Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

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Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

Satire zur Fastnacht ernst genommen

Eine süddeutsche Regionalzeitung am Faschingssamstag. Sie titelt: „Rauchen: Aber bitte gerne! Kirche ruft zu Rauchermesse“ über ein entsprechendes Vorhaben einer Gruppe von Pastoren. Die ungewöhnliche Art der Messe sei von einer interkonfessionellen Pfarrerkonferenz beschlossen worden. Zitiert wird ein Geistlicher mit den Worten: „Die Rauchermessen werden bestimmt mal ein ganz cooler Kult“. Aus einer Gemeinde wird berichtet: „Bei uns darf in der Messe jeder nach Herzenslust rauchen. Hauptsache er fühlt sich wohl“. Ein Leser wirft der Zeitung vor, in eklatanter Weise gegen die Grundsätze eines sauberen Journalismus verstoßen zu haben. Der Artikel sei erfunden. Eine interkonfessionelle Konferenz und Pläne für eine Rauchermesse habe es nie gegeben. Die betreffenden Kirchengemeinden hätten bestätigt, dass die ganze Geschichte frei erfunden sei. Der Aufruf zur Rauchermesse – so der Beschwerdeführer – verletze die Gefühle der Christen. Auch Monate nach dem Erscheinen des Artikels habe sich die Empörung bei den Kirchgängern nicht gelegt, da die Zeitung keine Korrektur gebracht habe. Der Stellvertretende Chefredakteur der Zeitung ruft noch einmal das Erscheinungsdatum des Artikels – Faschingssamstag – in Erinnerung. Seit vielen Jahren werde die Seite 1 an diesem Tag dem närrischen Datum angepasst. Sie enthalte frei erfundene Beiträge zu diversen lokalen Themen. Dies sei mit einem Blick auf die Seite zu erkennen. Dass ein Leser die Texte für bare Münze nehme, sei nur sehr schwer vorstellbar. Bis dahin habe die Zeitung noch nie eine negative Rückmeldung erhalten – ganz im Gegenteil. Dem Beschwerdeführer gibt der Stellvertretende Chefredakteur dennoch dahingehend Recht, dass der Beitrag falsche Informationen und Zitate enthalte. Es stimme jedoch nicht, dass keine berichtigende Erklärung abgedruckt worden sei. Am Faschingsmontag habe die Redaktion in einem farblich unterlegten Kasten mitgeteilt, dass alle Seite 1-Geschichten vom Samstag frei erfunden gewesen seien. Er betont abschließend, dass mit dem satirischen Beitrag niemand verunglimpft oder gar ins Lächerliche gezogen werden sollte. (2008)

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Satirischer Comic als Geschmacksfrage

„Was läuft eigentlich in Negeristan?“ – unter dieser Überschrift veröffentlichen zwei Satire-Zeitschriften einen Comic. Dargestellt wird ein schlafender Farbiger, der den ganzen Tag auf seiner Matratze liegt und nichts tut. Am Ende des Comics steht der Aufruf: „So geht es nicht weiter! Wacht auf, verdammte Neger dieser Erde! Sonst wird Negeristan niemals aus dem Mustopp kommen!!“ („Mustopp“ im Berliner Wörterbuch: „Du kommst wohl aus dem Mustopp“. Soll heißen: „Du merkst das reichlich spät.) Das Beratungsnetzwerk gegen Diskriminierung und Rassismus tritt als Beschwerdeführer gegen beide Zeitschriften auf. Es hat den Comic „mit großer Sorge“ zur Kenntnis genommen. Er reproduziere rassistische Bilder und Stereotype über schwarze Menschen und sei deshalb als diskriminierend einzustufen. Von einer gesellschaftlich privilegierten und vorteilhaften Deutungsposition heraus würden Personen, die von Rassismus betroffen sind, erneut herabgewürdigt, diskriminiert und marginalisiert. Eine solche mediale Thematisierung von Rassismus finde auf dem Rücken der Betroffenen statt, weshalb in diesem Fall von einem Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierung) auszugehen sei. Beide Zeitschriften geben keine Stellungnahme ab. (2008)

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Wein und Kodex im Widerspruch

Eine Regionalzeitung veröffentlicht ein einseitiges „Sonderthema“ in redaktionellem Layout über österreichische Weine. Der Artikel unter der Überschrift „Auf den besten Weinkarten der ganzen Welt“ stammt von einem Redakteur der Zeitung. Zwei weitere Veröffentlichungen gehen auf die Österreichische Weinmarketingservicegesellschaft (ÖWM) zurück. Ein Leser der Zeitung sieht in der Seite eine redaktionelle Sonderveröffentlichung, die Schleichwerbung beinhaltet. Zumindest die beiden ÖWM-Beiträge seien eindeutig PR-Veröffentlichungen. Um eine werbliche Sonderveröffentlichung handele es sich nach seiner Meinung nicht, da die Seite weder als Werbung gekennzeichnet sei, noch sich durch optische Gestaltung von den redaktionellen Seiten der Zeitung abgrenze. Der Redaktionsdirektor der Zeitung weist darauf hin, dass die Seite als „Sonderthema“ gekennzeichnet sei. Der Aufmacher-Text des Redakteurs sei nicht zu beanstanden. Die beiden anderen Texte der Seite seien namentlich gekennzeichnet und trügen außerdem den Vermerk „ÖWM“. Dessen ungeachtet hätte man allerdings diese beiden Artikel nicht in der vorliegenden Form veröffentlichen sollen. Angemessen gewesen wäre etwa ein anderer Umbruch als im redaktionellen Teil oder auch die Verwendung anderer Schriften. Der zuständige Redakteur habe sich in diesem Fall in einem Verbotsirrtum befunden. Diese gehe auch aus der Tatsache hervor, dass er die Herkunft der Texte nicht etwa verschleiert, sondern diese offen gekennzeichnet habe. Der Redaktionsdirektor betont, dass die Chefredaktion künftig für die Wahrung der Form sorgen werde. (2008)

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Überschrift war sachlich nicht korrekt

Unter der Überschrift „Kunden sind treu“ veröffentlicht eine überregionale Tageszeitung eine Notiz über das Kaufverhalten der Kunden eines Discounters, der einen Bespitzelungsskandal hinter sich hat. Aussage der Meldung: Trotz des Skandals seien die Kunden der Kette treu geblieben. Auf der gegenüberliegenden Seite bringt das Blatt eine ganzseitige Image-Werbung der Firma mit der Aufforderung, ihr online unter der Internet-Adresse der Zeitung Fragen zu stellen. Die Seite ist als „Anzeigen-Sonderveröffentlichung“ gekennzeichnet und mit „(…, Name der Zeitung) Unternehmensgrundsätze“ überschrieben. Ein Leser ist der Auffassung, dass das Nebeneinander von Notiz und Anzeige kein Zufall ist. Die Meldung sei für den Discounter durch die Formulierung „Kunden sind treu“ positiv gestaltet. Die Anzeige sei zwar gekennzeichnet, doch werde mit dem Hinweis auf die Unternehmensgrundsätze der Zeitung suggeriert, es handele sich um ein Statement des Verlags. Die Anzeige sei ausschließlich für diese Zeitung gestaltet worden. Der Chefredakteur des Blattes nimmt Stellung. Die Redaktion habe täglich und sehr ausführlich über die damalige Affäre berichtet. Einmal sei das Thema Aufmacher gewesen, gefolgt von einer Doppelseite als Thema des Verlags. Man sei dabei so kritisch gewesen, wie das Thema es erfordert habe. Dass einmal die Anzeigenveröffentlichung daneben gestanden habe, sei ein Zufall gewesen. Außerdem habe die Zeitung diese Veröffentlichung eindeutig gekennzeichnet. (2008)

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Gentechnik-Gegner contra Bienenstöcke

„Gentechnik-Gegner zerstört Bienenstöcke an Uni-Feld“ titelt eine Regionalzeitung. Im Beitrag heißt es, ein Gentechniker aus einer Gruppe, die seit einer Woche das zur Universität gehörende Gelände besetzt halte, gelte als tatverdächtig. Weiterhin wird berichtet, die Bienenvölker hätten die Zerstörung nicht überstanden. Es sei außerdem unklar, ob an der Aktion noch andere Personen beteiligt waren. Die Angaben in dem Beitrag werden einige Tage später durch eine Pressemitteilung der Polizei bestätigt. Der Beschwerdeführer schickt der Zeitung eine Richtigstellung, die nicht veröffentlicht wird. Er sieht in dem Artikel falsche Tatsachenbehauptungen. Der Verdächtige gehöre nicht zur Gruppe der Gentechniker, sondern sei ein Anwohner. Entgegen dem Bericht hätten die Bienenvölker die Zerstörung der Stöcke überlebt. Aufgrund der Aussage eines Zeugen sei zudem klar, dass keine weiteren Personen an dem Vorgang beteiligt gewesen seien. Da die erwähnte Pressemitteilung der Polizei im dortigen Archiv nicht zu finden sei, könne sie auch erfunden worden sein. Möglicherweise habe sich die Zeitung für ihre Erstveröffentlichung eine Quelle verschaffen wollen. Schließlich kritisiert der Beschwerdeführer, dass seine Richtigstellung nicht veröffentlicht worden sei. Der Chefredakteur der Zeitung bezeichnet die Vorwürfe als unzutreffend. Mehrere Gentechnik-Gegner, unter ihnen auch der Beschwerdeführer, hätten ein Versuchsfeld der Uni besetzt. Die Polizei habe mehrere der Besetzer identifizieren können, darunter auch den Tatverdächtigen. Gegen diesen, den Beschwerdeführer und weitere Personen liefen derzeit wegen der Feldbesetzung Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft. Dass auf dem Versuchsgut Bienenstöcke zerstört worden seien, sei auf einem veröffentlichten Foto dokumentiert. Dies habe deren Besitzer, ein Privatdozent, bestätigt. (2008)

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Was ist Werbung, was ist redaktionell?

Eine Fachzeitschrift veröffentlicht in einem Sonderheft zur Fußball-EM 2008 vier Beiträge über die Deutsche Nationalmannschaft. In die Artikel sind sechs Anzeigen eines Sportartikelvertreibers integriert. Thema ist der Ball, mit dem bei der EM gespielt werden soll. Aus Sicht eines Lesers werden Redaktion und Werbung nicht klar getrennt. Die Anzeigen seien nicht als solche erkennbar. Insbesondere ein Foto von Philipp Lahm mit dem Ball in der Hand erwecke den Eindruck, als gehöre es zu dem entsprechenden Artikel. Der Verlagsleiter nimmt Stellung, da sich die Beschwerde auf einen Sachverhalt beziehe, der nur bedingt im Einflussbereich der Redaktion liege. Es handele sich fast ausschließlich um Eckfeld-Anzeigen, die an einer Seite noch jeweils ein Stück von redaktionellem Text umflossen würden. Die Anordnung könne als typische Anzeigenplatzierung gelten. Motive, Bildschnitt und der jeweils in Schreibschrift gestaltete Slogan heben sich, so der Verlagsleiter, von der üblichen redaktionellen Gestaltung ab. Sie deuteten auf ein Anzeigenmotiv hin. Im Fall des Lahm-Fotos räumt der Verlagsleiter ein, Platzierung und Aussage ließen den Eindruck zu, dass ein Bezug zum redaktionellen Thema bestehe. In der Summe der Merkmale hätten sich die Anzeigenverantwortlichen entschieden, eine explizite Kennzeichnung der Werbung nicht vorzunehmen. Im Hinblick auf die Irritation um das Lahm-Foto habe man sich jedoch entschlossen, in ähnlich gelagerten Fällen künftig eine Kennzeichnung vorzunehmen. (2008)

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Bemerkens- und deshalb berichtenswert

Die Staatsanwaltschaft wirft einem Polizeibeamten sexuelle Nötigung vor. Die örtliche Zeitung berichtet über den Fall und den bevorstehenden Prozess. Sie schildert, wie der Tatverdächtige im Polizeipräsidium festgenommen worden sei. Es heißt, der Mann sei unter einem Vorwand ins Büro des Polizeidirektors gebeten worden. Dort habe ihn ein mobiles Einsatzkommando festgenommen. Dieses war angefordert worden, weil der Polizeibeamte seine Dienstwaffe bei sich gehabt habe. Die Zeitung berichtet auch über einen zurückliegenden Prozess gegen den Beamten wegen angeblicher Vergewaltigung. Das Verfahren habe mit einem Freispruch geendet. Dem Artikel beigestellt ist ein Foto des Mannes. Er ist mit einem Gesichtsbalken unkenntlich gemacht. Der Beschwerdeführer, die „Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten“, hält den Artikel für einseitig und falsch. Der Autor berichte ausschließlich auf der Basis von Polizeiinformationen und lasse sich zu deren Werkzeug machen. Der Betroffene selbst komme nicht zu Wort. Der Beschwerdeführer sieht zudem eine vorverurteilende Darstellung. Dies insbesondere durch die ausführliche Schilderung des vorangegangenen Falles und den letzten Absatz des Artikels, in dem der Autor die Ansicht äußert, dass das Gericht in dem neuen Verfahren deutliche Worte finden werde. Schließlich wird kritisiert, dass der betroffene Polizeibeamte durch den Gesichtsbalken nicht ausreichend anonymisiert werde. Die Rechtsabteilung der Zeitung bestreitet eine einseitige Berichterstattung zulasten des Betroffenen. Die Redaktion habe wahrheitsgemäß über das Verfahren berichtet, ohne den Beschuldigten vorzuverurteilen. Die Art des Zugriffs der Polizei sei bemerkenswert und daher auch berichtenswert. Dass in dem Beitrag auch ein früherer Fall erwähnt werde, sei nicht zu beanstanden. Abschließend betont die Rechtsabteilung, dass die Zeitung über den zwischenzeitlich ergangenen Freispruch und die Tatsache, dass sich der Betroffene um eine Klage gegen die Stadt kümmern wolle, berichtet habe. Nach alledem könne man keinen Verstoß gegen den Pressekodex erkennen. (2008)

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Schwärzungen als „scheinheilig“ bezeichnet

Zwanzig Bewohner einer Kleinstadt beteiligten sich 1938 während der Progromnacht an den im ganzen Land von den Nazis angezettelten Übergriffen gegen jüdische Mitbürger. Sie mussten sich 1948 vor Gericht verantworten. Das im Ort erscheinende Anzeigenblatt beschreibt in großer Aufmachung die Ereignisse von 1938 und zeigt in einer Illustration die Stellen in der Stadt, die Schauplatz von Brandstiftungen waren. Das Blatt berichtet auch über die juristische Aufarbeitung der damaligen Exzesse und zeigt im Faksimile die erste Seite der Anklageschrift von 1948. Nachnamen und Adressen der Angeklagten sind geschwärzt. Einer der Beschuldigten war zur Tatzeit 18 Jahre alt. Er ist 1994 gestorben. Sein Sohn tritt nunmehr als Beschwerdeführer auf. Er stört sich daran, dass das Blatt die folgende Beschreibung des Vaters abdruckt: „Bl. 38 ff – 16. Willi A…, Mechaniker, geb. 29. 12. 1919, in Vil., wohnhaft dortselbst, verheiratet“. Der Rest ist geschwärzt. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die Straftaten vor über 70 Jahren begangen wurden und die Strafen bis 1950 verbüßt worden seien. Alle aufgelisteten Angeklagten seien Privatpersonen und zum Teil zum Zeitpunkt des Progroms Minderjährige oder Heranwachsende gewesen. Trotz der „scheinheiligen“ Schwärzung seien die Personen unschwer zu erkennen. Die Würde der Toten und der lebenden Angehörigen seien auf das Schwerste verletzt worden. Ein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung der Namen bestehe nicht. Die Redaktion hat nach eigenem Bekunden nicht gegen den Pressekodex verstoßen. Das Ereignis sei in allen Medien aufgegriffen worden. Dies besonders vor dem Hintergrund eines verstärkt zu beobachtenden rechtsextremen Gedankengutes. Die Redaktion habe die juristische Aufarbeitung der örtlichen Progromnacht als Teil der notwendigen Erinnerung angesehen. Bei der Anklageschrift von 1948 handele es sich um ein historisches Zeitdokument. Eine Identifizierung des Vaters des Beschwerdeführers erscheine unwahrscheinlich, da dieser vor 14 Jahren verstorben sei. Dass sich der Beschwerdeführer und dessen Familie durch die Abbildung der ersten Seite der Anklageschrift persönlich mit der Vergangenheit des inzwischen Verstorbenen konfrontiert sähen, könne nach Auffassung der Redaktion keine Verletzung des Pressekodex begründen. (2008)

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„Taten“, nicht aber „Morde“ gestanden

Unter der Überschrift „Schwester bedauert Todesfälle“ berichtet eine Regionalzeitung über den Prozess gegen eine Krankenschwester. Die Anklage legt ihr sechs vollendete und zwei versuchte Morde zur Last. Sie hat gestanden, vier der Taten begangen zu haben. Die Unterzeile der Überschrift lautet: „Irene B. gesteht vier Morde an Patienten…“. Die Krankenschwester soll laut eigener Erklärung aus ihrer Sicht „zum Wohl der Patienten“ gehandelt haben. Sie sei davon ausgegangen, dass ihre Opfer sterben wollten. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft hingegen geht von Heimtücke und niederen Beweggründen aus. Aus Machtwillen habe sie sich zur Herrin über Leben und Tod aufgespielt. Die Angeklagte wird von der Zeitung mit ihrem Vornamen, dem abgekürzten Nachnamen und einem Porträtfoto dargestellt. Ein Leser ruft den Deutschen Presserat an. Er ist der Ansicht, dass der Beitrag vorverurteilend war, da die Krankenschwester zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht verurteilt war. Ein Porträtfoto ohne Augenbalken sei daher unzulässig. Aufgrund des Bildcharakters vermutet der Beschwerdeführer, dass das Foto aus einer versteckten Position aufgenommen worden sei. Die Rechtsabteilung der Zeitung steht auf dem Standpunkt, Angeklagte in einem Strafverfahren müssten nicht grundsätzlich unkenntlich gemacht werden. Im konkreten Fall spreche viel für ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer bildlichen Darstellung. Zum einen gehe es in dem Prozess um den Vorwurf mehrerer Kapitalverbrechen, eine „Größenordnung“, an der ein besonderes öffentliches Interesse bestehe. Außerdem habe die Krankenschwester in Ausübung ihres Berufes agiert, dabei jedoch dem eigentlichen Auftrag ihrer Profession völlig zuwidergehandelt. Diese Überlegungen könnten aber auch dahinstehen, da von einem Einverständnis der Betroffenen auszugehen sei. Das Foto sei von einer Agentur gemacht worden, und das nicht heimlich. Die Angeklagte habe sich bereitwillig fotografieren lassen und sogar ein TV-Interview gegeben. Dass die Zeitung den Begriff „Mord“ verwendet habe, sei nicht unbedingt eine Qualifizierung im strafrechtlichen Sinne. Umgangssprachlich würden die Begriffe „Mord“ und „Totschlag“ durchaus synonym gebraucht. Auch sei die Formulierung „Irene B. hat vier Morde gestanden“ nicht vorverurteilend. Aus dem Text gehe hervor, dass die Schwester geglaubt habe, zum Wohle der Patienten zu handeln. Somit sei die Motivlage noch offen gewesen und von Anklage und Verteidigung unterschiedlich dargestellt worden. (2007)

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Fotos des toten Saddam Hussein

„Neues Schock-Video: Henker filmten Saddams Sterben“ überschreibt eine Boulevardzeitung ihren Bericht über das Ende des irakischen Ex-Diktators. Der Artikel enthält mehrere Fotos aus dem heimlich gedrehten Video. Auf den Bildern ist zu sehen, wie Hussein die Schlinge um den Hals gelegt wird (in vier kleinen Fotos), sowie der Holzsarg mit seiner Leiche, Trauernde am Grab und – großformatig – leicht verschwommen der am Seil hängende Delinquent. Ein Leser der Zeitung beschwert sich beim Deutschen Presserat über die Veröffentlichung dieser Fotos. Der Abdruck stellt nach seiner Auffassung einen Verstoß gegen die Menschenwürde nach den Ziffern 1 und 11 des Pressekodex dar (Achtung der Menschenwürde und unangemessen sensationelle Darstellung). Die Rechtsabteilung des Verlags hält die Veröffentlichung der Fotos für publizistisch veranlasst und gerechtfertigt. Weder sei die Darstellung unangemessen sensationell noch verstoße sie gegen die Menschenwürde. Die Fotos seien Dokumente der Zeitgeschichte. Am Ende einer jahrzehntelangen Diktatur habe die Exekution gestanden, „ein besonderes historisches Ereignis“, über das es ausführlich zu berichten gelte. Als vergleichbare Anlässe nennt der Verlag die Fotos der in Nürnberg hingerichteten Kriegsverbrecher und des toten Ehepaars Ceausescu. Im Übrigen zeigten die Bilder nicht die Hinrichtung selbst, sondern deren Vorbereitung, sowie den Toten. Entwürdigende Details enthalte keines der Fotos. Am Ende ihrer Stellungnahme kommt die Rechtsabteilung des Verlags zu dem Schluss, dass der Abdruck der Bilder seine Berechtigung finde in ihrem zeitgeschichtlichen Dokumentationswert. Die Veröffentlichung sei vom Informationsauftrag der Medien gedeckt. (2007)

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