Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.
7053 Entscheidungen
In einer Großstadt kommt es zu einer tätlichen Auseinandersetzung, bei der ein Mann schwer verletzt wurde. Die örtliche Zeitung titelt: „Beil-Attacke auf Kiosk-Mitarbeiter“. Vorname, abgekürzter Nachname und Alter des Opfers werden genannt. Es habe die italienische Staatsangehörigkeit. Ein Foto wird abgedruckt, das das Opfer bäuchlings auf einer Trage liegend zeigt. Eine blutende Wunde ist zu erkennen. Das Gesicht ist halb verdeckt. Der Verletzte trägt eine Sauerstoffmaske und wird gerade abtransportiert. Eine Leserin der Zeitung sieht einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte), weil die genannten Einzelheiten eine Identifizierung des Opfers zuließen. Sie beklagt, dass der Respekt vor den Opfern immer häufiger zu wünschen übrig lasse. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält der Beschwerdeführerin das Argument entgegen, dass die Identität des Opfers nicht preisgegeben worden sei. Mit dem Foto sei auch keine Seite des Blattes aufgemacht worden, so dass es auch keine Blickfangfunktion habe. Im Vordergrund der Berichterstattung stehe die Information der Öffentlichkeit über einen besonders brutalen Überfall, über den die Presse berichten müsse, da die zunehmende Brutalität im Zusammenhang mit Straftaten in der Stadt ein berichtenswerter Anlass sei. (2009)
Weiterlesen
Die Online-Ausgabe einer großen Regionalzeitung berichtet über einen Aufklärungserfolg der Polizei, die gegen 21 Verdächtige wegen einer Einbruchsserie ermittelt. Die Redaktion nennt die Einbruchsorte. Im Beitrag geht es auch um die mutmaßlichen Täter, zum Großteil strafunmündige Kinder und Jugendliche. Sie spricht von einem deutschen Jugendlichen als Haupttäter. Wörtlich heißt es: „Ansonsten fällt auf, dass sich unter den übrigen Tatverdächtigen (…) nur vier deutsche Staatsangehörige befinden. Bei den restlichen Tatverdächtigen handelt es sich um Personen mit türkischer bzw. libanesischer Nationalität“. Ein Leser der Zeitung sieht einen Verstoß gegen die Richtlinie 12.1, da durch die Erwähnung der Staatsangehörigkeit der mutmaßlichen Täter Stimmung gegen Minderheiten gemacht und Vorurteile geschürt würden. Die Rechtsvertretung der Zeitung stellt sich auf den Standpunkt, die Nennung der drei Nationalitäten stelle im Zusammenhang mit den polizeilichen Ermittlungen keine Diskriminierung dar. Es diene dem öffentlichen Informationsinteresse, wenn Besonderheiten des Sachverhalts mitgeteilt würden. Das öffentliche Interesse sei vor allem dadurch begründet, dass gegen 21 Tatverdächtige ermittelt werde, denen 33 Straftaten vorgeworfen würden. Die serienmäßigen Straftaten würden – eine weitere Besonderheit – überwiegend von strafunmündigen Kindern und Jugendlichen ausgeführt. Bemerkenswert sei es auch, dass die mutmaßlichen Täter unterschiedlicher Herkunft seien. All diese Umstände des Ermittlungsverfahrens stellten Besonderheiten dar, die von der Zeitung mitgeteilt worden seien. Dass dadurch Stimmung gegen Minderheiten gemacht werde, sei nicht nachvollziehbar. (2009)
Weiterlesen
Unter der Überschrift „Kenianer droht junge Ehefrau umzubringen“ berichtet eine Regionalzeitung über einen 32-Jährigen, der seine von ihm seit kurzem getrennt lebende 23-jährige Ehefrau mit dem Tod bedroht habe, falls sie ihn endgültig verlasse. Bei Eintreffen der Polizei habe der Mann massiven Widerstand geleistet, sich äußerst aggressiv verhalten und um sich geschlagen. Schließlich sei er gefesselt und vorläufig in Polizeigewahrsam gebracht worden. Ein Leser der Zeitung sieht einen Verstoß gegen mehrere Ziffern des Pressekodex. Der Artikel sei tendenziös, rassistisch und gebe nicht den tatsächlichen Verlauf des Geschehens wieder. Dem „Kenianer“, der seit mehr als 15 Jahren in Deutschland lebe, sei keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Neben der Stigmatisierung eines Einzelnen diskriminiere der Autor eine ethnische Gruppe. Da nur die Sicht der Frau wiedergegeben werde, erfolge auch eine öffentliche Vorverurteilung. Die Zeitung habe eine Polizeimeldung übernommen und geringfügig redigiert. Die Rechtsvertretung des Blattes bestätigt, dass der Bericht auf eine Pressemitteilung des zuständigen Polizeipräsidiums zurückgehe. Die Nennung der Nationalität des Festgenommenen diene dem besseren Verständnis des Vorfalls. Dies sei nötig, um dem öffentlichen Informationsinteresse gerecht zu werden. Die bloße Nennung der Nationalität eines Beteiligten sei keine Diskriminierung. Da die Daten der Beteiligten in der Pressemitteilung wie üblich nicht mitgeteilt worden seien, habe die Redaktion diese auch nicht um eine Stellungnahme bitten können. Die Rechtsvertretung geht davon aus, dass Beamte grundsätzlich bei Aufnahme einer Anzeige alle Beteiligten anhörten. Schließlich enthalte der Artikel keine Vorverurteilung, weil über die mutmaßlichen Täter nicht identifizierend berichtet worden sei. (2009)
Weiterlesen
Unter der Überschrift „Always look on the bright side of life“ berichtet eine überregionale Tagszeitung über die Krise beim FC Bayern München. Der Überschrift beigestellt ist eine Fotomontage, die einen am Kreuz hängenden Menschen mit den Gesichtszügen des damaligen Trainers Jürgen Klinsmann zeigt. In der Unterzeile heißt es: „Von Deutschlands Superstar zu Bayerns Buhmann: Sonnyboy Jürgen Klinsmann versiebt ein Spiel nach dem anderen. Warum dem gefallenen Heiland jetzt die Kreuzigung droht…“. „Gleichermaßen geschmacklos wie rücksichtslos“ – so sieht ein Leser der Zeitung diesen Beitrag. Mit Abscheu und Verärgerung habe er diese Darstellung zur Kenntnis genommen. Er sieht Stilgrenzen überschritten und die Pressefreiheit missbraucht. Die Fotomontage sei unvereinbar mit den Grundsätzen seriöser Berichterstattung und verletze religiöse Gefühle. Die Darstellung verstoße gegen Ziffer 10 des Pressekodex, wonach die Presse darauf verzichte, religiöse, weltanschauliche und sittliche Überzeugungen zu schmähen. Die Chefredaktion verweist auf einen Antrag auf einstweilige Verfügung, den Jürgen Klinsmann beim Landgericht München gestellt habe. Das Gericht habe den Antrag abgelehnt; die ausführliche Begründung liege dem Deutschen Presserat vor. Gegen die Ablehnung habe Klinsmann wiederum Beschwerde eingelegt, so dass der Fall nunmehr beim Oberlandesgericht München liege. Die Chefredaktion erläutert die Fotomontage. Die Schlagzeile „Always look on the bright side……“ entstamme einem bekannten Film, in dem es unter anderem um eine Kreuzigung gehe. Die Frage, ob Jürgen Klinsmann Trainer in München bleiben werde, sei ausgerechnet am Osterwochenende aktuell geworden. Deshalb sei eine Darstellung als Gekreuzigter nahe gelegen. Der Redaktion sei es darum gegangen, darzustellen, wie Klinsmann zum Heilsbringer Deutschlands und des FC Bayern hochgejubelt und dann zum Alleinschuldigen an der Misere des Vereins abgestempelt worden sei. Das Titelbild solle die Stimmung rund um den Fußballverein nach einer verheerenden 0:4-Niederlage in Barcelona wiedergeben. (2009)
Weiterlesen
Eine Lokalzeitung berichtet mehrmals über Aktivitäten der CDU-Kreistagsfraktion. Diese hatte vorgeschlagen, die Atom-Transport-Gegner im Landkreis sollten der Landesregierung vor dem nächsten Castor-Transport anbieten, auf Proteste zu verzichten. Das dadurch eingesparte Geld für Polizeieinsätze solle in den Landkreis fließen und für Bildung verwendet werden. Pro Transport könnten rund 20 Millionen Euro eingespart werden. Unter der Überschrift „Politische Zockerei“ veröffentlicht das Blatt einen Kommentar, in dem die Autorin den Vorschlag der CDU als „unmoralisches“ Angebot“ und undemokratisch bezeichnet. Sie spricht von der „Verhökerung von Grundrechten“ In der CDU-Kreistagsfraktion säßen „politische Zocker“, die sich an einer „politischen Erpressung“ beteiligten. Das Thema kocht immer mehr hoch, was in mehreren Beiträgen zum Ausdruck kommt. Gegenstand der Beschwerde der CDU-Fraktion ist vor allem ein Leserbrief mit dem Titel „Ungebildet und unchristlich“. Darin bezeichnet der Einsender die Mitglieder der Fraktion als Menschen, die „nicht einmal einen Volksschulbildungsstand erreicht“ hätten. Eine Landtagsabgeordnete wird in dem Leserbrief als „Landtagsgrinserin“ bezeichnet, „die auch weitaus geringere Kenntnisse als ein Schüler mit Volksschulabschluss über den Salzstock Gorleben“ habe. Die CDU solle sich doch einen neuen Namen geben, nämlich „FUUU (Feige, Ungebildete, Unchristliche Union)“. Der Beschwerdeführer, der sich für die Fraktion äußert, hält den Vorwurf der politischen Erpressung und des Verhökerns von Grundrechten, insbesondere das der Versammlungsfreiheit, für beleidigend. Das treffe für den Leserbrief ebenfalls zu. Er spricht von übler Nachrede und um die Verleumdung von Personen des öffentlichen Lebens. Ehre und Würde der Betroffenen seien verletzt worden. Informationen seien nicht nur unangemessen, sondern auch entstellt dargestellt worden. Die CDU des Kreises werde im politischen Wettbewerb erheblich benachteiligt. Im Vorverfahren wurde entschieden, dass sich der Presserat ausschließlich mit dem Leserbrief „Ungebildet und unchristlich“ befassen wird. Die übrigen in der Zeitung erschienenen Beiträge waren presseethisch nicht zu beanstanden, so dass die Beschwerde, was diesen Teil der Berichterstattung angeht, unbegründet war. Die Redaktionsleitung beschränkt sich bei ihrer Reaktion auf den kritisierten Leserbrief. Sie bedauert, dass sich der Beschwerdeführer und die Mitglieder seiner Fraktion in Ehre und Würde verletzt fühlten, doch habe der Verfasser des Leserbriefes nach ihrer Auffassung die Grenze zur Beleidigung nicht überschritten, auch wenn er seine Kritik hart und polemisch formuliert habe. Das Recht auf freie Meinungsäußerung sei höherwertig einzustufen als die dadurch möglicherweise berührten Persönlichkeitsrechte der angegriffenen Mandatsträger. (2008)
Weiterlesen
Die Stadt sei ohne Zoo gar nicht denkbar, schreibt die örtliche Zeitung zum siebzigjährigen Bestehen der Tierparks. Der Beitrag ist mit mehreren Fotos illustriert. Auf einem sind zwei Schimpansen zu sehen, die auf einem Baum sitzen. Bildtext: „Die Plätze mit dem besten Überblick über das Festgeschehen am Wochenende im Tiergarten hatten sich die Schimpansen gesichert (…)“. Beschwerdeführer ist der örtliche Tierschutzverein, der während der Jubiläumsfeier eine genehmigte Demonstration vor dem Zoo veranstaltet hatte. Diese habe bei der Tiergartenleitung für Aufregung gesorgt. Die Presse habe die Kritik totgeschwiegen. Bei dem Schimpansen-Foto handele es sich um ein Bild aus vergangenen Jahren. Die Redaktion habe die Kritik der Tierschützer an der Schimpansenanlage mit einem falschen und positiv erscheinenden Bild ad absurdum führen wollen. Nach Ansicht des Tierschutzvereins werde der Tiergarten nicht nur in diesem speziellen Fall, sondern generell kritiklos dargestellt. Die Verleger seien im Verein der Freunde der Stadt organisiert. Zu den Attraktionen der Stadt gehöre der Zoo. Kritik an ihm sei nicht erwünscht. Die Redaktionsleiterin teilt mit, das angeblich alte Schimpansenfoto sei der Redaktion vom Tierpark zugesandt worden. Es stamme nicht – wie vom Beschwerdeführer vermutet – aus dem Jahr 1996, sondern maximal von 2006. Die Redaktion habe sich beim Zoo-Direktor vergewissert, dass die beiden Tiere am Jubiläumstag tatsächlich zu sehen gewesen seien. Es sei nicht mehr nachzuvollziehen, warum die Redaktion am Tag der Feier kein Foto gemacht habe. Die vehemente Agitation des örtlichen Tierschutzvereins habe es nahe gelegt, die beiden Affen in ihrem Freigelände zu zeigen. Es sei nicht wahr, dass es die Redaktion versäumt habe, auch Kritik an der Schimpansenhaltung zu veröffentlichen. Im Übrigen habe die Redaktion keine Flut von Leserbriefen zum Thema erhalten. Der Tierschutzverein habe auch nie das Gespräch mit der Redaktion gesucht. Seine Meinung, die Bevölkerung der Stadt sehe den Zoo kritisch, sei nicht nachzuvollziehen. Das Hauptproblem zwischen Beschwerdeführer und Redaktion sei es, dass die Tierschützer generell gegen Zoos eingestellt seien. Diese Haltung mache sich die Redaktion nicht zu eigen, was man ihr auch nicht vorwerfen könne. Allein an einem Wochenende seien mehr als 14.000 Menschen in den Zoo gekommen. Die Redaktion habe auch über umstrittene Ereignisse im Tierpark berichtet, so etwa über die fragwürdige Weitergabe von Braunbären sowie die Haltung von Eisbären. (2009)
Weiterlesen
„Phantombild überführt falschen Mathe-Lehrer“ titelt eine Boulevardzeitung. Dem Bericht zufolge soll sich ein angeblicher Rechenpädagoge bei einem Gymnasium um einen Vortrag beworben, Schüler angesprochen und ausgefragt haben. An der Schule habe man ihn für einen Physiker einer benachbarten Universität gehalten. Die Zeitung berichtet, dass der Mann dem Phantombild des „dicken (…) Kinder-Greifers mit der Warze“ verblüffend ähnlich sehe. Zum Beitrag gehören zwei Fotos. Eines zeigt das Phantombild, das andere das Gebäude des Gymnasiums. Die Schulleiterin des Gymnasiums teilt im Rahmen ihrer Beschwerde mit, die Redaktion habe sie im Vorfeld der Veröffentlichung um ein Interview gebeten, das sie abgelehnt habe. Ihre Begründung: Es habe ihr fern gelegen, mit einem Interview in die laufenden Ermittlungen einzugreifen. Die örtliche Zeitung habe von ihr jedoch eine Stellungnahme erhalten, aus der die Boulevardzeitung ohne Quellenangabe zitiert habe. Hierdurch werde der Eindruck erweckt, sie, die Schulleiterin, habe mit der Redaktion des Boulevardblattes gesprochen. Die im Beitrag angeführten unhaltbaren Aussagen fielen auf sie zurück. In einem weiteren Schreiben weist die Pädagogin darauf hin, dass die an der Schule auftretende Person sich zwar seltsam benehme, mit der Person vom Phantombild jedoch nichts zu tun habe. Mit einem Anruf bei der Polizei hätte diese Frage schnell geklärt werden können. Die Rechtsabteilung der Zeitung weist darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits geklärt gewesen sei, dass die Person an der Schule nicht mit der Person auf dem Phantombild identisch sei. Im Bericht sei es um etwas anderes gegangen. Aufgrund der polizeilichen Suche mit Phantombild nach einem Mann seien die Vorgänge am Gymnasium erst offenbar geworden. Schüler des Gymnasiums hätten zunächst wegen des Phantombildes an den „Kindergreifer mit der Warze“ gedacht. Die Zeitung betont, die Berichterstattung decke sich mit der Darstellung in der örtlichen Zeitung. Deren Bericht werde von der Schulleiterin ausdrücklich als korrekt bezeichnet. Dass in der Boulevardzeitung die Nennung einer Quelle unterblieben sei, räumt die Rechtsabteilung ein. Dafür habe sich der Redaktionsleiter bei der Rektorin telefonisch entschuldigt. Er habe am Ende des Gesprächs den Eindruck gehabt, dass seine Entschuldigung angenommen worden sei. (2009)
Weiterlesen
Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „Zwei junge Männer unter Trümmern?“ über den Einsturz des Kölner Stadtarchivs. Dabei ist auch von dem Opfer Kevin K. die Rede, der Lehrling in einer nahe gelegenen Bäckerei gewesen sei. Sein Chef wird zitiert. Die Eltern seines Auszubildenden seien früh verstorben. Er habe seine Jugend in einem Heim verbracht, wo sein kleiner Bruder noch heute lebe. Einen Schulabschluss habe Kevin nicht erworben. In einer späteren Version heißt es, das Opfer sei entgegen ersten Berichten doch keine Waise gewesen. Ein Leser des Online-Portals kritisiert die Berichterstattung. Es sei ein Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex, wenn es den Lesern über die Angabe persönlicher Umstände wie des Berufs möglich sei, das Opfer zu identifizieren. Es sei zudem falsch, von einer Waise zu berichten und den kleinen Bruder Kevins zu erwähnen, der als Waise in einem Heim lebe. Damit würden die Persönlichkeitsrechte beider verletzt. Der Beschwerdeführer sieht auch Ziffer 3 des Pressekodex (Richtigstellung) verletzt. Nach Auffassung der Rechtsabteilung der Zeitung scheide ein Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte schon deshalb aus, weil der zunächst vermisste Kevin nun definitiv tot sei. Mit dem Tod würden die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts erlöschen, so dass ein etwaiger Verstoß gegen Ziffer 8 nicht mehr geltend gemacht werden könne. Zudem habe es sich um einen Unglücksfall gehandelt, der das öffentliche Interesse begründe. Die Rechtsvertretung weist darauf hin, dass es sich bei der kritisierten Passage um ein Interview mit dem Lehrmeister des Opfers handele. Sie sieht die Beschwerde als insgesamt unbegründet an. (2009)
Weiterlesen
„Kardelens Mörder in Haft“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung über die Festnahme des mutmaßlichen Mörders eines kleinen Mädchens. Ein Leser der Zeitung sieht durch die Überschrift Richtlinie 13.1 des Pressekodex (Vorverurteilung) verletzt. Bis zur Verurteilung durch ein ordentliches Gericht gelte die Unschuldsvermutung. Im Nachtrag zu seiner Beschwerde reicht er eine andere Titelseite der gleichen Zeitung als Beleg für seine Kritik ein. Die Zeitung hatte diesmal getitelt: „Sieben Monate nach der Tat: Michelle (8): Mörder gefasst“. Nach Auffassung der Rechtsabteilung der Zeitung ist die fragliche Schlagzeile im Kontext zu interpretieren. Der Fall Kardelen habe in der Öffentlichkeit ein großes Interesse gefunden. In fast allen Zeitungen sei über das Verbrechen über Wochen hinweg berichtet worden. Dies habe nicht zuletzt daran gelegen, dass sich die Polizei aktiv an die Öffentlichkeit gewandt habe und diese zur Mithilfe aufgerufen habe. Im Zuge der Ermittlungen sei die Wohnung von Ali K. durchsucht worden. Seine DNA habe mit DNA-Spuren übereingestimmt, die die Polizei am Tatort gefunden habe. Darauf sei Haftbefehl erlassen und eine europaweite Fahndung eingeleitet worden. Der Verdächtige sei schließlich in der Türkei festgenommen worden. Die Rechtsabteilung ist der Meinung, dass aus der Sicht des unbefangenen Durchschnittslesers die Schlagzeile nur so zu verstehen sei, dass die Person, die anhand der übereinstimmenden DNA-Spuren eindeutig als Täter identifiziert worden sei, von der Polizei fest- und in Untersuchungshaft genommen worden sei. Die Zeitung kann auch im Fall Michelle kein Fehlverhalten erkennen. Der Täter sei geständig und es habe eine Fülle von Beweisen gegen ihn vorgelegen. Dies sei für den Leser eindeutig erkennbar gewesen. Richtlinie 13.1 stelle klar, dass die Presse nicht an eine exakte juristische Begrifflichkeit gebunden sei. (2009)
Weiterlesen
Eine Boulevardzeitung berichtet in einer Großstadt-Teilauflage über die schwerwiegendsten Kriminalfälle im Verbreitungsgebiet. Es geht auch über den Mordfall von Lutz R., der vor rund zwanzig Jahren zwei Frauen tötete und ihre Leichen in zwei Säurefässern im Garten vergrub. Die Zeitung zeigt Lutz R. unverfälscht im Bild und schreibt darunter: „ Lutz R., stechend blauer Blick, Fistelstimme, extrem habgierig, sado-masoschistisch veranlagt. Mit Frauen kann er nur verkehren, wenn er sie ankettet. Er sitzt (im Gefängnis) lebenslänglich plus Sicherheitsverwahrung“. Die Rechtsanwälte von Lutz R. sehen die Ziffern 1, 2, 4, 8 und 13 des Pressekodex verletzt. Nach ihrer Ansicht sei der Beitrag unsachlich und reißerisch. Sie zitieren den Einleitungssatz des Berichtes: „Die Salzsäure gluckerte langsam ins tiefe Fass. Er brauchte mehrere Kanister, bis alle Leichenteile bedeckt waren. Dann machte der Mörder den Deckel zu und reinigte seine Fleischersäge. Er lächelte, er hatte es genossen. Den Rest würde die Säure für ihn erledigen. Keine Leiche, keine Frage – so einfach kann ein Mord sein. Und das nicht nur einmal…“ Die Rechtsvertretung kritisiert, dass es sich bei dieser Passage um eine erfundene Behauptung handele, die in keinem Urteil festgestellt worden sei. Die Artikel-Einführung sei reine Fiktion, um Lutz R. herabzuwürdigen und ihn als eine Art Monster darzustellen. Zudem lägen die Taten bereits mehr als zwanzig Jahre zurück. Die Veröffentlichung des Fotos und des wenig verfremdeten Namens seien für die Eingliederung von Lutz R. sowie im Hinblick auf Vollzugslockerungen und mögliche Strafaussetzungen nicht dienlich. Die Rechtsvertretung wirft der Zeitung Stimmungsmache vor, um diese Vorhaben zu hintertreiben. Die Rechtsvertretung der Zeitung nimmt zu den Vorwürfen keine Stellung. Sie beantragt, die Behandlung der Beschwerde auszusetzen, weil die Entscheidung des Presserats allein der Durchsetzung eines Entschädigungsanspruches dienen solle. Später nimmt die Rechtsvertretung der Zeitung zu den Vorwürfen Stellung, die sie für unbegründet hält. Über Tat und Täter sei seinerzeit bundesweit identifizierend berichtet worden. Der Fall sei Rechtsgeschichte geworden, weil der Prozess außergewöhnlich und spektakulär gewesen sei. (2009)
Weiterlesen