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Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

 

Entscheidungsjahr
6617 Entscheidungen

Zeitung lädt „König von Deutschland“ zu Theaterstück über sein „Königreich“ ein

Eine Boulevardzeitung berichtet über die Vorpremiere eines Theaterstücks namens „König von Deutschland“, bei dem es um den „Reichsbürger“ Peter F. geht. Zu der Aufführung sei plötzlich auch F. erschienen. Die Vorstellung sei unterbrochen und der selbsternannte „König von Deutschland“ des Hauses verwiesen worden. Die Zeitung zeigt dazu ein Foto von F. - Der Beschwerdeführer wirft der Redaktion Unwahrhaftigkeit vor und beruft sich dabei auf die Berichterstattung eines Internetportals. Demnach soll der Reporter selber die Eintrittskarten für F. und seine Begleiterin gekauft haben. Das hätte die Zeitung erwähnen müssen, etwa durch einen Transparenzhinweis am Ende des Beitrags. Zudem habe der Reporter während der laufenden Aufführung den Saal verlassen, um den verspätet eintreffenden F. vor der Tür zu begrüßen. Ferner habe im Theater fotografiert und gefilmt, obwohl ihm dies ausdrücklich verboten worden sei. Außerdem habe die Zeitung nicht erwähnt, dass F. ein einschlägig vorbestrafter Betrüger sei, dass er gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agiere und dass die Finanzaufsichtsbehörde BaFin ein großes Verfahren gegen ihn und seine Mittäter führe. Der durchschnittlich verständige Leser erhalte den Eindruck, es handele sich bei F. um einen normalen Bürger anstatt eines Verfassungsfeindes und Betrügers. - Die Zeitung nimmt keine Stellung zu der Beschwerde. - Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus, weil hier ein schwerer Verstoß gegen das Gebot zur Wahrhaftigkeit aus Ziffer 1 des Pressekodex vorliegt. Die Redaktion hat die Berichterstattung maßgeblich selbst beeinflusst und die Nachrichtenlage somit selbst geschaffen. Ein solches Vorgehen ist mit dem Wahrhaftigkeitsgebot unvereinbar und kann die Glaubwürdigkeit und das Ansehen der Presse insgesamt massiv beschädigen. Zumindest hätte der Leserschaft das Vorgehen der Redaktion und deren aktive Rolle bei der Berichterstattung offengelegt werden müssen.

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Intime Details über Pflegekind veröffentlicht

Eine Autorin eines Nachrichtenmagazins berichtet online über ihre Suche nach ihrem Pflegebruder, den die Eltern Ende der 1980er Jahre als Waisenkind aufgenommen hatten und der Mitte der 1990er Jahre in ein Heim gekommen war. Danach sei er verschwunden. Der Artikel schildert auch den Rassismus, mit dem der aus Eritrea stammende Junge damals konfrontiert worden sei. Zudem beschreibt die Autorin private bis intime Details über das Zusammenleben mit ihm. Die Redaktion nennt seinen Vornamen und den abgekürzten Nachnamen und zeigt mehrere unverpixelte Kindheitsfotos. - Die Beschwerdeführerin sieht in dem Artikel eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Der Pflegebruder habe der Veröffentlichung der Fotos nicht zugestimmt und sei auch keine Person der Zeitgeschichte. Die Abbildungen seien auch nicht damit zu rechtfertigen, dass anhand seiner Geschichte exemplarisch das Thema „Rassismus“ behandelt werde. Anderenfalls wären alle Angehörigen einer marginalisierten Gruppe, zum Beispiel Rollstuhlfahrer, ohne Recht am eigenen Bild und könnten beliebig im Foto gezeigt werden. Zudem habe die Autorin sehr persönliche und ehrverletzende Details über den Jungen veröffentlicht. - Der Verlag entgegnet, es gehe hier nicht um die Instrumentalisierung einer beliebigen Person aus einer marginalisierten Gruppe für eine Berichterstattung, sondern um die Suche einer Pflegefamilie nach ihrem Pflegekind, das seit etwa 27 Jahren vermisst werde. Eingebettet werde dieses persönliche Thema in eine Reflektion über Alltagsrassismus. Gerade dieses zeitgeschichtlich bedeutsame Thema werde von der Autorin anhand des persönlichen Schicksals ernsthaft und sachbezogen erörtert. Weil der Betroffene verschollen sei, habe die Redaktion ihn nicht um sein Einverständnis bitten können. Dies aber könne keinen Zwang zur Anonymisierung begründen, denn dann hätte die Pflegefamilie keine Chance, ihn wiederzufinden. Im Übrigen handele es sich um jahrzehntealte Kindheitsbilder, auf denen niemand außerhalb seines damaligen Umfelds ihn wiedererkennen könne. - Der Beschwerdeausschuss sieht in der Berichterstattung einen erheblichen Verstoß gegen den Persönlichkeitsschutz nach Ziffer 8 des Pressekodex und spricht eine öffentliche Rüge aus. Problematisch sind die Passagen zur Gefühls- und Gedankenwelt des Jungen, etwa über sein nächtliches Weinen oder auch darüber, dass er mit dem Gesetz in Konflikt kam. Zudem beschreibt die Autorin Details aus der Intimsphäre des Jungen. Diese Schilderungen sind nicht vom öffentlichen Interesse gedeckt, sondern verletzen den Persönlichkeitsschutz des Betroffenen. Sie hätten ohne seine Einwilligung nicht veröffentlicht werden dürfen. Keine Einwände hat der Beschwerdeausschuss aber gegen die Kindheitsfotos, denn der mittlerweile Erwachsene ist auf ihnen höchstwahrscheinlich nicht mehr erkennbar.

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Auch Verleger müssen Quellenschutz beachten

Eine Tageszeitung veröffentlicht online eine Stellungnahme ihres Chefredakteurs zu einem Vorgang, der den Verleger der Zeitung betrifft. Bei diesem hatte sich eine entlassene Führungskraft aus einem Konkurrenzverlag gemeldet, um ihm interne Informationen über diesen Verlag und ihren Vorstandschef zukommen zu lassen. Damit wollte sich der Informant vom Vorwurf des Machtmissbrauchs entlasten, mit dem seine Entlassung begründet worden war. Der Verleger als Empfänger der Dokumente informierte daraufhin den Konkurrenzverlag über das Vorgehen des Entlassenen. Als dies publik wurde und dem Verleger öffentlich die Missachtung des Quellenschutzes vorgeworfen wurde, äußerte sich auch sein Chefredakteur: Auch er habe die Dokumente des (von ihm namentlich genannten) Informanten angeboten bekommen. Er habe eine Berichterstattung aus journalistischen Gründen abgelehnt. Unabhängig davon habe sein Verleger den Konkurrenzverlag über die Kontaktaufnahme des Informanten unterrichtet, „um seinen unternehmerischen Standards zu entsprechen – professionellen Standards, deren Einhaltung er sich auch von anderen Verlagen erhofft und die in anderen Industrien als selbstverständlich gelten“. Die unternehmerische und die redaktionelle Perspektive seien in diesem Fall also verschieden. Die Redaktion „bietet Quellenschutz, unabhängig davon, wer die Quelle ist“. - Über den Vorgang beschweren sich drei Personen beim Presserat. Ein Beschwerdeführer meint, die Stellungnahme des Chefredakteurs verletze den Quellenschutz, weil darin der Name des Informanten genannt wurde. Die beiden weiteren Beschwerdeführenden kritisieren nicht den Artikel des Chefredakteurs, sondern das Vorgehen des Verlegers. Er stehe unter dem Verdacht, einen Informanten an seinen früheren Arbeitgeber verraten zu haben. In Zeiten, in denen immer häufiger von „Lügenpresse“ die Rede sei und die Medien insgesamt unter Druck stünden, müssten sich Informanten und Informantinnen darauf verlassen können, von Medienhäusern nicht denunziert und verraten zu werden. Anderenfalls müssten die Verlage damit rechnen, dass sich keine Informanten mehr bei ihnen meldeten. - Der Verlag entgegnet, dass der Informant sein Material ungefragt übermittelt und keine Vertraulichkeit vereinbart habe. Auf einen solchen Fall der aufgedrängten Information sei die im Pressekodex verankerte Pflicht zur Vertraulichkeit nicht anwendbar. Die Beschwerden gegen den Verleger bezögen sich nicht auf die publizistische Tätigkeit des Verlages, sondern richteten sich gegen eine davon unabhängige Handlung dessen Eigentümers. Er sei kein Journalist. Sein Verhalten unterliege nicht der freiwilligen Selbstkontrolle der Presse. Er sei zudem auch in anderen Geschäftsfeldern tätig, die zum Teil der deutschen Finanzaufsicht und der US-Börsenaufsicht unterlägen. In diesen Bereichen gebe es einzuhaltende Richtlinien für den Umgang mit zugespielten Daten, erst recht, wenn diese rechtswidrig erlangt und über Unternehmenskanäle eingegangen seien. – Der Beschwerdeausschuss sieht im Vorgehen des Verlegers eine schwere Verletzung des Informantenschutzes nach Ziffer 5 des Pressekodex und spricht deshalb eine öffentliche Rüge aus. Auch ein Verleger ist Teil der Presse, unabhängig davon, ob er noch weitere unternehmerische Funktionen innehat. Unbeachtlich ist dabei, ob der Informantenschutz ausdrücklich vereinbart wurde. Denn in Ziffer 5 heißt es: „Die Presse wahrt das Berufsgeheimnis, macht vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und gibt Informanten ohne deren ausdrückliche Zustimmung nicht preis.“ Für diese Regel gibt es nur wenige Ausnahmen, etwa bei einer Gefährdung der verfassungsmäßigen Ordnung. Der Beschwerdeausschuss betont, dass der Schutz von Informanten ein zentraler Bestandteil der Pressefreiheit ist. Können sich Hinweisgeber darauf nicht verlassen, werden das Vertrauen in die Presse und deren Glaubwürdigkeit insgesamt beschädigt. Unbegründet ist aber die Beschwerde über die Stellungnahme des Chefredakteurs, in der er über die Preisgabe des Informanten durch den Verleger berichtete. Wer dieser Hinweisgeber war, war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits bekannt. Im Gegensatz zum Verleger hat die Redaktion also nicht den Informantenschutz verletzt.

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Mordopfer unverpixelt im Foto gezeigt

„Hat der Fitness-Studio-Angreifer schon einmal gemordet?" Unter diesem Titel schreibt eine Boulevardzeitung über einen Tatverdächtigen, der in einem Fitnessstudio vier Männer mit einem Messer angegriffen haben soll. Die Polizei prüfe nun Verbindungen zu einem Messermord an Ostern, bei dem ein Unbekannter einem 35-Jährigen mehrfach ein Messer in den Bauch gerammt habe. Der wegen der Fitnessstudio-Attacke tatverdächtige Syrer wohne nur 200 Meter vom Tatort der Oster-Attacke entfernt. In beiden Fällen handele es sich offenbar nur um Zufallsopfer. Der mutmaßliche Täter und der an Ostern Erstochene werden mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen genannt, außerdem beide auf Fotos gezeigt: das Angriffsopfer zu Lebzeiten unverpixelt von vorn, der Tatverdächtige im Profil mit einem kleinen Balken über der Augenpartie. - Der Beschwerdeführer sieht in den Fotos und der Namensnennung Verstöße gegen den Persönlichkeitsschutz und in der Bezeichnung „Fitness-Studio-Angreifer" eine mutmaßliche Vorverurteilung. - Die Zeitung macht von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch. - Der Beschwerdeausschuss bejaht einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex, wonach Opfer besonders geschützt werden. Die Veröffentlichung des unverpixelten Fotos des Mordopfers verletzt dessen Persönlichkeitsschutz. Nur, weil jemand Opfer eines Verbrechens wird, darf er nicht automatisch identifizierend in der Presse gezeigt werden. Deshalb spricht der Ausschuss einstimmig eine öffentliche Rüge aus. Beim Foto des Tatverdächtigen sind sich die Ausschussmitglieder uneinig, ob er dadurch identifizierbar ist. Im Ergebnis wird eine Verletzung von dessen Persönlichkeitsschutz verneint. Außerdem erkennt der Ausschuss keinen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung nach Ziffer 13. Die Zeitung hat die presseethisch zulässige Form der Verdachtsberichterstattung gewahrt.

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Auch verpixelte Missbrauchsfotos transportieren die Täterperspektive

Eine Tageszeitung berichtet über die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen eines namentlich genannten, inzwischen verstorbenen Priesters. Der Beitrag ist mit Nacktfotos von Opfern bebildert, die aus dem Archiv des Priesters stammen und von der Redaktion in Form eines Filmstreifens angeordnet wurden. Die Gesichter und andere Körperteile sind verpixelt. In der Bildunterschrift schreibt die Zeitung, ihr liege deutlich umfangreicheres und drastischeres Material vor. Vor allem aus Rücksicht auf die mutmaßlichen Opfer zeige die Redaktion nur einen kleinen und vergleichsweise harmlosen Ausschnitt des aufgefundenen Materials. „Es deutet auf ebenso eindeutige wie massive Weise auf jahrzehntelangen Missbrauch hin.“ – Der Beschwerdeführer hält allein den Artikel für anschaulich und drastisch genug, um das Geschehen einzuordnen. Die Fotos der jungen Opfer seien nicht notwendig. Die Abgebildeten seien vermutlich nicht um ihr Einverständnis gebeten worden, und der Beschwerdeführer fragt, was der Blick in die Zeitung bei ihnen wohl auslöse. - Der Chefredakteur äußert sein Verständnis darüber, dass die Berichterstattung tief reichende Emotionen ausgelöst habe. Die Redaktion habe erst nach gründlicher Abwägung entschieden, die sehr kleine und „harmlose“ Auswahl des aufgefundenen Materials zu veröffentlichen. Der Fall des Priesters sei in jeder Hinsicht beispiellos. Hier habe jemand nicht nur über Jahrzehnte Missbrauch betrieben, er habe ihn auch lückenlos dokumentiert und den Opfern dadurch eine zusätzliche Demütigung zugefügt. Außerdem werde die Aufklärung solcher Fälle deutlich gründlicher und energischer betrieben, wenn die Opfer ein Gesicht bekämen (wenn auch verpixelt). Ohne solche Berichte, die zum Auftrag der Presse gehörten, würde der Mantel des Schweigens seine fatale Wirkung weiterhin sehr viel ungestörter entfalten können. Im Übrigen habe sich bislang keines der Opfer bei der Redaktion beschwert. Dies sei kein alleiniger Maßstab, zeige aber, dass die Redaktion hier in Abwägung aller Details einen schmalen Grat offensichtlich richtig getroffen habe. – Der Beschwerdeausschuss spricht einstimmig eine öffentliche Rüge aus. Grundsätzlich besteht an diesem jahrlangen Missbrauch und dem kirchlichen Umgang damit ein großes öffentliches Interesse. Gegen die Text-Berichterstattung bestehen aus Sicht des Ausschusses keinerlei presseethische Bedenken. Ausschlaggebend für den ethischen Verstoß ist die Fotostrecke. Sie zeigt verschiedene Opfer, zum Teil auch mit dem Täter, in übergriffigen, demütigenden und mutmaßlich strafrechtlich relevanten Situationen. Die Fotos stammen aus der Sammlung des Täters und zeigen somit die Täterperspektive. Auch die grafische Einbettung der Fotos in einen „Filmstreifen“ trägt zu dieser Sichtweise bei. Diese Darstellung geht über das öffentliche Informationsinteresse hinaus und überschreitet die Grenze zu einer unangemessen sensationellen Darstellung nach Ziffer 11 des Pressekodex. Die Opfer erfahren durch die Veröffentlichung zusätzliches Leid, und die Darstellung würdigt sie herab. Der Beschwerdeausschuss erkennt an, dass die Redaktion zu dokumentarischen Zwecken eine Auswahl der vergleichsweise weniger drastischen Fotos getroffen hat. Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch die ausgewählten Fotos die Täterperspektive transportieren und es sich um Material handelt, das durch schwere Straftaten an Jugendlichen hervorgebracht wurde. Trotz der Verpixelung liegt auch ein Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 vor. Denn die Fotos greifen in die Intimsphäre der abgebildeten Opfer ein. Sie erkennen sich möglicherweise wieder und werden so nach Jahren und mutmaßlich ungewollt erneut mit den Taten konfrontiert.

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Michael Schumacher zu Irreführung der Leserschaft missbraucht

Eine Illustrierte titelt online: „Michael Schumacher: Jetzt packt sein einstiger Weggefährte aus“. Bebildert ist der Artikel mit einem Porträtfoto von Schumacher. Dieser habe eine sagenhafte Formel-1-Karriere hinter sich, beginnt der Artikel. Auch sein Kollege Lewis Hamilton gelte als absolutes Ausnahmetalent. „Doch nicht alle scheinen den 38-Jährigen sympathisch zu finden“, heißt es weiter über Hamilton. Schumachers ehemaliger Weggefährte Joan Villadelprat teile in einer spanischen Online-Zeitung heftig gegen Hamilton aus. Im weiteren Artikel geht es um die Kommentare Villadelprats über Hamilton und über einen weiteren Rennfahrer. - Der Beschwerdeführer hält die Aufmachung des Berichts für reine Sensationsberichterstattung und Clickbait (Lockmittel zum Anklicken des Artikels). Michael Schuhmacher werde nur als Symbolbild genutzt. Die eigentliche Nachricht habe nichts mit ihm zu tun. - Der Verlag weist auf die Unterzeile der Überschrift hin: „Michael Schumachers ehemaliger Weggefährte kann seine Formel-1-Kritik einfach nicht mehr zurückhalten...“. Der unvoreingenommene und verständige Durchschnittsleser erfahre mithin sofort, dass es in dem Artikel um eine Kritik an der Formel 1 gehe. Wer genau was und wen kritisiere, bleibe an dieser Stelle zwar noch offen, werde aber sogleich präzisiert: Es handele sich um den ehemaligen Formel-1-Manager Joan Villadelprat, der mit Schumacher zwei Weltmeistertitel gewann. In dem Artikel werde die von Villadelprat jüngst geäußerte Kritik an Hamilton wiedergegeben. Hamilton und Schumacher verbinde, dass sie beide mehrfach die Formel 1 gewannen und sie beide wohl zu den erfolgreichsten Rennfahrern aller Zeiten gehörten. Diese Gemeinsamkeit stelle die Redaktion der Berichterstattung voran; dies geschehe im Rahmen der Gestaltungsfreiheit, die durch das Grundrecht auf Pressefreiheit garantiert sei. Die Berichterstattung sei wahrheitsgemäß, an ihr bestehe ein überragendes öffentliches Interesse. Sie enthalte auch keine unangemessen sensationelle Darstellung, die einen Menschen zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabwürdige. - Der Beschwerdeausschuss spricht einstimmig eine öffentliche Rüge aus. Unter der Überschrift „Michael Schumacher: Ein ehemaliger Weggefährte packt aus” erwartet die Leserschaft einen Bericht über Schumacher. Das beigefügte Foto von Schumacher verstärkt diese Erwartung noch. Im Artikel geht es jedoch um die Kritik von Villadelprat an Hamilton. Der unzureichende Bezug zwischen Überschrift und Gegenstand des Textes ist eine übertrieben sensationelle Berichterstattung nach Ziffer 11 und eine schwerwiegende Irreführung der Leserschaft nach Ziffer 1 des Pressekodex. Die fehlgeleitete Erwartung ist dazu geeignet, die Glaubwürdigkeit der Presse in Frage zu stellen.

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Lesertäuschung mit erfundenem Schumacher-Interview

Eine Boulevardzeitschrift kündigt auf ihrer Titelseite eine „Welt-Sensation“ an: „Michael Schumacher: Das erste Interview!“ ++ Es klingt täuschend echt ++ Was dahinter steckt“. Im Vorspann des Artikels heißt es: „In seinem Interview steht er zum ersten Mal seit seinem schweren Ski-Unfall Rede und Antwort. Aber – ist das wirklich unser Schumi, der da spricht?“ Der Beitrag beginnt mit den Worten: „Einmal mit ihm reden. Ihn fragen, wie es ihm wirklich geht. Und fast zehn Jahre nach seinem tragischen Ski-Unfall endlich Antworten bekommen!“ Hier sei es – das „unglaubliche Interview“. Mit „erlösenden Antworten auf die brennendsten Fragen, die sich die ganze Welt schon so lange stellt“. So laute die Antwort auf die Frage, wie es ihm seit dem tragischen Unfall 2014 gehe: „Mein Leben hat sich danach komplett verändert. Das war eine schreckliche Zeit für meine Frau, meine Kinder.“ Erst im letzten Drittel des Textes heißt es dann: „Hat Michael Schumacher wirklich alles selbst so gesagt? Das Interview war im Internet. Auf einer Seite, die mit Künstlicher Intelligenz, kurz KI genannt, zu tun hat.“ Die Redaktion sei auf Spurensuche gegangen. Es gebe „tatsächlich Internet-Seiten, auf denen man Gespräche mit Prominenten führen kann“. Die Antworten gebe aber die KI auf der Basis von Informationen, die jemand im Internet eingegeben habe. Sei es am Ende wirklich Schumi selbst gewesen, der aus dem Krankenbett die Informationen eintippte? Oder Angehörige, Pfleger oder Angestellte? - Fünf Personen beschweren sich darüber, dass die Zeitschrift den Anschein eines echten Interviews erwecke, auch wenn sie Hinweise auf ein KI-generiertes Gespräch gebe. Äußerst unethisch sei es, auf diese Weise Kapital aus der Prominenz einer mutmaßlich unheilbar kranken Person schlagen zu wollen. Ein Beschwerdeführer findet, dies sei das Geschmackloseste, das er seit Jahren in der Presse gelesen habe. Es müsse absolut verletzend für die Familie sein und auch respektlos gegenüber einem wehrlosen Kranken. Für Menschen, die sich die Zeitschrift nur wegen der Titelblatt-Schlagzeile gekauft hätten, sei dies mindestens arglistige Täuschung. Ein anderer Beschwerdeführer kritisiert zudem, dass die Redaktion fälschlich von einem „Interview“ spreche. – Die Zeitschrift weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass die Berichterstattung auch in der Redaktion und der Verlagsspitze heftige Diskussionen ausgelöst und zu harten Konsequenzen geführt habe. Die Chefredakteurin sei von ihren Aufgaben entbunden worden. Der Verlag habe öffentlich und in einem persönlichen Schreiben an die Familie Schumacher um Entschuldigung gebeten. „Dieser geschmacklose und irreführende Artikel hätte nie erscheinen dürfen.“ Er sei presseethisch nicht hinnehmbar, sowohl wegen des Missbrauchs von Schumacher als Verkaufsargument als auch wegen der Machart und des Inhalts. In keiner Weise entspreche er den journalistischen Standards, die die Leserschaft erwarte. Auch die Redaktion stehe vollkommen hinter der Erklärung des Verlages, und ohne jede Frage werde es eine vergleichbare Veröffentlichung nicht mehr geben. - Der Beschwerdeausschuss spricht einstimmig eine öffentliche Rüge aus, denn hier liegt eine schwere Irreführung der Leserschaft und damit ein Verstoß gegen das Wahrhaftigkeitsgebot nach Pressekodex-Ziffer 1 vor. Den Leserinnen und Lesern wird suggeriert, dass es sich tatsächlich um das erste Interview mit Schumacher handelt. Erst im letzten Drittel informiert die Redaktion deutlich darüber, dass die angeblichen Antworten von einer KI stammen. Das Vorgehen der Zeitschrift ist zudem geeignet, die Glaubwürdigkeit der Presse zu schädigen. Außerdem wird die Würde Michael Schumachers verletzt.

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Strittige Vorwürfe gegen Rapper als Tatsache hingestellt

Eine Boulevardzeitung berichtet online über schwere Vorwürfe gegen den Rapper Marteria. Die Überschrift lautet: „Musiker hatte seine Ex-Freundin gewürgt – Marteria kommt mit blauem Auge davon“. Im Text heißt es, der Rapper solle in den USA bei einem Streit mit seiner Ex-Freundin handgreiflich geworden sein. Er müsse sich jedoch keinem Prozess in den USA stellen, da die Staatsanwaltschaft den Fall nicht weiterverfolge. Er sei gegen eine Kaution von 5000 Dollar freigelassen worden. - Der Beschwerdeführer sieht in der Berichterstattung unter anderem Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht, den Persönlichkeitsschutz und die Unschuldsvermutung. Er beruft sich dabei auch auf einen Beschluss des Landgerichts Berlin, das der Redaktion untersagt habe, über die angeblichen Vorwürfe einer konkreten Tätlichkeit des Rappers zu berichten. Außerdem sei keine Kaution gezahlt worden. – Die Redaktion macht keinen Gebrauch von ihrer Gelegenheit zur Stellungnahme. - Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus. Denn der strittige Sachverhalt, ob es überhaupt einen körperlichen Angriff gab, wird in der Überschrift als Tatsache dargestellt. Durch die prominente Positionierung des Vorwurfs in Kombination mit einem Foto des Rappers wird er als Täter hingestellt. Dies verletzt die Unschuldsvermutung nach Ziffer 13 des Pressekodex. Ferner enthält der Beitrag die Falschbehauptung, der Musiker sei gegen eine Kaution freigelassen worden. Diese Darstellung verstößt gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2.

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Unangemessene Angst vor den Folgen von AKW-Abschaltung geschürt

Unter der Überschrift „Eilmeldung der Notfall-Vorsorge-Beratung Schleißheim" (NVBS) veröffentlicht ein Anzeigenwochenblatt wortwörtlich eine Pressemitteilung der NVBS mit einer Warnung vor den angeblichen Folgen der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke. Mit der Stilllegung drohe ein Blackout wie nie zuvor: „kein Strom, Heizung, Telefon/Handy/Internet und spätestens nach ein paar Tagen auch kein Leitungs-Wasser mehr. Geldautomaten geben kein Geld, Polizei und Feuerwehr sind nicht mehr erreichbar und eh hoffnungslos überfordert. Läden bleiben geschlossen – es gibt keine Lebensmittel und Wasser mehr zu kaufen!“ In dem Artikel wird geraten, Vorräte für mindestens zehn Tage anzulegen. „Sie haben nur noch wenige Tage zum Einkaufen und Vorsorgen. Der Staat kann Ihnen, wenn es soweit ist, nicht helfen!“ - Die Beschwerdeführerin sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen die Wahrhaftigkeits- und die Sorgfaltspflicht. Durch die Abschaltung der letzten drei deutschen AKWs drohe kein Blackout. Die Behauptung, dass der Staat nicht helfen könne, sei in ihrer Pauschalität unwahr. So seien bereits heute kritische Infrastrukturen gesetzlich verpflichtet, sich auf ein Blackout-Szenario vorzubereiten. Auch Staat und Kommunen seien auf einen Krisenfall vorbereitet. - Der Verlag beruft sich darauf, dass es sich um eine eingesandte Mitteilung handele und dass die Verantwortung dafür allein bei deren Verfasser liege, wie dem Impressum der Zeitung zu entnehmen sei. Eine Redaktionsmitarbeiterin habe die Existenz der Vereinigung und ihrer Website überprüft, ebenso die Richtigkeit ihrer Beratungstelefonnummer. Außerdem habe sie mit dem Bürgermeister über die Vereinigung gesprochen; er habe diesen Text bereits aus Facebook gekannt. Sollte die Beschwerdeführerin Probleme mit dem Inhalt haben, müsse sie gegen die Vereinigung statt gegen die Zeitung vorgehen. - Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus. Nach Ziffer 1 des Pressekodex sind unbearbeitet übernommene Pressemitteilungen als solche zu kennzeichnen. Die Bezeichnung als „Eilmeldung“ reiche dafür nicht aus. Außerdem verletzt die Veröffentlichung die journalistische Sorgfalt nach Ziffer 2. Denn verschiedene Tatsachenbehauptungen in dem Artikel sind in ihrer Pauschalität nicht zutreffend. Das vorangegangene Gespräch mit dem Bürgermeister stellt keine ausreichende Recherche dar, da er im Hinblick auf einen nationalen Katastrophenfall keine privilegierte Quelle ist. Vielmehr hätte es die Sorgfalt geboten, den Sachverhalt bei mindestens einer weiteren Quelle nachzurecherchieren. Die Zeitung kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie laut Impressum keine inhaltliche Verantwortung für namentlich gekennzeichnete Beiträge übernimmt. Sowohl presseethisch als auch presserechtlich trägt der Verlag für alle Veröffentlichungen im redaktionellen Bereich die volle Verantwortung. Der Beschwerdeausschuss rügt auch die gewählte Art der Darstellung: Sie ist unangemessen sensationell im Sinne von Ziffer 11. Der Beitrag vermittelt den so nicht zutreffenden Eindruck, es bestünde eine sehr wahrscheinliche Gefahr eines großflächigen und langfristigen Blackouts, bei dem die Bevölkerung auf keine Hilfe von staatlichen Stellen hoffen könne. Durch diese unangemessen sensationelle Darstellung von drohendem Leid kann der Artikel unbegründete Ängste schüren.

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Nach Familiendrama Täterin und Opfer identifizierbar dargestellt

Eine Boulevardzeitung berichtet zweimal online über eine Apothekerin, die ihre beiden jugendlichen Kinder umgebracht haben soll und sich danach selbst das Leben nahm. Die Tatverdächtige wird mit ihrem Vornamen, abgekürzten Nachnamen, Beruf und Alter bezeichnet und auf einem Foto mit schmalem Augenbalken gezeigt. Die getöteten Kinder werden mit Vornamen erwähnt und stark verpixelt abgebildet. Das Foto eines der beiden Opfer wurde offenbar aus seinem Instagram-Auftritt übernommen und zeigt im Urhebervermerk auch den Familiennamen. Abgebildet wird zudem das Haus der Familie samt Hausnummer. - Der Beschwerdeführer kritisiert vor allem, dass die Zeitung die Kinder im Foto gezeigt und ihre Vornamen veröffentlicht habe. Damit seien eindeutig die postmortalen Persönlichkeitsrechte verletzt worden. Das gelte auch für die Verwendung des Fotos aus dem Berufsnetzwerk der Mutter. - Die Zeitung macht von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch. -

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