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Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

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Entscheidungsjahr
7053 Entscheidungen

Im Internet fehlte der Anzeigen-Hinweis

Mit einer Anzeigen-Doppelseite berichtet eine Regionalzeitung über die Wiedereröffnung eines Einkaufszentrums. In der Online-Ausgabe der Zeitung erscheinen zwei redaktionell gestaltete Beiträge aus dieser Anzeige unter den Überschriften „Gemeinsam erleben“ und „Ruheinsel unter drei Türmen“. Diese Veröffentlichungen sind nicht mit dem Hinweis „Anzeige“ gekennzeichnet. Ein Leser gewinnt zunächst den Eindruck, als seien die Veröffentlichungen redaktionelle Beiträge. Die Printausgabe lasse jedoch erkennen, dass es sich in Wahrheit um bezahlte Werbung handele. Der Leiter der Online-Redaktion räumt ein, dass im Internet-Angebot ein Artikel erschienen sei, bei dem es sich um einen PR-Text gehandelt habe. Grund hierfür sei ein bedauerlicher technischer Fehler. Im Rahmen der Crossmedia-Strategie habe man eine Lösung entwickelt, durch die die redaktionellen Inhalte am Vorabend bzw. am Erscheinungstag der Zeitung automatisch in das Online-Angebot exportiert würden. Dabei sollten ausschließlich redaktionelle Artikel und keine Texte aus Verlagskollektiven übernommen werden. Im konkreten Fall sei aber leider ein PR-Text aus einem Zeitungskollektiv von der Automatik erfasst und ins Internetangebot exportiert worden. Die Kennzeichnung als Werbung sei dabei nicht mehr zu sehen gewesen. Man habe jedoch das Problem mittlerweile erkannt und eine technische Lösung entwickelt, mit der bedauerliche Probleme wie in diesem Fall nicht mehr vorkommen sollten. (2009)

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Die Kontonummern einer Lichtgestalt

Ein Nachrichtenmagazin berichtet unter der Überschrift „Der Sündenfall“ über die Dopingaffäre um Jan Ullrich und laufende Ermittlungen. Diese und bislang vorliegende Ergebnisse werden ausführlich geschildert. Unter anderem werden Bewegungen auf Ullrichs Konten genannt. In einem Fall nennt der Bericht auch eine Kontonummer, die Jan Ullrich zuzuordnen sei. Teilweise werden Einkünfte bis auf Euro und Cent genau beschrieben. Das Magazin erwähnt eine Kreditkarte der Bayerischen Landesbank, mit der Ullrich an bestimmten und im Detail genannten Plätzen eingekauft habe. Die Redaktion gibt Zitate aus angeblich privater Korrespondenz wieder. Ein Leser der Zeitschrift moniert, dass die Redaktion weit über das Erforderliche hinaus in bedenklicher Art und Weise personenbezogene Daten aus Ermittlungsakten zitiere. Damit habe sie ein Persönlichkeitsprofil gezeichnet, dass überwiegend nicht mit dem gegen Jan Ullrich geäußerten Verdacht zusammenhängt. Im Hinblick auf die angeblichen Einkünfte von Jan Ullrich meint der Beschwerdeführer, dass es sich bei Gehaltsdaten und sonstigen Einkünften auch aus steuerlichen Gründen um Daten handele, die dem Privatbereich eines Menschen zuzuordnen seien. Diese sollten in dieser Form nicht öffentlich gemacht werden. Dies gelte besonders im Hinblick auf die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Bonner Staatsanwaltschaft. Insofern gelte die Unschuldsvermutung für den früheren Radrennfahrer. Die Rechtsabteilung des Nachrichtenmagazins reagiert mit dem Hinweis, Jan Ullrich sei jahrelang die Lichtgestalt des Radsports gewesen. Daher sei es notwendig gewesen, mit korrekten Zahlen über seine Einkünfte zu berichten. Nach wie vor bestehe ein hohes öffentliches Interesse an Ullrich und der Klärung der gegen ihn erhobenen Dopingvorwürfe. Im Gegensatz zum Beschwerdeführer ist die Rechtsvertretung der Auffassung, dass eine Kontoverbindung keine hochsensible vertrauliche Information ist. Jeder, der mit einem Menschen Geschäfte mache, wisse dessen Kontonummer. Aus der ließen sich keinerlei Rückschlüsse auf persönliche Verhältnisse ziehen. Um die Tragfähigkeit der Indizien und die Gründe für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nachvollziehen zu können, sei es zwingend notwendig, sehr detailliert über sämtliche Geldzahlungen und das Verhalten von Ullrichs Umfeld zu berichten. (2009)

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Name und Foto im Blatt sind kein Verstoß

Über den Tod eines namentlich genannten und mit Foto abgebildeten Mannes berichtet eine Regionalzeitung. Es heißt, der Museumsangestellte sei in Ghana an Malaria gestorben. Das habe ein enger Freund bestätigt. Ferner wird im Artikel die Leiterin des Museums zitiert. Eine Leserin sieht durch die identifizierende Berichterstattung die Persönlichkeitsrechte des Toten verletzt. Außerdem sei die Todesursache zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht klar gewesen. Weder die angegebene Todesursache noch das Zitat der Museumschefin sei korrekt. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung berichtet, der Verstorbene habe durch seine Arbeit oft in der Öffentlichkeit gestanden. Deshalb hätten ihn viele Menschen in der Region gekannt. Die Redaktion habe ordentlich gearbeitet. Von einer reißerischen Darstellung könne keine Rede sein, auch wenn es sicherlich besser gewesen wäre, auch mit den Eltern des Verstorbenen zu sprechen. Warum der im Artikel erwähnte Freund seine Äußerungen gegenüber der Presse später zurücknahm, sei nicht klar. Offensichtlich sei seine persönliche Betroffenheit sehr groß. (2009)

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Amokschützen in Heldenpose gezeigt

„Seid ihr immer noch nicht tot?“ so lautet die Überschrift, unter der eine Boulevardzeitung über den Amoklauf von Winnenden berichtet. Auf einem Foto sind vier Schüler zu sehen, die am Fenster einer benachbarten Schule das Geschehen verfolgen. Bildtext: „Sie sind dem Unglück entkommen: Schüler einer benachbarten Schule stehen am Fenster, sind betroffen und geschockt.“ Ein weiteres Bild zeigt eine abgedeckte Leiche. Auf einem anderen Foto wird eine Schülerin von einer Lehrerin getröstet. Schließlich zeigt die Zeitung ein Opfer, das im Bildtext als Autohändler Dennis P. (36) bezeichnet wird. Das Aufmacherfoto ist eine blatthohe Fotomontage von Tim K. Sie zeigt den Täter in einem Kampfanzug und mit gezogener Waffe. Auf zwei weiteren Seiten beschäftigt sich die Redaktion mit der Motivsuche. Überschrift: „Wie wurde ein so netter Junge zum Amokschützen?“ Neben dem großen Täter-Bild steht die Rekonstruktion einer Szene in einem Klassenzimmer, in das ein Foto des Täters im Kampfanzug hineinkopiert wurde, der wild um sich schießt. Der Beitrag „Er schoss gezielt auf Mädchen“ ist mit vier Fotos getöteter Schülerinnen bebildert. Der Beschwerdeführer, ein Leser der Zeitung, beklagt, dass die Zeitung identifizierbare Fotos der Opfer zeige. Auch würden Fotos vom Täter und seiner Familie abgedruckt, auf denen die Beteiligten zu erkennen seien. Die Zeitung stelle auch die Frage, ob Tim K. unter Medikamenteneinfluss gestanden habe. Die Redaktion verstoße in der Druckausgabe und im Online-Auftritt gegen die Richtlinien 11.1 und 11.2 des Pressekodex.(Sensationsberichterstattung, Jugendschutz). Schlussfolgerung des Beschwerdeführers: Die Art der Darstellung des Geschehens von Winnenden und die sensationelle Aufmachung mit Videos, Animationen, Zeichnungen und Fotomontagen könnten geeignet sein, Nachahmer zu provozieren, die sich ähnliche Aufmerksamkeit erhofften. Die Rechtsabteilung der Zeitung bekennt sich zu allen ihren Darstellungsformen, die durch ein außerordentlich hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt seien. Die Redaktionen von Druckausgabe und Online hätten im Rahmen der vom Presserat postulierten Grundsätze verantwortungsbewusst berichtet. Den Vorwurf der identifizierenden Berichterstattung weist die Zeitung zurück. Der Pressekodex bestimme, dass „in der Regel“ eine identifizierende Darstellung der Opfer zu unterbleiben habe. Der Amoklauf von Winnenden sei jedoch kein Regelfall gewesen. Das Foto von den geschockten Schülern am Fenster der Nachbarschule bewertet die Rechtsabteilung als Dokument der Zeitgeschichte. Die exponierte Präsentation des Täters auf der Titelseite der Print-Ausgabe entspreche dem mit der Schwere und Bedeutung der Tat verbundenen Informationsinteresse der Öffentlichkeit und sei somit gerechtfertigt. (2009)

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Nennung der Nationalitäten war überflüssig

Gedruckt und online berichtet eine Regionalzeitung unter der Überschrift „Ermittlungsfehler verhindern Verurteilung“ über den Diebstahl einer Ladung Zigaretten. Die Redaktion schildert den Ablauf der Tat, die mit Hilfe einer Video-Kamera dokumentiert wurde. In der Beschreibung der Filmsequenzen wird eine Szene mit „einem Türken“ und eine andere mit „zwei Russen“ erwähnt. Einige Leser nehmen zu diesem Beitrag im Internet Stellung. Einer von ihnen tritt in diesem Fall als Beschwerdeführer auf. Er moniert die nach seiner Auffassung überflüssige Nennung der Nationalitäten. Die Rechtsvertretung der Zeitung steht auf dem Standpunkt, dass die Erwähnung der Täter als „Türke“ und „Russen“ nicht gegen den Pressekodex verstoße. Es diene in solchen Fällen der Anschaulichkeit, wenn die Nationalität der Beteiligten genannt werde. Ziffer 12 des Pressekodex verbiete die Diskriminierung u. a. wegen der Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder nationalen Gruppe. Richtlinie 12.1 konkretisiere dies dahingehend, dass in der Berichterstattung über Straftaten die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu „religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten“ nur dann erwähnt werden dürfe, wenn für die Verständlichkeit des Berichteten ein begründeter Sachbezug zu erkennen sei. Die Richtlinie 12.1 sei in diesem Fall nicht verletzt worden. (2009)

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Eltern wollten die Berichterstattung

In der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung erscheint ein Beitrag unter der Überschrift „Schweinegrippe – so qualvoll starb mein Baby“. Er handelt von einem 21 Monate alten Kind, das nach der Impfung gegen die Schweinegrippe gestorben sei. Zum Beitrag gehört eine Bilderstrecke, innerhalb derer der Impfausweis des Kindes gezeigt wird. Der volle Name des Kindes, sein Geburtsdatum, das Datum der Einlieferung ins Krankenhaus und die Patientennummer sind erkennbar. Ein Leser der Internet-Ausgabe will vom Presserat geklärt wissen, ob die Berichterstattung gegen die Persönlichkeitsrechte des Kindes verstößt. Die Rechtsabteilung der Zeitung sieht dessen Rechte nicht verletzt. Die Eltern des verstorbenen Kindes hätten sich an die Redaktion gewandt, um den tragischen Todesfall publik zu machen. Ihr Kind sei das erste gewesen, das an der Impfung gestorben sei. Die Eltern hätten also ein Interesse an der Berichterstattung gehabt. Sie hätten auch keine Bedenken gegen eine identifizierende Berichterstattung geäußert. Entgegen dieser Bekundung habe die Redaktion den Namen anonymisiert. Nur beim Impfausweis sei dies aus Versehen unterblieben. Dieses Missgeschick sei nach wenigen Stunden entdeckt worden. Man habe nun auch den Impfausweis anonymisiert. (2009)

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Animation „jenseits des guten Geschmacks“

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht unter der Überschrift „Die blutige Spur des Amokläufers“ eine 3-D-Animation, die den Leser aus der Sicht des Täters seinen Weg durch die Schule nachvollziehen lässt. Die Opfer werden dabei als schwarze Gestalten dargestellt. Der Name des oder der Ermordeten ist in einem Kasten eingeblendet. Die Animation dauert eine Minute und 46 Sekunden. Zu ihr gehört ein Beitrag, der die „Blutspur des Grauens“ nachzeichnet. Darin heißt es: „Auf dem Flur begegnen ihm die Lehrerinnen Nina M. (24) und Michaela K. (26), auch sie müssen sterben. Offen ist, ob die beiden Frauen versucht haben, sich dem Wahnsinnigen in den Weg zu stellen. Eigentlich hätten sie in ihren Klassen sein müssen.“ Aus Sicht des Beschwerdeführers ist die Animation jenseits des guten Geschmacks. Die Rechtsabteilung der Zeitung kontert mit dem Hinweis, die Darstellungsform sei durch ein außerordentlich hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt. Es sei Aufgabe der Presse gewesen, viele in der Öffentlichkeit aufgeworfene Fragen zu beantworten. Die Redaktionen hätten von ihrem Recht Gebrauch gemacht, zulässige Stilmittel und technische Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Die Rechtsabteilung weist den Vorwurf zurück, das Video mache durch die verwendete Täterperspektive die Getöteten erneut zu Opfern. Durch die monotone und sehr statische Aufmachung solle gerade jede verletzende Assoziation vermieden werden. Der fiktive Täter werde als roter Punkt gezeigt, die Opfer als schwarze, scherenschnittartige Umrisse. Auf jedes schmückende Detail sei bewusst verzichtet worden. Die Grenze zur unangemessen sensationellen Darstellung sei mit dieser besonderen Form der Informationsvermittlung nicht überschritten worden. (2009)

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Persönlichkeitsrecht gilt auch Jahrzehnte nach der Tat

Eine Hamburger Zeitung berichtet unter der Überschrift „Der Sadist mit dem Säurefass“ über die spektakulärsten Mordfälle der vergangenen Jahrzehnte in der Hansestadt. In diesem Beitrag geht es um den verurteilten Mörder Lutz Reinstrom, der vor etwa zwei Jahrzehnten zwei Frauen tötete, ihre Leichen in ätzender Flüssigkeit auflöste und die Fässer dann im Garten vergrub. Zum Beitrag gehören mehrere Fotos vom Tatort, von der Bergung der Fässer und vom früheren Arbeitsort des Mörders. Ein weiteres Bild zeigt den Mörder im Porträt. Die Bildunterschrift lautet: „Lutz Reinstrom: Als Sadomaso-Kürschner von Rahlstedt ging er in die Kriminalgeschichte Hamburgs ein“. Reinstrom kritisiert die Berichterstattung. Sein Rechtsanwalt sieht mehrere Ziffern des Pressekodex verletzt. Die Veröffentlichung enthalte in reißerischer Form Sachverhalte, die ausschließlich geeignet seien, Stimmung gegen den Kläger zu machen und diesen als eine Art Monster hinzustellen. Da die Taten bereits mehr als zwei Jahrzehnte zurücklägen, habe der Verurteilte ein Recht darauf, im Interesse seiner Wiedereingliederung von solchen Veröffentlichungen seines vollen Namens, seines Fotos sowie seiner früheren Arbeitsstätte und seines Wohnhauses verschont zu bleiben. Der Artikel fuße zwar wesentlich auf Feststellungen des damaligen Urteils, jedoch würden daraus zusammenhanglos Passagen zitiert, die für eine objektive Berichterstattung nicht erforderlich seien und lediglich auf eine Stimmungsmache und eine reißerische Berichterstattung hinzielten. Der Chefredakteur der Zeitung weist daraufhin, dass das öffentliche Informationsinteresse bei schwersten Straftaten wie in diesem Fall auch noch Jahre nach den Taten Vorrang vor der Anonymität und dem Resozialisierungsinteresse des Täters habe. Das Persönlichkeitsrecht vermittle Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit der Tat konfrontiert zu werden. Der Beitrag enthalte keine Unwahrheiten. Der Beschwerdeführer selbst lasse seinen Anwalt erklären, dass der Inhalt auf den Feststellungen des damaligen Urteils beruhe. (2009)

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„Amokfahrt ein Ereignis der Zeitgeschichte“

Eine Online-Redaktion veröffentlicht unter der Überschrift „Tragödie mit Todesopfern am Königinnentag“ einen Beitrag über das versuchte Attentat auf Königin Beatrix Ende April 2009. Am niederländischen Nationalfeiertag war während einer Parade ein Unbekannter mit seinem Auto in die Menge gerast und hatte mindestens zwei Menschen getötet. Die Redaktion stellt zum Beitrag mehrere Bilder, auf denen zum Teil zu sehen ist, wie ein Auto mehrere Menschen umfährt. Sie zeigen fallende und schwer verletzte Menschen und Zuschauer, der versuchen, den Opfern zu helfen. Ein Nutzer beschwert sich über die Fotostrecke. Dort seien Aufnahmen von Menschen zu sehen, die umherfliegen und schwer verletzt auf der Straße lägen. Aus Respekt vor den Opfern sollten solche Fotos nicht veröffentlicht werden. Nach Darstellung der Rechtsvertretung der Online-Redaktion vermittelt die Bild-Berichterstattung einen drastischen Eindruck von der Brutalität des Amokfahrers. Die Tat lasse sich ohne weiteres als zeitgeschichtliches Ereignis von erheblicher Bedeutung einstufen. Für die Niederlande sei dieser Vorfall einzigartig gewesen. Er rechtfertige die kritisierte Berichterstattung. Da es sich zudem um eine Online-Veröffentlichung handele, seien die Bilder nicht in reißerischer Weise verwendet worden, bei der sich der Betrachter den Motiven nicht entziehen könne. Sie müssten vielmehr gesondert angeklickt werden. Der Betrachter könne frei entscheiden, ob er sich die Fotos im Großformat ansehen wolle. Damit unterscheide sich die Online-Berichterstattung erheblich von jener in Zeitungen. (2009)

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„Würde Betroffener massiv verletzt“

Mit einer 3-D-Animation zeichnet die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung den mörderischen Weg des Amokläufers von Winnenden durch seine Schule nach. Die Opfer werden als schwarze Gestalten dargestellt. Der Name des oder der Ermordeten wird in einem Kasten eingeblendet. Zur Animation gehört ein Beitrag, der die „Blutspur des Grauens“ nachzeichnet. Darin heißt es: „Auf dem Flur begegnen ihm die Lehrerinnen Nina M. (24) und Michaela K. (26), auch sie müssen sterben. Offen ist, ob die beiden Frauen versucht haben, sich dem Wahnsinnigen in den Weg zu stellen. Eigentlich hätten sie in ihren Klassen sein müssen“. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Beitrag presseethische Grundsätze verletzt. Die Analogie der Animation, die den Gedanken an ein Computerspiel nahe lege und zudem keinen gehaltvollen Informationswert aufweise, verstoße gegen den Pressekodex. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Berichterstattung in allen verwendeten Darstellungsformen durch ein außerordentlich hohes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit für gerechtfertigt. Die Redaktionen in Print und Online hätten verantwortungsbewusst berichtet. In der Öffentlichkeit seien im Zusammenhang mit der Tragödie viele Fragen gestellt worden, die die Presse habe beantworten müssen. Die Redaktionen hätten von ihrem Recht Gebrauch gemacht, zulässige Stilmittel und technische Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Die notwendige Abwägung mit den Persönlichkeitsrechten und die Prüfung der Fakten sei gewissenhaft vorgenommen worden. Die Grenze zur unzulässigen Darstellung sei nicht überschritten worden. Die Rechtsabteilung weist den Vorwurf zurück, dass das Video durch die verwendete Täterperspektive die Getöteten erneut zu Opfern mache. Durch die monotone und sehr statische Aufmachung solle gerade jede verletzende Assoziation vermieden werden. Das Recht, die technischen Möglichkeiten des Internets auch journalistisch nutzen zu können, würde unzulässig eingeschränkt, wenn jede speziell auf das Internet zugeschnittene Form der Informationsvermittlung allein wegen ihrer Ähnlichkeit zu Computerspielen als unzulässig gelten würde. (2009)

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