Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
7053 Entscheidungen

Politische Werbung am Baggersee

Ein stellvertretender Kreisvorsitzender der FDP nimmt an einer Unterschriftensammlung für eine Satirepartei teil. Eine Regionalzeitung berichtet online über den Fall. Ihrer Darstellung zufolge habe der Politiker gemeinsam mit der Bundestagsdirektkandidatin der Satirepartei Werbung an einem Baggersee gemacht. Die FDP will ihren Funktionär deshalb am liebsten gleich aus der Partei hinauswerfen. Ein FDP-Kreisrat habe den Vorfall auf seiner privaten Facebook-Seite kritisiert. Dort werde – so die Zeitung weiter – die Frage aufgeworfen, welche Motive den FDP-Politiker angetrieben haben könnten. Die vage Antwort wird gleich mitgeliefert und von der Redaktion veröffentlicht: „Sind vielleicht seine ´freundschaftlichen Verbindungen´ zur (…) Frontfrau (der Satirepartei) mehr als das?“ Die Ehefrau des Betroffenen habe daraufhin eine Strafanzeige wegen Verleumdung angekündigt. Beschwerdeführer in diesem Fall ist der betroffene FDP-Politiker. Der Artikel enthalte eine unwahre Behauptung über eine Affäre zwischen ihm und der Kandidatin der Satirepartei. Der Autorin sei die Unwahrheit der Behauptung bekannt gewesen. Auch habe sie gewusst, dass ihre Verbreitung eine Straftat sei. Die Redaktion habe auch trotz mehrerer Gelegenheiten nicht nachgefragt. Der Beschwerdeführer befürchtet, dass durch die Verbreitung der Behauptung die wissenschaftliche Laufbahn seiner Frau, seine eigene politische Karriere sowie die der Kandidatin der Satire-Partei Schaden nehmen könnten. Die Rechtsabteilung der Zeitung weist die Vorwürfe zurück. Die Redaktion habe lediglich eine Äußerung des FDP-Kreisrates zitiert, die dieser auf seiner öffentlich zugänglichen Facebook-Seite niedergeschrieben habe. Eine Ehrverletzung des Betroffenen oder seiner Ehefrau liege ebenfalls nicht vor. Auch hier beruft sich die Zeitung auf den Inhalt der Facebook-Seite. Die Autorin des kritisierten Beitrages habe geschrieben, dass es sich bei der Äußerung des FDP-Kreisrates um eine bloße Mutmaßung handele. Die Rechtsabteilung schließt ihre Stellungnahme mit dem Hinweis, dass der Beschwerdeführer die Redakteurin wegen Verleumdung und übler Nachrede angezeigt habe. Die Staatsanwaltschaft habe die strafrechtliche Verfolgung jedoch eingestellt.

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Tragisches Geschehen am Neptunbrunnen

„Neptunbrunnen: Warum lief Manuel F. Amok?“ titelt eine Berliner Zeitung in ihrer Online-Ausgabe. Es geht um einen Mann, der sich bei einer spektakulären Aktion am Berliner Alexanderplatz mit einem Messer selbst verletzt hatte und der bei dem darauf folgenden Polizeieinsatz getötet worden war. Die Zeitung berichtet, dass der Mann an Schizophrenie gelitten habe. Das habe sie aus Ermittlerkreisen erfahren. Manuel F. habe bis zu dem tragischen Ereignis ein „braves und geordnetes“ Leben geführt. Zur Behandlung der Schizophrenie habe er regelmäßig Medikamente eingenommen. Der Autor wirft die Frage auf, ob er an diesem Tag möglicherweise seine Medikamente nicht eingenommen habe. Der Artikel enthält detaillierte Angaben zur Person. Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnort und Straße werden genannt. Weitere Einzelheiten, die mit dem Beitrag öffentlich gemacht werden: Schullaufbahn, Zivildienst, Studium und Berufstätigkeit. In der Detailübersicht nennt die Zeitung auch das letzte Gehalt des Mannes. Der Bericht enthält schließlich den Vornamen, den abgekürzten Nachnamen und ein Bild des Mannes, wobei die Augenpartie verpixelt ist. Nach Ansicht eines Lesers der Zeitung verletzt der Artikel presseethische Grundsätze. Die Zeitung berichte reißerisch über eine psychisch kranke und schutzbedürftige Person. Durch die detaillierten Angaben ist der Mann zumindest innerhalb seiner nächsten Umgebung identifizierbar. Der Hinweis, er habe möglicherweise an diesem Tag seine Medikamente nicht eingenommen, erwecke beim unkundigen Leser den Eindruck, dass alle Schizophrenie-Kranken gefährlich seien, wenn sie einmal ihre Medikamente nicht einnähmen. Damit wird suggeriert, dass der Betroffene an seinem Schicksal gewissermaßen selbst schuld sei. Zusätzliches Leid der Angehörigen des Verstorbenen und eine Verletzung seiner Würde hätte die Zeitung billigend in Kauf genommen, um Auflage und Profit zu steigern. Der Geschäftsführende Redakteur der Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet. Der Autor berichte sachlich und nicht wertend über den Lebenslauf des Mannes. Dadurch soll der Leser einen Eindruck von seiner Lebensführung bekommen. Es bestehe ein besonderes Interesse an dem Geschehen, weil es sich in aller Öffentlichkeit abgespielt habe. Die Zeitung weist auch weitere Vorwürfe, gegen Ziffern des Pressekodex verstoßen zu haben, als unbegründet zurück.

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Israel mit Zeichnung als Monster dargestellt

Zwei israelkritische Sachbücher sind Gegenstand einer Rezension in einer überregionalen Tageszeitung. Die Autoren setzen sich mit dem demokratischen Charakter des Staates Israel auseinander. Zum Beitrag gehört eine Zeichnung, die ein im Bett sitzendes Tier bzw. Monster mit Hörnern zeigt, welches mit Messer und Gabel in der Hand darauf wartet, von einer Frau bedient zu werden. Diese trägt ein Tablett mit Essen. Die Bildunterschrift lautet: „Deutschland serviert. Seit Jahrzehnten wird Israel, teils umsonst, mit Waffen versorgt. Israels Feinde halten das Land für einen gefräßigen Moloch.“ Von dem Autor eines der Bücher wird behauptet, dass er beklage, dass es so weit gekommen sei. Vier Verbände und zwei einzelne Leser beschweren sich über die Veröffentlichung. Die Zeichnung stelle Israel als gefräßiges Monster dar. Mit dem Bild werde das Land ausschließlich negativ gezeigt. Die Karikatur bediene die stereotype Darstellung der antisemitischen Ritualmordlegende. Der Begriff „Moloch“ werde in der Bibel im Zusammenhang mit Kindstötungen verwandt. Es gehöre zu einem alten antijudaistischen Vorwurf, dass Juden christliche Kinder ermorden würden, um deren Blut für die Zubereitung von Matzen am Pessachfest zu gewinnen. Die Gegenüberstellung des Dienstmädchens (Deutschland) mit dem Monster (Israel) bediene sich nach der „Working Definition on Antisemitism“ der „European Union Agency for Fundamental Rights (FRA)“ antisemitischer Stereotypen. Darüber hinaus knüpfe die Darstellung Israels als raffgieriges Monster an die antisemitische Verschwörungstheorie der jüdischen Allmacht an. Der Eindruck werde erweckt, als ob Israel Deutschland ausbeuten würde. Damit finde eine perfide Täter-Opfer Umkehr statt. Die Rechtsvertretung der Zeitung teilt mit, dass die Karikatur bereits Gegenstand einer Vielzahl von Reaktionen der Leserschaft sowohl im Print- wie auch im Online-Bereich gewesen sei. Der Chefredakteur habe sich in einem umfangreichen Schreiben an die Leserschaft gewandt und sich für das entstandene Missverständnis durch die Interpretation der Illustration entschuldigt. Er habe betont, dass die Verwendung der Illustration der missglückte Versuch gewesen sei, mit den Mitteln der Karikatur darzustellen, wie der Staat Israel von seinen Feinden gezeichnet werde. Die Redaktion habe ein Klischee verwendet, um Klischees anzuprangern. Dies habe nicht funktioniert, auch wenn in der Bildunterzeile eine Erklärung versucht worden sei. Der Chefredakteur bringt in seinem Schreiben sein Bedauern über den Fehler zum Ausdruck. Er versichert, dass man darauf achten werde, dass sich ein solcher Fehler nicht wiederholt. Die Rechtsabteilung berichtet, dass die Leser die Entschuldigung der Redaktion wahrgenommen und größtenteils sehr positiv aufgenommen hätten. Es sei nicht mehr erforderlich, eine Maßnahme auszusprechen. Durch die öffentliche Entschuldigung habe die Zeitung bereits anderweitig „gesühnt“.

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Plötzlich waren 40.000 Euro weg

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht sechs Beiträge über einen „Tantra-Skandal“ in einer süddeutschen Kleinstadt. Hauptpersonen sind ein Zahnarzt-Ehepaar und die Inhaberin des Tantra-Studios. Die Auseinandersetzung endet vor Gericht. Die Berichtsserie beginnt mit einem Beitrag unter der Überschrift „Sie lässt Lieblingsbordell ihres Mannes schließen“. Der Autor berichtet über einen Zahnarzt, der sich im „Tantra-Studio Angelina“ habe behandeln lassen, das in Wirklichkeit ein illegaler Puff sei. Die Zahnarztfrau habe ihren Mann selbst dorthin geschickt, damit er nach einer Lungen-OP durch eine spezielle Tantra-Massage wieder fit werde. Nach zwei Monaten seien 40.000 Euro weg gewesen, berichtet die Zeitung. Die Ehefrau habe Privatdetektive engagiert, die das Etablissement „Angelina“, Betreiberin Doro W., als illegalen Puff aufgedeckt hätten. Sie habe daraufhin die Studio-Besitzerin angezeigt. Die Stadtverwaltung habe das Studio schließen lassen. Der Beitrag enthält Fotos der Studiobetreiberin und der Zahnarztehefrau. In einem weiteren Beitrag unter der Überschrift „Mein Mann dachte, der Puff sei sein Zuhause“ geht es um eine Liebesbeziehung zwischen dem Zahnarzt und der Studiochefin. Dann berichtet die Zeitung über die Versuche des Doktors, seine Ehe zu retten. Ein weiterer Artikel informiert über den bevorstehenden Prozess gegen die Studio-Inhaberin unter der Überschrift „Tantra-Puff macht weiter – trotz Verbot“. Der nächste Bericht: Darin wird über den Prozess berichtet, an dessen Ende die Frau wegen verbotener Prostitution zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt worden sei. Der letzte Bericht ist überschrieben mit „Tantra-Hure will wieder Hand anlegen“. Die Zeitung berichtet im Nachgang zum Prozess über den Umzug der Tantra-Masseurin. Die Ehefrau des Zahnarztes wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie sieht sich und ihren Mann in ihrer Ehre verletzt. Die Veröffentlichungen hätten dazu geführt, dass kaum noch ein Patient in die Zahnarztpraxis komme. Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, dass die Berichterstattung nicht nur mit Zustimmung, sondern sogar auf Initiative der Beschwerdeführerin zustande gekommen sei. Sie habe der Redaktion die Geschichte detailliert erzählt und sich für die Berichterstattung fotografieren lassen. Es liege auf der Hand, dass sie sich im Nachhinein nicht beschweren könne. Die Beschwerde – so die Zeitung abschließend - sei überdies nicht aus presseethischen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen in die Wege geleitet worden.

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Exklusiv-Interview war nicht exklusiv

Eine Lifestyle-Zeitschrift kündigt einen Beitrag über Heidi Klum auf der Titelseite so an: „Exklusiv-Interview Heidi Klum – ist sie wirklich wieder schwanger? Der große Liebesbeweis ihres Freundes und warum Heidi deshalb ihr Leben umkrempelt.“ Die Veröffentlichung im Innenteil ist überschrieben mit: „Exklusiv – ist sie wirklich wieder schwanger?“ Im Text wird mitgeteilt, dass Heidi Klum der Zeitschrift exklusiv auf die Frage nach einem Ring verraten habe, dass dieser ein Geschenk von ihrem Freund sei. Im Hinblick auf eine Schwangerschaft heißt es im Beitrag, dass kaum noch jemand im Umfeld des Models ausschließe, dass Heidi ihrem neuen Freund seinen größten Wunsch, mit ihr ein Baby zu haben, erfüllen werde. Die Zeitschrift schreibt weiter, dass Heidi Klum in ihren letzten Beziehungen immer sehr schnell schwanger geworden sei. Außerdem sei sie in letzter Zeit deutlich ruhiger geworden. Statt pausenlos von einem Projekt zum nächsten zu hetzen, stehe die Familie für sie noch mehr im Vordergrund. Heidi Klums Rechtsvertretung sieht unwahrhaftige und falsche Darstellungen in der Berichterstattung. Es habe kein Exklusivinterview gegeben. Heidi Klum habe lediglich im Rahmen einer PR-Aktion öffentlich auf die Frage nach einem Ring an ihrem Finger geantwortet. Zu einer Schwangerschaft, einem Liebesbeweis und einem Umkrempeln ihres Lebens habe sie sich überhaupt nicht geäußert. Die Rechtsvertretung der Zeitschrift widerspricht. Es habe sehr wohl ein Exklusivinterview am Rande einer Veranstaltung in Los Angeles gegeben. Dabei sei Heidi Klum von Journalisten befragt worden und habe Auskünfte erteilt. Die Redaktion habe sich dabei auf konkrete Äußerungen gestützt. Die Frage nach dem Ring sei von einem Redakteur der Zeitschrift gestellt worden. Daher könne von einem „Interview“ gesprochen werden. Den Zusatz „Exklusiv“ bewertet die Zeitschrift in diesem Zusammenhang als zulässig. Im Übrigen sei die Passage über eine denkbare Schwangerschaft mit einem Fragezeichen versehen worden. Abschließend weist die Rechtsvertretung darauf hin, dass die Parteien sich wegen der Veröffentlichung bereits außergerichtlich und abschließend geeinigt hätten.

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Details machen Opfer identifizierbar

Ein Mann steigt in den Neptunbrunnen am Berliner Alexanderplatz und verletzt sich selbst mit einem Messer. Beim anschließenden Polizeieinsatz wird er getötet. Die Online-Ausgabe einer örtlichen Zeitung berichtet über den Vorfall. Der Autor berichtet, er habe die Möglichkeit bekommen, einen Blick in das Apartment des Opfers zu werfen. Zustand und Inventar der Wohnung werden detailliert beschrieben. Der Mann habe das Kaufmannsdiplom erworben und später Hartz IV bezogen. Vorher sei er trotz unbefristeter Anstellung bei einem Steuerberater entlassen worden. Der Autor erwähnt auch Kinderfotos und einen Liebesbrief, den das Opfer unter seinem Bett aufbewahrt habe. Zum Artikel gestellt ist eine Fotostrecke. Diese enthält Aufnahmen des Wohnhauses, der Wohnung mit herumliegendem Müll sowie des Tatortes. Auf einem Porträtfoto des Opfers ist die Augenpartie verfremdet. Nach Auffassung eines Lesers der Zeitung missachtet der Autor des Artikels die Gebote der Achtung der Menschenwürde und des Schutzes der Persönlichkeit eines mutmaßlich kranken Menschen aus voyeuristischen Gründen. Ein journalistischer Nachrichtenwert, der der Meinungsbildung diene, sei nicht erkennbar. Der geschäftsführende Redakteur der Zeitung spricht in seiner Stellungnahme von einer sachlichen und wertfreien Berichterstattung über das Leben des Getöteten. Dadurch solle der Leser einen Eindruck von seiner Lebensführung bekommen. Daran bestehe ein öffentliches Interesse, zumal sich der dramatische Vorfall in der Öffentlichkeit zugetragen habe. Bei der Berichterstattung über Straftaten gehe Richtlinie 8.1 von einer Gleichrangigkeit zwischen dem Informationsinteresse auf der einen und dem Persönlichkeitsrecht des Täters auf der anderen Seite aus. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich der Zwischenfall auf einem sehr belebten Platz im Zentrum der Hauptstadt abgespielt habe. Außerdem habe der Mann Polizisten mit einem großen Messer bedroht. Dies sei unstrittig eine schwere Straftat. Das öffentliche Interesse an der Berichterstattung sei somit noch gesteigert worden. Die Frage sei gewesen, was für eine Person hinter einem derartigen Verhalten stehe. Es sei keine Persönlichkeitsrechtsverletzung, wenn dem öffentlichen Interesse entsprochen und über das Leben des Opfers geschrieben werde.

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Chefredakteur ärgert sich über Leserbrief

In einer Regionalzeitung erscheint ein Leserbrief, in dem der Einsender die Haltung der Oberbürgermeisterin zum geplanten Baustart einer Brücke kritisiert. Wörtliche Passage: „Bei Frau (…) ist der Krebs wahrscheinlich schon im Kopf angekommen. Anders kann man so ein arrogantes und dummes Verhalten nicht erklären.“ Ein Leser der Zeit beklagt, dass die Oberbürgermeisterin in primitivster Weise diffamiert worden sei. Hintergrund sei, dass die Kommunalpolitikerin eine schwere Krebserkrankung gut überstanden habe und wieder im Amt sei. Durch die Veröffentlichung des Briefes distanziere sich die Redaktion nicht von seinem Inhalt. Sie begebe sich damit auf das Niveau des Einsenders. Er habe sich sehr über diesen Leserbrief geärgert, teilt der Chefredakteur der Zeitung in seiner Stellungnahme mit. Normalerweise würden Leserbriefe redigiert, so dass Äußerungen wie in diesem Fall gestrichen würden. Das sei auch hier so gewesen. Leider sei die Textpassage dann aufgrund eines Versehen doch erschienen. Für die Veröffentlichung habe er sich bei der Oberbürgermeisterin noch am gleichen Tag und bei den Lesern in der nächsten Ausgabe entschuldigt. Überdies habe er den Vorgang zum Anlass genommen, in der Redaktionskonferenz auf einen korrekten, den Regeln des Presserats entsprechenden Umfang mit Leserbriefen zu verweisen.

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Kürze, Pointierung und Zuspitzung

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht unter der Überschrift „Böser Bushido“ eine Kolumne. Darin beschäftigt sich der Autor mit dem Rapper Bushido und dessen neuem Song. In diesem Zusammenhang bezeichnet er den Entertainer als „Idiot“, „Arschloch“, „Arsch“ und „dumme Wurst“. Die Kolumne sei beleidigend, meint ein Leser der Zeitung. Die Rechtsvertretung des Blattes weist darauf hin, dass die Texte des Autors durch ihre teilweise saloppen, meinungsintensiven Formulierungen sowie durch ihre Kürze, Pointierung und Zuspitzung immer wieder Anlass zu Diskussionen gäben. Dieser Effekt sei ausdrücklich erwünscht, da der gesellschaftliche Diskurs fundamentaler Bestandteil der freiheitlich demokratischen Grundordnung sei. Der Presserat habe in einem früheren Fall festgehalten, dass für Meinungsbeiträge erfahrungsgemäß andere Maßstäbe anzulegen seien als für Tatsachenäußerungen. Man müsse die Ansichten des Kolumnisten nicht teilen. Sie seien aber vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Nichts anderes könne auch im konkreten Fall gelten, argumentiert die Rechtsvertretung. Der Autor greife die sprachlichen Entgleisungen von Bushido auf und entgegne ihm auf eine Weise, die in etwa dessen Niveau entspreche. Dabei bediene er sich genau der drastischen Sprache, die der Rapper zu benutzen pflege. Der Kolumnist bringe damit die Verfehlungen Bushidos in überspitzter Form auf den Punkt.

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„Werbung in redaktioneller Aufmachung“

Die Sonderausgabe einer Wirtschaftszeitung befasst sich mit dem Thema „Wie gerecht ist Deutschland?“ Die Titelseite enthält den Hinweis „In Kooperation mit Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“. Im Inhaltsverzeichnis sind zehn Beiträge, die sich jeweils mit Studien der Initiative beschäftigen, mit einem Stern gekennzeichnet. Unter dem Inhaltsverzeichnis wird erläutert, dass das Heft in Zusammenarbeit mit der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) entstanden sei. Auch hier der Hinweis auf Beiträge, die mit einem Stern gekennzeichnet sind, wenn sie sich auf Studien gründen, die im Auftrag der Initiative entstanden sind. Auch am Ende der betreffenden Beiträge findet sich dieser Hinweis. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass das Heft den Grundsatz der klaren Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten verletze. Er hält das Heft für Werbung in redaktioneller Aufmachung. Vor allem die Beiträge über die von der INSM in Auftrag gegebenen Studien stellen nach Ansicht des Beschwerdeführers mehr Werbung als Redaktion dar. Sie seien nahezu eins zu eins von den Studien abgeschrieben. Er weist auch darauf hin, dass das Heft kostenlos von der Website der INSM heruntergeladen werden könne. Er selbst habe am Kiosk 7,50 Euro bezahlt. Die Rechtsvertretung der Zeitung widerspricht dem Beschwerdeführer. Das Sonderheft enthalte nichts anderes als redaktionelle Berichterstattung. Die Inhalte seien von der Redaktion erstellt und ausgesucht worden. Soweit Studien verwendet worden seien, die von unabhängigen Dritten im Auftrag des Kooperationspartners INSM erstellt worden seien, werde darauf mehrmals im Heft hingewiesen. Dem Leser werde hinreichend deutlich gemacht, in welchen Fällen die Redaktion Artikel unter Verwendung von Studien veröffentlicht habe, die von der INSM in Auftrag gegeben worden seien. Die Redaktion habe die Studien eigenständig aufbereitet und überarbeitet und im Rahmen der redaktionellen Unabhängigkeit entschieden, welche Inhalte veröffentlicht würden. Eine Bezahlung für die Veröffentlichung der Studien habe es nicht gegeben.

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Video-Sequenzen von einem Zugunglück

In der Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung erscheint das Video einer Nachrichtenagentur von einem Zugunglück in Spanien vom gleichen Tag. Die veröffentlichten Ausschnitte zeigen mit Tüchern bedeckte Leichen. In einer Sequenz ist das Gesicht eines mutmaßlich Toten aus der Entfernung zu sehen. Die Gesichtszüge sind undeutlich erkennbar. Eine andere Szene zeigt, wie eine Frau mit dem Kopf voran und auf dem Rücken liegend aus dem zertrümmerten Zug geborgen wird. Sie liegt auf einer Trage. Den linken Arm scheint sie noch zu bewegen, der rechte hängt schlaff herunter. Zu Beginn des Films und am Ende sind sekundenlange Aufnahmen der mit Tüchern bedeckten Toten zu sehen, die um die Unglückstelle herumliegen. Zum Teil sind die nackten Beine der Opfer zu sehen. Der Beschwerdeführer – ein Nutzer des Online-Portals – sieht presseethische Grundsätze verletzt. Das Video zeige Leichen, deren Gesichter eindeutig erkennbar seien. Er bezeichnet den Film als unangebracht, unethisch und geschmacklos. Er sei für Kinder ungeeignet. Resümee des Beschwerdeführers: Sensationshascherei. Die Rechtsvertretung der Zeitung sieht keinen Grund für eine Beschwerde. Die Identität der Opfer des Zugunglücks werde in dem Video nicht preisgegeben. Soweit Personen erkennbar seien, handele es sich um Helfer oder Journalisten. Sofern Verunglückte erkennbar seien, handele sich nicht um Leichen, sondern um Verletzte. Um die Tragweite des Unglücks nachvollziehen zu können, sei die damals tagesaktuelle Darstellung der Rettungs- und Bergungsvorgänge erforderlich gewesen. Den Vorwurf der Sensationshascherei weist die Zeitung entschieden zurück. Sie verkenne nicht, dass die Darstellung möglicherweise als zu realistisch und zu drastisch empfunden werden könnte. Das Video sei wenige Stunden nach der Veröffentlichung entfernt worden und durch das Video einer anderen Nachrichtenagentur ersetzt worden.

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