Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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7055 Entscheidungen
Eine Boulevardzeitung berichtet über das Attentat auf die schwedische Außenministerin Anna Lindh. Ein Foto auf der Titelseite des Blattes zeigt, wie Frau Lindh kurz nach dem Anschlag medizinisch versorgt wird: Sie liegt mit geschlossenen Augen auf der Bahre eines Krankenwagens, wird künstlich beatmet und mit Messgeräten überwacht. Unter der Dachzeile „Der Mord an der schwedischen Außenministerin“ ist in das Foto der Vierzeiler „Hier stirbt Anna Lindh“ eingeklinkt. Im Text werden der Vorfall und sein tragischer Ausgang beschrieben. Dieselbe Darstellung findet sich auch im Online-Angebot der Zeitung. Die Aufmachung des Beitrags löst drei Beschwerden beim Deutschen Presserat aus. Der Referent für Philosophie und Ethik einer katholischen Akademie beklagt einen signifikanten Bruch der Publizistischen Grundsätze. Größe, Prominenz und Explizitheit der Schlagzeile forderten zusammengenommen Leser und Leserinnen auf, sich dem Bild und damit auch dem Sterben von Frau Lindh in einer Weise zuzuwenden, die trotz eines erkennbaren öffentlichen Interesses mit deren Würde nicht vereinbar sei: Wir sollen ihr beim Sterben zusehen. Ein weiterer Leser des Blattes moniert gleichfalls, dass Überschrift und Foto in menschenverachtender Weise suggerieren, Hinsehen sei legitim. Entsetzt über den hier dargebotenen Umgang mit einer Sterbenden beschwert sich auch ein Ehepaar. Pietät scheine für die Zeitung ein Fremdwort zu sein. Der Anwalt der Zeitung bekundet, zu keinem Zeitpunkt sei es das primäre Anliegen der Redaktion gewesen, das Sterben von Frau Lindh zu zeigen. Dies werde auch nicht durch die Überschrift suggeriert. Bekanntermaßen sei die Ministerin erst am nächsten Morgen gestorben. Die Zeitung informiere darüber, dass auf tragische Weise die Hoffnung, Frau Lindh könne das grausame Attentat doch noch überleben, am Morgen nach der Tat erloschen sei, und dass das Foto, das Frau Lindh zu einem Zeitpunkt zeigt, als alle Welt davon ausging, dass sie noch gerettet werden konnte, leider einen falschen Eindruck vermittele. Das Bild selbst zeige also keine sterbende Frau. Erst in der Nachschau sei klar geworden, das der Angriff zum Tod von Frau Lindh geführt habe. Die Überschrift stelle klar, Frau Lindh sei bereits zum Zeitpunkt des Abtransports in das Krankenhaus – wie sich erst im Nachhinein herausgestellt habe – so schwer verletzt gewesen, dass sie am nächsten Morgen ihren Verletzungen erlegen sei. Die Fotoveröffentlichung habe historische Bedeutung. (2003)
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Eine Lokalzeitung berichtet mehrmals über Querelen um die Errichtung einer Moschee am Ort und die Kandidatur des Beschwerdeführers für den Stadtrat. Er sieht in der Berichterstattung eine Kampagne gegen sich, die ihn in seiner Ehre verletzt. Zudem kritisiert er Falschdarstellungen. So werde beispielsweise die geplante Moschee mit der Formulierung „Ein Gebetshaus in der Größe eines Siedlerhauses“ kleingeredet. Tatsächlich solle das Zentrum 15 mal 15 Meter groß werden und eine Nutzfläche von 600 Quadratmetern haben. Auch kritisiert er die veröffentlichte Auffassung, dass „…die Kerngruppe der Moscheegegner als rechts einzuschätzen ist.“ Diese und andere in der Zeitung veröffentlichte Wertungen hätten den Charakter einer Hetzkampagne, die das Ziel hätte, ihn als nicht wählbar zu verunglimpfen. Der Kommunalpolitiker wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Redaktionsleitung der Zeitung antwortet mit einer Stellungnahme des Redakteurs, der die Vorgänge um die Moschee journalistisch begleitet. Die Beschwerde sei ein Mosaiksteinchen der Kampagne einer Bürgerinitiative gegen den Moscheebau. Er - der Autor – sei selbst Ziel der Kampagne. Seit über einem Jahr beschwere sich die Initiative bei jedem Artikel, der ihr missfalle, bei der Chefredaktion. Sie agiere mit Flugblättern und Anzeigen in anderen Blättern. Der Journalist teilt mit, seine Zeitung habe zahlreiche Leserbriefe der Bürgerinitiative veröffentlicht, die darin enthaltenen Beleidigungen und Unterstellungen jedoch gestrichen. Mehrfach habe die Redaktion Mitglieder der Initiative zu einem Interview eingeladen. Bereits festgelegte Termine seien jedoch abgesagt worden. (2001)
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„Es gibt neuen Ärger hinterm Maschendrahtzaun“ überschreibt eine Regionalzeitung ihren Bericht über einen Streit unter Nachbarn. In dem Beitrag werden alle Beteiligten mit vollem Namen genannt. Der Anwalt einer der beiden Parteien ist der Auffassung, dass durch die Nennung der vollen Namen das Persönlichkeitsrecht seiner Mandanten verletzt worden sei. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, der Rechtsstreit sei öffentlich vor dem Amtsgericht verhandelt worden. Die Autorin sei von einem der Prozessbeteiligten angerufen worden, der wissen wollte, was es mit den Fotos auf sich habe, die ein Fotograf der Zeitung im Gericht gemacht habe. Sie habe dem Anrufer keine Auskunft gegeben. Kurze Zeit später habe eine der Prozessbeteiligte in der Redaktion angerufen. Sie wollte wissen, was über den Fall in der Zeitung stehen werde, und hat sich auch zur Sache geäußert. Während dieses Gesprächs wurde die Anruferin davon in Kenntnis gesetzt, dass der Bericht mit voller Namensnennung erscheinen werde. Die Frau hat dem nicht ausdrücklich widersprochen. Die Chefredaktion teilt abschließend mit, dass die Zeitung aufgrund der Einwände der Beschwerdeführer in der weitergehenden Berichterstattung auf die Nennung der Namen verzichtet habe. (2002)
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Eine Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „Aussiedler steht wegen Mordes vor Gericht“ über einen mysteriösen Fenstersturz, der dem zuständigen Landgericht Rätsel aufgebe. Einem 40jährigen Mann werde vorgeworfen, unter Alkoholeinfluss seine Lebensgefährtin aus dem Fenster des fünften Stockwerks eines Wohnhauses gestoßen zu haben. Der Angeklagte streite die Tat ab. Zeugen hätten bestätigt, dass der Angeklagte immer dann aggressiv werde, wenn er Alkohol getrunken habe. So solle der aus Kirgisien stammende Aussiedler seine Lebensgefährtin bei anderer Gelegenheit mit einem Baseballschläger verletzt haben. Ein Leser der Zeitung sieht in der Veröffentlichung alle Aussiedler diskriminiert und teilt seine Bedenken dem Deutschen Presserat mit. Der Chefredakteur des Blattes wertet die Beschwerde als Kampagne. Die Haltung seines Blattes sei eindeutig und werde inzwischen auch von den Redaktionen zahlreicher renommierter Zeitungen und Magazine geteilt (2003)
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Ein Boulevardblatt informiert seine Leserinnen und Leser in Wort und Bild, dass gegen einen Volksschauspieler in der Region Strafanzeige wegen Ladendiebstahls erstattet worden ist. In der farbig hervorgehobenen Schlagzeile auf der Titelseite wird der volle Name des Betroffenen genannt. Ebenfalls auf der Titelseite, aber deutlich kleiner, wird die Aussage des Schauspielers hinzugefügt: „Meine Frau hat vergessen, zu bezahlen“. Im Textteil wird der Vorfall aus der Sicht aller Beteiligten detailliert geschildert. In der Erklärung des Beschuldigten heißt es, er habe schlicht vergessen, den Inhalt des einen von zwei Einkaufskörben zu bezahlen. In dem Beitrag ist auch ein Ausriss der Strafanzeige abgebildet, aus dem der Name des Schauspielers sowie der strafrechtliche Vorwurf hervorgehen. Am folgenden Tag veröffentlicht die Zeitung einen weiteren Beitrag mit der Schlagzeile, dass die Leser des Blattes Gnade für den Betroffenen fordern. Im Text des zweiten Artikels wird darüber berichtet, dass zahlreiche Leser die Erstattung der Strafanzeige für eine überzogene Reaktion des Supermarktleiters halten. Wie schon der ersten Veröffentlichung ist auch der zweiten ein großes Porträtfoto des Mannes beigestellt. Der Anwalt des Schauspielers beschwert sich beim Deutschen Presserat unter Hinweis auf Richtlinie 8.1, nach der es nicht zulässig ist, während eines laufenden Strafverfahrens Name und Foto eines Betroffenen zu veröffentlichen. Im vorliegenden Fall überwiege nicht das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Außerdem stelle diese Art der Berichterstattung eine Vorverurteilung dar. Schließlich sei auch die Abbildung der Strafanzeige unzulässig. Die Chefredaktion der Zeitung ist der Ansicht, dass der Schauspieler zumindest im Verbreitungsgebiet des Blattes eine relative Person der Zeitgeschichte ist. Der Betroffene werde in dem Artikel nicht vorverurteilt, da lediglich über den unbestrittenen Umstand berichtet werde, dass eine Anzeige wegen Ladendiebstahls erstattet worden sei. Dies werde durch den Ausriss aus der Strafanzeige noch untermauert. Dabei sei bewusst nur ein Teil der Strafanzeige gedruckt worden, um die persönlichen Daten des Schauspielers zu schützen und weitere Einzelheiten des Tathergangs nicht einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auf Grund des großen Leserzuspruchs habe man das Thema am folgenden Tag noch einmal aufgegriffen. Der von dem Beschwerdeführer geäußerte Vorwurf, das Wort „Gnade“ sei nur in Verbindung mit einer strafrechtlich belegten Schuld zulässig, sei abwegig. Der Volksmund verstehe „Gnade“ in einem viel größeren Zusammenhang. (2002)
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„In vielen Pflegeheimen in Deutschland verwahrlosen und verenden alte Menschen – darüber sind sich die meisten Experten einig“. Diese Passage steht in einem Artikel, den eine Regionalzeitung unter der Überschrift „Hölle Altenheim“ veröffentlicht. Der Beitrag enthält weitere, äußerst kritische Aussagen von diversen Experten. Das Diakonische Werk des betreffenden Bundeslandes ist der Ansicht, dass mit der Berichterstattung unbegründete Befürchtungen geweckt würden, da sie sehr einseitig sei. Zudem würde das Pflegepersonal diskriminiert und in seiner Ehre verletzt. Es ruft den Deutschen Presserat an. Die Chefredaktion der Zeitung ist der Meinung, sie sei von der Beschwerde nicht betroffen, da der Artikel von einer Nachrichtenagentur stamme. Es würde Sinn und Zweck von Agenturen in Frage stellen, wenn die Zeitungen gezwungen wären, deren Berichte im Detail zu überprüfen und nachzurecherchieren. (2001)
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Aquarien – vor allem solche von beeindruckender Größe – werden immer beliebter. Eine Regionalzeitung veröffentlicht eine Seite über dieses Thema unter der Überschrift „Fisch for fun“. In dem Artikel wird ausführlich ein Soziologe zitiert. Der Beschwerdeführer, ein Journalist, schickt einen Leserbrief aus der Fachzeitschrift des Verbandes Deutscher Vereine für Aquarien- und Terrarienkunde an den Deutschen Presserat. Darin schildert eine an Aquarienkunde interessierte Leserin ihre Bemühungen, mit dem Soziologen Kontakt aufzunehmen. Hartnäckig unternimmt sie immer neue Anläufe, bleibt aber erfolglos. Schließlich kommt sie zur der Ansicht, dass der Artikel vom Autor frei erfunden worden sei. Der Beschwerdeführer, der den Deutschen Presserat anruft, teilt mit, dass ihn der Inhalt des Leserbriefes sehr irritiert habe. Der Artikel sei mieser Journalismus. Die Chefredaktion der Zeitung übersendet eine Stellungnahme des Autors. Der sagt, er habe sich sehr bemüht, der Leserin Adresse und Rufnummer des Soziologen zu beschaffen. Der jedoch sei für einige Jahre nach Amerika gegangen. Anschrift und Telefonnummer seien unbekannt. Das habe er der mehrmals anrufenden Leserbriefschreiberin auch gesagt. Wenn diese nun behaupte, der Artikel sei frei erfunden, könne er das nicht nachvollziehen. Es gebe in dem Beitrag, der in 20 Zeitungen erschienen sei, genug nachprüfbare Zitate, Fakten und Fotos. (2001)
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Es sei eine Szene wie aus einem schlechten Horrorfilm gewesen, schreibt eine Regionalzeitung im Vorspann eines Gerichtsberichts: Ein Mann wird in der Nacht von einem Pärchen in seiner Wohnung überfallen und mit glühendem Besteck gefoltert. Das Motiv: Geld. Die Beute: jämmerliche 50 Mark. Jetzt steht der Mann vor Gericht, ist des schweren Raubes angeklagt. Seine Komplizin, heißt es zum Schluss des Berichts, habe sich der irdischen Gerechtigkeit entzogen. Sie sei bereits wenige Monate nach der Tat als Drogentote in die Kriminalstatistik eingegangen. Eine Leserin findet die Passage über die Frau zynisch und menschenverachtend. Sie schreibt dem Deutschen Presserat, dass sie die Formulierung für eine Vorverurteilung halte. Die Chefredaktion der Zeitung räumt ein, dass die Formulierung in der Tat nicht glücklich sei und durchaus als zynisch angesehen werden könne. Den Vorwurf einer Vorverurteilung weist sie jedoch zurück, weil ausdrücklich auf das Ergebnis der Ermittlungen verwiesen werde. (2002)
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