Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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7055 Entscheidungen
n einer deutschen Mittelstadt steht eine Schule mit einem dreißig Jahre alten Pavillon, in dem Schüler unterrichtet werden. Der Bauzustand ist nicht mehr zeitgemäß. Der Schimmelpilz treibt sein Unwesen. Es stinkt. Das wollte eine Lehrerin nicht länger hinnehmen. Sie sei schwer behindert und schon deshalb sei ihr die Arbeit in einem nach Schimmelpilz riechenden Raum nicht zumutbar. Die örtliche Zeitung berichtet, dass die Lehrerin nun in einem anderen Raum unterrichte und dass sie „gravierende gesundheitliche Probleme“ habe. Das wollte die Lehrerin so nicht stehen lassen. Sie fühlt sich durch die Veröffentlichung diskriminiert und damit unmittelbar in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Schwer behindert zu sein habe nichts mit gravierenden Gesundheitsproblemen zu tun, stellt sie in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat fest. Der Redaktionsleiter steht auf dem Standpunkt, der Raumwechsel sei auf Betreiben und zum gesundheitlichen Schutz der Lehrerin, nicht der ihr anvertrauten Kinder, erfolgt. Deshalb habe er in dem Artikel bewusst formuliert, dass der Raumwechsel auf Betreiben der Lehrerin „mit gravierenden gesundheitlichen Problemen“ zustande gekommen sei. Nur durch diesen Hinweis werde die Anweisung der Bezirksregierung zu diesem Raumwechsel für den Leser verständlich. Ohne ihn hätte kein Leser verstanden, warum der Lehrerin das Unterrichten in dem Pavillon nicht zuzumuten sei, für die Kinder aber offenbar keine gesundheitliche Beeinträchtigung vorgelegen habe. (2002)
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Klinik-Abrechnungen mit Krankenkassen streifen zuweilen Grauzonen. So auch in einem deutschen Krankenhaus, in dem häufig Hüftoperationen vorgenommen und abgerechnet werden. Es stellte sich heraus, dass bei den Abrechnungen fünf Jahre lang „Unstimmigkeiten“ vorgekommen waren. Der Chefarzt wurde bis zur Klärung beurlaubt. Die örtliche Zeitung schrieb im überregionalen Teil „Chefarzt gefeuert“ und – noch wesentlich größer – im Lokalteil „Chefarzt wurde beurlaubt“. Darauf reagierte der örtliche Rotary-Club im Namen seines Mitgliedes mit einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Von Feuern könne überhaupt keine Rede sein; der Chefarzt sei vorübergehend beurlaubt worden und sei nach Klärung des Falles in die Klinik zurückgekehrt. Der Begriff „Feuern“ hätte nach allgemeinem Wortverständnis eine unehrenhafte Entlassung bedeutet. Die Chefredaktion der Zeitung stellt sich auf den Standpunkt, bei dem beanstandeten Artikel habe es sich nicht – wie behauptet – um investigativen Journalismus gehandelt, sondern um Berichte über Vorgänge am Klinikum. Nicht die Zeitung habe den Chefarzt vom Dienst suspendiert und dann diese Suspendierung wieder zurückgenommen, sondern die Klinikleitung bzw. der Oberbürgermeister. Die Zeitung hätte also nur über ein tatsächlich stattgefundenes Ereignis berichtet. Und das sei ihre Pflicht gewesen. (2002)
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In einer Medienzeitschrift erscheint immer ein Editorial. Das zum Jahresanfang veröffentlichte beschäftigt sich mit den Vorsätzen für das neue Jahr und endet mit dem Satz: “Und denken Sie daran: Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken“. In einem PS erscheint der Hinweis: „Die Firma XY liefert übrigens hervorragende Weine zu erstaunlich günstigen Preisen“. Eine Leserin der Zeitschrift hält das Postskriptum für Schleichwerbung und beschwert sich beim Deutschen Presserat. Diese Beschwerde zieht kurze Zeit später ein weiteres Editorial nach sich. Darin berichtet die Journalistin, beim Presserat liege eine Beschwerde gegen sie vor. Ihr Hinweis auf die Weine der Firma sei eine persönliche und kollegiale Empfehlung für die Journalisten-Kollegen gewesen. Seit Jahren kaufe sie diese Weine, ohne jemals einen Rabatt bekommen zu haben. Der Presserat – so die Chefredakteurin des Medienblattes – sei eine gute und wichtige Einrichtung, genauso, wie Gerichte notwendig seien. Aber auch letztere sollten sich eigentlich nicht um Knallerbsensträucher und Maschendrahtzäune kümmern, sondern diese dem Kabarett überlassen. (2001)
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Unter der Überschrift „Optimale Betreuung“ schildert eine Lokalzeitung die Krankengeschichte eines 17-jährigen Mädchens, das auf ein Spenderherz wartet und dem für 48 Tage ein Kunstherz eingesetzt wurde, um den entzündeten Herzmuskel zu entlasten. Die Zeitung zitiert den Bezirksgeschäftsführer einer Ersatzkrankenkasse mit der Feststellung, an diesem Beispiel werde deutlich, dass im Falle eines Falles nur die optimale Betreuung durch eine leistungsstarke Krankenkasse zähle. Dem Artikel beigestellt ist eine Anzeige der erwähnten Krankenkasse mit der Schlagzeile „Wer hilft, wenn wirklich etwas passiert ?“. Eine Woche später bescheinigt die Zeitung unter der Überschrift „Kompetente Krankenkasse“ demselben Unternehmen eine hohe Kompetenz und einen guten Service. Anlass dieser Berichterstattung ist ein Leistungsvergleich unter verschiedenen Krankenkassen durch ein ARD-Magazin. Auch diesem Artikel ist eine Anzeige der Krankenkasse mit der Überschrift „Leisten alle Krankenkassen gleich viel?“ beigestellt. Ein Leser des Blattes schreibt an den Deutschen Presserat: „Diese Zeitung versteht es, Anzeigen und redaktionellen Teil zu verbinden. Habe auch nichts dagegen, wenn es um die örtliche Feuerwehr geht. Finde es aber äußerst verdächtig, wenn diese Verknüpfung zu Gunsten größerer Firmen, die auch noch Wettbewerber haben, geschieht. Hier fällt bei mir sofort das Stichwort ‚gekauft, und der Wortbeitrag vom Anzeigenkunden geschrieben‘. Wenn das so ist, brauche ich keine Zeitung zu abonnieren, sondern das kostenlose Anzeigenblatt vom Sonntag lesen.“ Der Verlag erklärt zu der Beschwerde, er habe den Fall in der Redaktion und in der Anzeigenabteilung eingehend besprochen und sichergestellt, dass sich derartige Vorgänge nicht wiederholen werden. (2002)
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In einer deutschen Kleinstadt wird – wie anderswo auch – gerne gefeiert. Eigentlich auch in einer Musikkneipe, die in einem Wohngebiet liegt und deren Eigentümer auf die Konzession durch die Stadt warten. Aber die lässt auf sich warten, was den freien Mitarbeiter der örtlichen Zeitung veranlasst, eine publizistische Lanze für die wartenden Kneipenbetreiber zu brechen, mit denen der Autor eine freundschaftliche Beziehung pflegt. Mit dem Artikel sind die Anwohner, die nächtlichen Lärm befürchten, gar nicht einverstanden, und so wendet sich einer von ihnen mit einer Beschwerde an den Deutschen Presserat. Vieles in dem fraglichen Artikel wird beanstandet, so dass in der Beschwerde mehrere Ziffern des Pressekodex angesprochen werden: Ziffer 1 (wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit), Ziffer 2 (Bildbeschriftungen dürfen weder entstellt noch verfälscht werden), Ziffer 4 (Beschaffung von Informationen mit unlauteren Methoden), Ziffer 7 (Beeinflussung durch private und geschäftliche Interessen Dritter) und Ziffer 13 (Vorurteile bezüglich eines förmlichen Verfahrens). Der Beschwerdeführer hält diese Verstöße für erwiesen. Der Autor des Artikels räumt ein freundschaftliches Verhältnis zu den potentiellen Kneipenbetreibern ein, verwahrt sich jedoch gegen den Vorwurf, er habe den Artikel zur eigenen Vorteilsnahme geschrieben. Er behalte sich vor, dagegen bei Wiederholung juristisch vorzugehen. Er legt in seiner Stellungnahme ausführlich dar, welche Recherchen der Berichterstattung vorangegangen seien. (2002)
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Im Februar 1991, zur Zeit des ersten Golfkrieges, gaben Unbekannte mehrere Schüsse auf die US-Botschaft in Bonn ab, ohne größere Schäden anzurichten. Am Tatort wurde ein Bekennerbrief der RAF (Rote Armee Fraktion) gefunden, der sich gegen den „US-NATO-Völkermord“ wandte. Elf Jahre später wurde ein damals im Fluchtauto gefundenes Haar einem DNA-Test unterzogen. Unter der Überschrift „Terroristin überführt“ berichtet eine Tageszeitung , dass dieses Haar laut Bundeskriminalamt (BKA) zweifelsfrei der mutmaßlichen Terroristin Daniela Klette zugeordnet worden sei. Ein Leser des Blattes bemängelt, dass die Zeitung die Erkenntnisse des BKA als Tatsachen mitgeteilt habe, ohne distanzierende Stilmittel (Konjunktiv, Fragezeichen etc.) eingesetzt zu haben. Er ruft den Deutschen Presserat an. Die Chefredaktion der Zeitung stellt fest, dass sie keine unbegründeten Behauptungen und Beschuldigungen gemäß Ziffer 13 des Pressekodex, sondern ausschließlich objektive Tatsachen mitgeteilt habe. Der Artikel habe die mutmaßliche Terroristin nicht vor einem gerichtlichen Urteil als Schuldige hingestellt, sondern vielmehr die dabei geltende Unschuldsvermutung beachtet. (2002)
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Ein Wirtschaftsmagazin bietet Firmen kostenlose Unternehmensreportagen an, berechnet jedoch Fotos mit 4,95 Euro (schwarzweiß) oder 8,95 Euro (Farbe) je Millimeter Höhe und Spalte. Diese Praxis hält ein Wirtschaftsjournalist für einen Verstoß gegen Ziffer 7 des Pressekodex und schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Chefetage des Magazins nimmt die Beschwerde „mit Erstaunen zur Kenntnis“ und verweist auf sechs Mitbewerber, die nach gleichen oder ähnlichen Prinzipien arbeiten und offensichtlich bislang keine juristischen Probleme hatten. Das Wirtschaftsmagazin bezeichnet sich als Anzeigenblatt und verweist auf das Standardwerk „Presserecht“ (Löffler). Danach muss Werbung nur dann kenntlich gemacht werden, wenn ein Anzeigenblatt auch redaktionelle Beiträge enthält. Das Blatt bestehe jedoch ausschließlich aus Werbung. Deshalb sei auch eine Trennung von Werbung und redaktionellem Teil gar nicht möglich. (2002)
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Unter der Überschrift „Ein Pfund Hand und drei Liter Blut, bitte!“ berichtet eine Zeitschrift über den Handel mit Leichenteilen in Nigeria. Sie schreibt, dass hier Friedhofsangestellte Leichen zerstückeln und die Einzelteile verhökern. Die Körperteile würden wie Gemüse ins Regal gelegt. Käufer seien Medizinmänner, die frisches Material für ihre Zaubermittel brauchten. Jetzt sei die Polizei dabei, Märkte mit Menschenteilen zu schließen. Problem dabei sei, dass es an Lagerplätzen für die Beweisstücke fehle. Dem Beitrag beigestellt ist ein Foto von drei Leichen. Die Bildunterzeile lautet: „Ballermann 6: Sangria, bis der Arzt kommt“. Ein Journalist sieht in dem Foto eine Verletzung der Menschenwürde und spricht den Deutschen Presserat an. Bei den Toten handele es sich offenbar um Opfer eines Verbrechens. Wer ein solch ernstes Foto mit einer in ihrem Sinn derart untertriebenen und falschen Bildunterschrift versehe, handele offenkundig allein zum Zweck der Belustigung. Der Mensch werde dadurch zum bloßen Objekt herabgewürdigt. Der Beschwerdeführer sieht auch Ziffer 11 des Pressekodex verletzt, da die dargestellte Brutalität nicht im Verhältnis zur Information im Text stehe. Die Chefredaktion der Zeitschrift bestätigt in ihrer Stellungnahme, dass die Bildunterschrift nicht den durch das Foto gegebenen Informationen entspreche. Dies gelte allerdings für jede Bildunterschrift in der Zeitschrift. Denn diese Art der Bildunterschriften sei Teil des Heftkonzepts. Sie seien ein wesentliches Stilmittel, ja gerade das Markenzeichen der Publikation. Dabei bewege man sich inhaltlich oft in satirischen und absurd überzogenen Bereichen. Die Sektion „Reporter“, die in das Heft hineinführe, berichte über Ereignisse und Vorkommnisse weltweit. Das Spektrum reiche dabei von seltsam über komisch bis grausam, absurd und skurril, so wie die Welt nun mal sei. Zum konkreten Fall stellt die Chefredaktion fest, dass man sich in der Tat in einem Grenzbereich bewege. Ihrer Auffassung nach ist die Schere zwischen Darstellung im Foto und der Bildunterschrift derart groß, dass durch diese so offensichtliche Absurdität keine direkte Beziehung zum Bildinhalt, der nicht zwingend vermutliche Opfer eines Verbrechens zeige, hergestellt werde. Allerdings seien auch andere Interpretationen möglich. Redaktionsintern haben man die Angelegenheit kontrovers diskutiert und beschlossen, künftig auf derartige Extreme zu verzichten. (2002)
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