei nicht auszuschließen. Auch das Kartellamt hat den Erwerb durch … (den Energieversorger) bereits zugestimmt. Ein Leser der Zeitung vertritt die Ansicht, dass die Redaktion gegen den Pressekodex verstoßen hat. Die Aussage „…entsprechend rät die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein denn auch, Anleger sollten gegen die Genossenschaftslösung stimmen“ sei ein besonders grober Verstoß. Der Beschwerdeführer zitiert die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein, die keineswegs eine eindeutige Empfehlung gegen das Genossenschaftsmodell abgegeben habe. Der Inhalt des Artikels könne als Anzeige für den Energieversorger missverstanden werden. Der Chefredakteur der Zeitung berichtet in seiner Stellungnahme, viele Menschen im Verbreitungsgebiet der Zeitung hätten teilweise ihre gesamten Ersparnisse in Genussscheine des Windkraftentwicklers gesteckt und hohe Verluste erlitten. Der Autor des Beitrages habe vor allem die bereits in hohem Maße geschädigten, sicherheitsbewussten Anleger im Blick gehabt, als er in Auszügen über die Einschätzungen der Verbraucherzentrale geschrieben habe. Der Chefredakteur weist darauf hin, dass der Beschwerdeführer Leiter Personal und Recht des Windkraftentwicklers sei. Er verfolge daher ein persönliches und kein journalistisches Ziel.

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„Drei Männer waren absolute Flops“

Unter der Überschrift „Das Geschäft mit der Einsamkeit“ berichtet die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung über eine Frau und deren Erfahrungen mit einer Partnervermittlung. Sie habe zunächst mit der Agentur-Inhaberin gesprochen und dann 3000 Euro bezahlt. Daraufhin habe die Partnervermittlung einen Kontakt zu drei Männern hergestellt, die sich als „absolute Flops“ erwiesen hätten. Beim dritten Kandidaten, so berichtet die Zeitung weiter, habe die Frau den Eindruck gehabt, er sei von der Agentur gekauft worden. Den Vertrag habe sie gekündigt und sich an die Verbraucherzentrale gewandt. Eine der dortigen Beraterinnen wird mit den Worten zitiert, dass die Agentur dort bestens bekannt sei. Zitat: „Nach unseren Informationen arbeitet die Agentur immer wieder nach dem gleichen Prinzip. Wenn die Kunden erst einmal bezahlt haben, findet kaum mehr eine Vermittlung statt.“ Die Redaktion teilt mit, dass sie die Agentur vergeblich um eine Darstellung ihrer Sicht der Dinge gebeten habe. Im Artikel wird der Name der Agentur-Inhaberin genannt. Diese hält die Berichterstattung für einen Verstoß gegen den Pressekodex und wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Der im Artikel genannte Vorgang stamme aus dem Jahr 2002. Sie habe die Agentur 2007 aus Altersgründen abgegeben. Dennoch sei der Artikel im Jahr 2009 erschienen und jetzt – im Jahr 2015 – immer noch im Internet abrufbar. Sie sei auch nicht um eine Stellungnahme gebeten worden. Die Agentur sei ihre Existenz gewesen. Um diese nicht zu gefährden, habe sie sich niemals so verhalten, wie es die Zeitung darstelle. Sie sei auch heute noch bereit, eine eidesstattliche Erklärung abzugeben, dass sie niemals an Herren eine Prämie bezahlt habe. Die Frau bittet den Presserat, ihr dabei zu helfen, den Artikel aus dem Internet zu entfernen. Der Chefredakteur der Zeitung berichtet, der fragliche Artikel sei 2009 von einer Lokalredakteurin recherchiert und geschrieben worden. Er sei nach wie vor von einer korrekten Recherche überzeugt. Weil seit der Veröffentlichung mehr als sechs Jahre vergangen seien, lägen der Redaktion keine weiteren Informationen mehr vor. Die Redaktion habe den Namen der einstigen Agentur-Inhaberin mittlerweile aus dem Artikel gelöscht.

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Zeitung berichtet über Korruptionsverdacht

Eine Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „Verbandschef unter Korruptionsverdacht“ über einen an das Landesinnenministerium gerichteten Brief. Es geht um den Chef einer Firma, die als Subunternehmen auf Baustellen eines Wasserzweckverbandes gearbeitet habe. Diesem Verband steht der Firmenchef ebenfalls vor. Von Untreue und Korruption zu Lasten des Zweckverbandes sei in dem Brief die Rede, der der Redaktion vorliege. Eine Antwort habe der Absender noch nicht erhalten. Der Firmenchef, so der Briefschreiber, sei „unmittelbar in die Auftragsvergabe des Zweckverbandes involviert“. Er schlussfolgere daraus „erheblichen Untreue- und Korruptionsverdacht zu Lasten des Zweckverbandes und zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil“. Der Betroffene kommt in der Zeitung mit einer Stellungnahme zu Wort. Die Redaktion kommentiert den Fall unter der Überschrift „Noch ohne Ergebnis“. Später berichtet die Zeitung, dass das Landesverwaltungsamt den Korruptionsverdacht prüfe. Dort liege inzwischen der Brief, der Auslöser des Korruptionsverdachts gewesen sei. Eine Sprecherin des Amtes wird mit den Worten zitiert, dass der Wasserzweckverband um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten worden sei. Der im Text genannte Verbandschef und Beschwerdeführer in diesem Fall berichtet, er sei von der Leiterin der Lokalredaktion am Vormittag per E-Mail um eine Stellungnahme bis 14 Uhr gebeten worden. Er solle sich zu dem Vorwurf äußern, er habe als Firmeninhaber und Auftragsnehmer des Zweckverbandes bei der Vergabe von Aufträgen mittelbar Vorteile in Anspruch genommen. Eigene Recherchen der Lokalchefin seien ihm – dem Beschwerdeführer - nicht bekannt. Die Überschriften zu den erwähnten Beiträgen seien falsch. Er stehe als Verbandschef in keiner Weise unter Korruptionsverdacht. Somit könne auch keine Behörde damit befasst sein, einen Korruptionsverdacht gegen ihn zu überprüfen. Bisher seien nicht einmal Tatsachen vorgetragen und auch nicht von der Zeitung recherchiert worden, die einen Anfangsverdacht auf Korruption, Untreue oder ähnliches rechtfertigten. Es sei unfair, dass die Redaktion den ihr vorliegenden Brief ihm nicht zur Kenntnis gebe. Unfair sei es auch, ihm zur Stellungnahme eine Frist von gerade einmal viereinhalb Stunden einzuräumen. Der Chefredakteur der Zeitung spricht von einer falschen Behauptung des Beschwerdeführers, wenn dieser kritisiere, dass der Inhalt der Beiträge von den jeweiligen Überschriften nicht gedeckt sei. Das Landesinnenministerium habe eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer erhalten und ihren Eingang bestätigt. Dem Beschwerdeführer habe die Lokalredaktion Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Diese sei umfangreicher ausgefallen als die Schilderung der Vorwürfe. Auch weitere Vorhaltungen des Beschwerdeführers seien nicht richtig. Die Zeitung habe korrekt berichtet, dass die gegen den Beschwerdeführer gerichtete Anzeige vom Innenministerium an das zuständige Landesverwaltungsamt weitergeleitet worden sei. Korrekt sei auch darüber berichtet worden, dass diese Behörde nunmehr die Vorwürfe prüfe. Der Chefredakteur schließt seine Stellungnahme mit dem Hinweis, dass nun auch die zuständige Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer ermittle.

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„Abgeordneter vertritt Privat-Interessen“

„Ober-Linker nervt Landtag mit seinem Privat-Problem“ titelt eine Boulevardzeitung gedruckt und online. Es geht um eine parlamentarische Anfrage in einem Landtag. Darin fragt ein Abgeordneter der Linkspartei, ob die Polizei in einer großen Stadt des Landes das verkehrsordnungswidrige Befahren einer Straße durch Nichtanlieger weiterhin dulden oder dagegen vorgehen werde. Im Artikel wird die komplette Wohnadresse des Abgeordneten genannt. Er wohnt in der Straße, von der in der Anfrage die Rede ist. Die Redaktion veröffentlicht ein Bild des Wohnhauses des Abgeordneten. Der Volksvertreter – so die Zeitung weiter – habe im vergangenen Jahr innerhalb von 235 Tagen 191 kleine Anfragen gestellt. Dies sei ein Rekord. Der Autor des Beitrages zitiert den Abgeordneten mit einer Äußerung gegenüber der Zeitung. Danach hätten sich Anwohner über die Zustände in der Straße beschwert. Es habe dort viele Unfälle und Beschädigungen gegeben. Drei Leser der Zeitung sind in diesem Fall Beschwerdeführer. Sie kritisieren vor allem die Nennung der genauen Wohnadresse und den Abdruck des Wohnhaus-Fotos. Dies verstoße gegen den Pressekodex. Auch Personen des öffentlichen Lebens – in diesem Fall ein Landtagsabgeordneter – müssen die Veröffentlichung ihrer Wohn-Adresse in Wort und Bild nicht hinnehmen. Die Zeitung habe die Privatsphäre des Mannes verletzt. Zwei der Beschwerdeführer merken an, dass es schon asylfeindliche Proteste und Drohungen vor den Privathäusern von Politikern gegeben habe. Die Rechtsabteilung der Zeitung stellt fest, die Nennung der Privatsphäre des Abgeordneten sei für das Verständnis des Vorgangs unerlässlich gewesen. Es sei eindeutig, dass der Landespolitiker im Landtag private Interessen verfolgt habe. Mit einer kleinen Anfrage habe er die Angelegenheit zum Thema in der Öffentlichkeit gemacht. Es liege ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit vor. Dahinter müssten die schutzwürdigen Interessen des Politikers zurücktreten. Der Öffentlichkeit sei die genaue Wohnadresse spätestens nach der Veröffentlichung im Amtsblatt bekannt. Unabhängig davon habe die Redaktion noch am Tag der Veröffentlichung das Bild des Wohnhauses aus dem Internet-Angebot entfernt. Der Pressesprecher des Abgeordneten hatte darum gebeten.

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Opfer ohne Verpixelung im Bild gezeigt

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Die Opfer des Tunesien-Killers“ über den Anschlag auf Urlauber im tunesischen Sousse. Der Attentäter habe es damals vor allem auf britische Touristen abgesehen. 38 Menschen seien bei dem Anschlag ums Leben gekommen. Dem Artikel sind die Fotos von zehn britischen Opfern des Anschlags beigestellt, von denen nur zwei überlebt hätten. Die Opfer werden mit vollem Namen genannt. Teilweise werden auch Details wie Herkunft und Beruf erwähnt. Über das einzige deutsche Opfer wird hingegen ohne Foto und Namensnennung berichtet. Es wird lediglich aus einer Regionalzeitung zitiert, dass der Bürgermeister einer Stadt den Tod eines von dort stammenden Mannes bestätigt habe. Nach Ansicht eines Lesers der Zeitung verletzt die Berichterstattung die Persönlichkeitsrechte der Opfer, die im Bild unverpixelt und im Text mit vollem Namen vorgestellt würden. Lehren aus der Germanwings-Berichterstattung seien nicht gezogen worden. Das scheine in der Redaktion vergessen worden zu sein. Es werde munter weitergemacht. Die Rechtsvertretung der Zeitung hält die Art der Berichterstattung für zulässig. Die Veröffentlichung halte sich innerhalb der Grenzen, die der Presserat für die Berichterstattung über Katastrophen, Unfälle und Straftaten setze. Das Ausmaß des Terroranschlags von Sousse gegen Touristen rechtfertige die Berichterstattung. Ganz überwiegend seien die Fotos von Opfer-Angehörigen selbst per Twitter öffentlich gemacht worden. Namen und Fotos seien im Internet problemlos für jedermann zugänglich. Im Übrigen konkretisiere die Personalisierung der Berichterstattung die Dimension des Ereignisses und ermögliche so ein Totengedenken.

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Redaktioneller Gastbeitrag

Eine Zeitschrift mit dem General-Thema Gesundheit veröffentlicht einen Bericht unter der Überschrift „Plädoyer für mehr Patientennähe“. Es geht um medizinische Ergebnismessung und die vom International Consortium for Health Outcomes Measurement (ICHOM), einem Non-Profit-Institut, entwickelte Methode. Autoren des Beitrags sind der Gründungspräsident von ICHOM und zwei Mitarbeiter einer beteiligten Consulting Group. Am Ende des Beitrags wird auf die entsprechenden Funktionen der Autoren hingewiesen. Ein Leser der Zeitschrift kritisiert, dass über drei Seiten des Artikels nicht zu erkennen sei, dass es sich um einen finanzierten Beitrag handele. Die Chefredakteurin spricht von einer redaktionellen Veröffentlichung. Für das Magazin sei es unverzichtbar, das Fachwissen von Experten in Anspruch zu nehmen. Man nutze sie als Gesprächspartner und gelegentlich bitte man den einen oder anderen, einen kompletten Beitrag zu schreiben. So auch im vorliegenden Fall. Eventuelle Interessenkonflikte seien für die Leser dadurch deutlich gemacht, dass man Autoren und ihre Funktionen benenne.

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Schutz der Opferinteressen überwiegt

„Ehedrama mit vielen offenen Fragen“ titelt eine Regionalzeitung online. Es geht um eine Familientragödie, bei der eine Frau ums Leben gekommen sei. Es sei unklar, ob der Ehemann seine Frau getötet und dann versucht habe, sich selbst umzubringen. Möglicherweise hätten aber auch beide gemeinsam aus dem Leben scheiden wollen. Der Mann sei mittlerweile außer Lebensgefahr. Er habe jedoch noch nicht vernommen werden können. Die Tochter der beiden und eine Tante hätten die tote Mutter und den schwer verletzten Vater in deren Wohnung aufgefunden. Der Oberstaatsanwalt – so berichtet die Zeitung – gehe davon aus, dass sich die Frau erhängt habe oder erdrosselt worden sei. Der Ehemann soll danach versucht haben, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Allerdings weise auch er am Hals Stranguliermerkmale auf. Die Redaktion nennt den Ort und den Namen der Straße, in der sich das Drama abgespielt habe. Sie erwähnt das Alter der Betroffenen. Schließlich nennt die Zeitung in einer früheren Version des Artikels den Namen der Tochter, die im Verbreitungsgebiet der Zeitung als Leichtathletin weithin bekannt sei. Zwei Leser der Zeitung wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. In einer anfänglichen Version des Artikels sei der volle Name der Tochter, einer bekannten Leichtathletin, genannt worden. Dies sei inzwischen korrigiert worden. Durch das Posten des Artikels auf Facebook habe die Berichterstattung mit dem identifizierenden Bestandteil jedoch bereits zahlreiche Leser erreicht. Der Chefredakteur der Zeitung berichtet, zunächst sei über einen kollektiven Suizid spekuliert worden. Dann aber habe sich schnell gezeigt, dass vermutlich der Ehemann den Suizid seiner Frau nur vorgetäuscht und sich selbst Verletzungen zugefügt habe, um von einem Tatverdacht gegen ihn abzulenken. Inzwischen werde an der Mordanklage gegen den in Haft befindlichen Mann gearbeitet. Wegen der außergewöhnlich schweren und in Art und Dimension außergewöhnlichen Tat habe sich die Redaktion anfangs entschlossen, die familiären Zusammenhänge darzustellen und den Namen der Tochter – einer bekannten Sportlerin - zu nennen. Wegen der daraus entstehenden heftigen Diskussion in der Öffentlichkeit habe sich die Redaktion jedoch dazu entschlossen, den familiären Zusammenhang aus dem Online-Artikel zu löschen.

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Jugendliche stellen ihr Verbrechen ins Netz

Ein Pärchen verprügelt einen älteren, hilflosen Mann. Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über den Vorfall unter der Überschrift „Immer wieder trat Vanessa zu“. Die jungen Leute traten und schlugen auf den Mann ein und filmten ihre Tat. Einer von ihnen stellte das Gewaltvideo ins Netz, wodurch die Tat ans Licht kam. Die Redaktion berichtet, das Video habe sich im Netz geradezu explosionsartig verbreitet. Die Polizei ermittle nun wegen gefährlicher Körperverletzung. Der Beitrag in der Zeitung ist mit Bildern aus dem Video illustriert. Ein Link führt zu dem Film. In einer früheren Version des Artikel steht abschließend der Hinweis: „Die Polizei warnt davor, das Video zu verbreiten.“ Ein Nutzer des Internet-Auftritts sieht in der Veröffentlichung einen Verstoß gegen Ziffer 11 des Pressekodex (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz). Die Rechtsabteilung der Zeitung weist die Vorwürfe zurück. Die vom Beschwerdeführer zitierte Warnung habe sich auf die weitere Verbreitung des Videos in den sozialen Netzwerken bezogen. Grundlage dafür sei gewesen, dass der misshandelte Rentner im Original-Facebook-Video unverpixelt zu sehen gewesen sei. Im Gegensatz dazu habe die Redaktion mit Blick auf den Opferschutz den Mann völlig unkenntlich gemacht.

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Asylbewerber betreiben Drogenhandel

Die Festnahme von fünf Drogendealern ist Thema eines Beitrages in der Bezirksausgabe einer Regionalzeitung. Es handele sich – so die Redaktion – um „mehrere Afrikaner“. Sie seien Asylbewerber. Die Drogenbande bestehe aus neun Männern, die aus Angola, Gambia und Nigeria stammten. Eine Leserin der Zeitung sieht in dem Beitrag einen Fall von Diskriminierung nach Ziffer 12 des Pressekodex. Die Nationalität der Drogendealer werde ohne nachvollziehbaren Grund genannt. Es sei auch überflüssig zu erwähnen, dass es sich bei den Festgenommenen um Asylbewerber handele. Der Leiter der Lokalredaktion ist da anderer Meinung. 1,4 Kilo Marihuana seien ein guter Grund für die Frage, wer damit Handel treibe. Mit der Erwähnung der Herkunft werde darauf hingewiesen und nicht verschwiegen, dass unter den Flüchtlingen auch Kriminelle sein könnten. Auch wenn die Wahrheit bitter sei, so gehöre zu ihr, dass die Zahl der straffällig gewordenen Asylbewerber in den letzten Jahren deutlich angestiegen sei. Dies bei natürlich auch deutlich zunehmenden Zahlen an Asylbewerbern. Laut Staatsanwaltschaft und Polizei handele es sich hier um einen großen Fall von Drogenhandel. Aufgabe der Zeitung sei es auch, Trends in Milieus aufzuzeigen, schreibt der Leiter der Lokalredaktion abschließend.

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Stimmungen rudimentär abgebildet

Ein schwuler Jungpolitiker wird am Rande des Christopher Street Day in einer Großstadt Opfer einer Prügelattacke. Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Schläger attackieren homosexuellen Politiker“. Der Leser hat am Ende der Veröffentlichung die Möglichkeit, diese mit den Begriffen „Lachen“, „Weinen“, „Wut“, „Staunen“ und „Wow“ zu bewerten. Der Beschwerdeführer, ein Mitglied des Bundestages, ist der Auffassung, mit der Bewertungsmöglichkeit „Lachen“ werde das Opfer in seiner Ehre verletzt. Der Chefredakteur der Zeitung weist darauf hin, dass das sogenannte „Mood Tagging“ bei seiner Zeitung zu den „Community“-Elementen gehöre. Die Nutzer könnten am Ende der Geschichte ihre „Mood“ (englisch für „Stimmung“) auswählen. Um dieses Element sinnhaft zu gestalten, müsse es die Bandbreite menschlicher Stimmung zumindest rudimentär abbilden. Dabei komme es immer wieder dazu, dass Nutzer auf gesellschaftlich und moralisch nicht akzeptable Stimmungen klickten, zum Beispiel auf „Lachen“ bei Gewalttaten wie in diesem Fall. Die Zeitung nehme Beschwerden von Einzelpersonen und aus sozialen Netzwerken sehr ernst. Bei Bedarf werde „das Tool“ aus der Geschichte „ausgebaut“ – so auch in diesem Fall, der in der Redaktion auf Abscheu und Entsetzen gestoßen sei. Man solle sich aber von den verirrten Äußerungen einzelner nicht dazu verleiten lassen, die technischen Möglichkeiten einzuschränken, da der positive Effekt der Community bei weitem überwiege. Abschließend betont der Chefredakteur, dass seine Zeitung sich seit Jahren eindeutig gegen Homophobie und für einen liberalen, zeitgemäßen und vor allem gleich berechtigten Umgang mit Homosexualität einsetze. Man teile die Empörung des Beschwerdeführers, glaube aber, dass solche Tools der digitalen Realität entsprächen und in ihrer Wahlmöglichkeit nicht beschränkt werden dürften. Dies wäre ein absurder Triumph einer Einzelmeinung über die grundsätzliche Möglichkeit, sich frei und vielfältig zu äußern.

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