Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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7055 Entscheidungen
„Der Dieb – laut Polizei ´vermutlich ein Spätaussiedler´ – betrat den Verkaufsraum…“. Eine Regionalzeitung setzt ihren Bericht über einen Ladendiebstahl mit einer Personenbeschreibung fort, in der es heißt, der Unbekannte habe „deutsch mit russischem Akzent“ gesprochen. Die gleiche Zeitung berichtet später über eine Gerichtsverhandlung. Die Angeklagten werden dabei als „vier Russlanddeutsche“ und ein weiterer als „Übersiedler aus Kasachstan“ bezeichnet. Bei dem früheren Kasachen, der unter der Anklage steht, zwei Nachbarn erstochen zu haben, die ebenfalls aus der früheren Sowjetunion stammen, merkt die Zeitung an, der Mann spreche so gut wie kein Deutsch. Zudem sei es ihm nicht gelungen, in der neuen Heimat Fuß zu fassen. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass in dem ersten Bericht die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe genannt wird. Nach seiner Ansicht würden dadurch Integrationsbemühungen zunichte gemacht und Hass, Ablehnung und Gewaltbereitschaft gefördert. Er legt einen umfangreichen Schriftverkehr vor, aus dem hervorgeht, dass er sowohl die Polizei als auch die Zeitung aufgefordert habe, bei eventuellen Straftaten die jeweilige Volksgruppe nicht zu nennen. Der Leser schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Chefredaktion der Zeitung weist auf den regen Meinungsaustausch mit dem Leser hin, dem bekannt sein dürfte, dass die Redaktion die Herkunft eines Verdächtigten nur dann nenne, wenn es sich um eine Straftat handle, bei der die Volksgruppe relevant sei. Dem Wunsch des Lesers, diese grundsätzlich nie zu nennen, könne und wolle man nicht entsprechen. Es gebe Fälle, bei denen die Nationalitätennennung gerechtfertigt sei. So etwa, wenn Straftaten in bestimmten Bevölkerungsgruppen häufig vorkommen oder im Fall von Fahndungen. Die ganze Diskussion – so die Chefredaktion weiter – laufe vor dem Hintergrund eines aktuellen Falles, bei dem ein Russlanddeutscher zwei Menschen umgebracht habe. Sie verweist auf einen Bericht über diesen Fall (Überschrift „Ein Chancenloser im Blutrausch“), in dem die Tat analysiert und die Situation des Russlanddeutschen dargelegt wird. Die Redaktion sei von verschiedenen Seiten gelobt worden. Sie habe das Thema sehr verantwortungsbewusst behandelt. (2002)
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Unter dem Stichwort „Ein Jahr danach“ veröffentlicht eine Boulevardzeitung Erinnerungen an den 11. September 2001 in New York. In Folge vier wird unter der Überschrift „Sie springen in den Tod“ ein großes Foto veröffentlicht, welches das brennende World Trade Center zeigt. Sechs der darauf sichtbaren Menschen, die an den Fenstern stehen, sind eingekreist und mit Porträtfoto und detaillierten Angaben aus ihren Leben beschrieben. Eine Leserin nimmt die Veröffentlichung zum Anlass einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Sie hatte bereits ein Jahr zuvor die Tatsache bemängelt, dass in vielen Zeitschriften die Menschen, die sich aus den Towern stürzten, derart vergrößert dargestellt wurden, dass man sie ihres Erachtens erkennen konnte. Ihre Beschwerden wurden seinerzeit u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, dass die betroffenen Menschen nicht zu erkennen seien und somit auch keine Persönlichkeitsrechte verletzt würden. Nun weist sie darauf hin, dass jetzt aber eine Identifizierbarkeit vorliege. Sie bittet um Überprüfung, ob dies mit den presseethischen Grundsätzen vereinbar sei. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, sämtliche Fotos stammten aus den USA. Sie seien von den Angehörigen für die Veröffentlichung herausgegeben und noch vor der Veröffentlichung in der deutschen Zeitung in amerikanischen und englischen Printmedien gedruckt worden. Die Angehörigen hätten in einer Vielzahl von Fällen die Opfer auch durch Aufhängen von Fotos und der Angabe von Details namhaft gemacht. Es gehe hier also nicht um die Betrachtungsweise eines Einzelfalles und die Frage des Persönlichkeitsrechts, sondern um die Dokumentation der Opfer von unvorstellbaren Gewalttaten, die in einer freiheitlichen Welt lebten, welche die Attentäter nicht akzeptieren wollten. Deshalb hätten die Angehörigen die Opfer weltweit öffentlich machen wollen. Die Maßstäbe, welche die Beschwerdeführerin anlegen möchte, passten im Gesamtzusammenhang nicht. (2002)
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Eine Lokalzeitung kündigt ein neuerliches Gerichtsverfahren gegen drei Männer und eine Frau an, denen vorgeworfen werde, im Zeitraum von 1986 bis 1989 in einem früheren Kinderheim für schwer Erziehbare mindestens neun Kinder und Jugendliche mit Peitschenhieben, Stockschlägen, Fußtritten, Arrest in einer Kellerzelle, Züchtigung durch Kniebeugen und Stillstehen sowie sexuelle Übergriffe drangsaliert zu haben. In einem Verfahren im Jahr 2000 habe das Landgericht zu Gunsten der Angeklagten entschieden, indem es festgestellt habe, dass die Straftaten, die dem Quartett zur Last gelegt werden, verjährt seien. In einem Revisionsverfahren habe jedoch der Bundesgerichtshof entschieden, dass in keinem Fall eine Verjährung eingetreten sei. Die betroffenen Lehrer und Erzieher werden mit vollständigen Namen genannt. Auf einen der Angeklagten geht die Zeitung näher ein. Sie erwähnt, dass er bis zum Vorjahr in seiner Heimatgemeinde des Amt des stellvertretenden Bürgermeisters bekleidet und den Ausschuss für Kultur und Soziales geleitet habe. Der Anwalt des letztgenannten Beteiligten kritisiert in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat die Nennung des Namens seines Mandanten. Diese sei nicht gerechtfertigt, da der Tatvorwurf einen Sachverhalt zum Inhalt habe, der in keiner Beziehung mit der Tätigkeit des Betroffenen nach 1990 als Beigeordneter der Stadt stehe. Der Anwalt moniert ferner, die Zeitung ordne seinem Mandaten falsche Tatvorwürfe zu. Ihm werde lediglich vorgeworfen, einen damals 16-jährigen Jugendlichen aus seinem Unterricht verwiesen und ihm bei dieser Gelegenheit eine Platzwunde am Kopf zugefügt zu haben. Die Chefredaktion der Platzes räumt die falsche Wiedergabe des Tatvorwurfs in der Berichterstattung über das erste Gerichtsverfahren ein. Dieser Fehler beruhe auf einem falschen Aushang der Justizverwaltung im Ort. In dieser Angelegenheit habe man bereits eine Gegendarstellung veröffentlicht. Dass der selbe Fehler auch in der Berichterstattung über die Neuverhandlung gemacht worden sei, liege daran, dass die verantwortliche Redakteurin bei der Berichterstattung auf das Archiv zugegriffen und den darin enthaltenen Fehler wiederum übernommen habe. Da ihr der Fall nicht bekannt gewesen sei, sei ihr der Fehler auch nicht aufgefallen. (2002)
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Ein Boulevardblatt meldet mit der Dachzeile „Ehe kaputt“, dass ein 42-jähriger Ingenieur im fünfstöckigen Bürogebäude eines Automobilwerkes in den Tod gesprungen sei. Der Beitrag nennt den Vornamen des Mannes und den Anfangsbuchstaben seines Familiennamens. Erwähnt wird ferner, dass auch die 38-jährige Ehefrau in dem Automobilwerk arbeitet, dass das Paar einen siebenjährigen Sohn hat. In dem Artikel wird ferner über das Motiv der Selbsttötung spekuliert. Ein Kollege kommt zu Wort und teilt mit, dass sich die attraktive Frau des Mannes im Frühjahr in einen jüngeren Mechaniker verliebt habe und ihren Mann verlassen wollte. Weiterhin wird ein Kollege dahingehend zitiert, dass ein Leben ohne seine Frau für den Mann undenkbar gewesen sei. Eine Leserin des Blattes reicht die Veröffentlichung an den Deutschen Presserat weiter. Der Selbstmord des Mannes im Gebäude seiner Firma sei zu keinem Zeitpunkt von öffentlichem Interesse und rechtfertige in keiner Weise eine irgendwie geartete Berichterstattung. Die Kennzeichnung des Opfers lasse darüber hinaus alle Betriebsangehörigen sofort erkennen, um wen es sich handele. Der Artikel behaupte, die „kaputte Ehe“ sei der Grund für den Selbstmord, und assoziiere einen Schuldvorwurf an die Witwe. Durch den Hinweis, dass sie gleichfalls in der genannten Firma arbeite, und durch die Nennung des Namens ihres Mannes sei auch sie klar zu identifizieren. Die Rechtsabteilung der Zeitung ist der Ansicht, dass der Selbstmord eines leitenden Mitarbeiters im Dienstgebäude der Automobilfirma die Berichterstattung rechtfertige. Der Vorgang sei außergewöhnlich tragisch. Nicht erst durch die Berichterstattung hätten die Kollegen des Ingenieurs von dessen Selbstmord erfahren. Der Vorgang sei in der Firma bereits bekannt gewesen. Trotzdem wird eingeräumt, dass man auf den abgekürzten Namen hätte verzichten können. Die Zeitung habe korrekt darüber berichtet, dass im kollegialen Umfeld des Toten von persönlichen Problemen auf Grund einer möglichen Trennung von seiner Frau gesprochen worden sei. (2002
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Eine Frauenzeitschrift veröffentlicht diverse Diät-Tipps. Dabei ist die Rede davon, das Jod den Stoffwechsel ankurbelt und die Schilddrüse dadurch Fett verbrennt. Eine Selbsthilfegruppe von Jodallergikern kritisiert, dass für Jodsalz Reklame gemacht werde mit dem Versprechen, damit könne man abnehmen. Sie warnt vor dieser Darstellung. Eine gesunde Schilddrüse beschleunige nicht den Stoffwechsel bei Einnahme von Jodsalz. Werde der Stoffwechsel beschleunigt, liege eine Überfunktion vor. Vor Joddiäten werde in der Fachliteratur gewarnt. Dennoch berichteten manche Medien, es sei möglich, mit Hilfe von Jodsalz abzunehmen. Die Selbsthilfegruppe ruft den Deutschen Presserat an. Die Chefredaktion der Frauenzeitschrift bestreitet, dass in den beanstandeten Artikeln zu so genannten „Jod-Diäten“ aufgerufen werde. Es gehe einzig und allein um die Darstellung und Erklärung von Wirkstoffen, Enzymen, Hormonen etc., die den Stoffwechsel ankurbeln und dadurch zu unbestrittenen Gewichtsabnahmen führen könnten. Hier sei nur einmal indirekt die Sprache von „Jod“ und nur einmal die Rede von „jodiertem Speisesalz“ gewesen. Hierbei handle es sich um ernährungs- und gesundheitswissenschaftlich untermauerte Aussagen, die sogar Empfehlungen des Bundesgesundheitsministeriums entsprächen. Die von der Beschwerdeführerin angemahnten Probleme, so die Chefredaktion, würden ausdrücklich von allen Experten bestritten. Die Zeitschrift habe also keinesfalls „Jod-Diäten“ empfohlen, sondern nur Ernährungstipps gegeben und deren medizinische Wirkung auf den Organismus erklärt. (2002)
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Unter der Überschrift „Tödliche Klemme“ berichtet ein Nachrichtenmagazin über die Fangjagdverordnung in Schleswig-Holstein, nach der Totschlagfallen wie der so genannte „Schwanenhals“ erlaubt bleiben, da sie tierschutzgerecht seien. Dem Beitrag beigestellt ist ein Foto, das einen Iltis in einer Falle zeigt. Die Unterzeile lautet: „Iltis in Totschlagfalle“. Ein Leser, der den Deutschen Presserat anruft, weit darauf hin, dass es sich bei der abgebildeten Falle um ein Tellereisen handele, das fälschlicherweise als Totschlagfalle bezeichnet werde. Tellereisen seien in Deutschland seit 1934 verboten. Das Foto sei in Rumänien aufgenommen worden. Das Magazin habe durch dieses Bild rumänische Verhältnisse in die deutsche Realität implantiert und damit dem Leser eine Situation vorgegaukelt, die nicht existiere. Die Rechtsabteilung des Nachrichtenmagazins teilt mit, dass die Redaktion das Foto von einer Agentur erhalten habe. Die Unterzeile habe „Iltis in Schlagfalle“ gelautet. Es sei für Redakteur nicht erkennbar gewesen, dass das Foto in Rumänien aufgenommen worden sei. Davon abgesehen komme es ausschließlich darauf an zu zeigen, wie eine solche Falle aussehe und wie sie funktioniere. Der Beschwerdeführer habe recht damit, dass das Foto einen Iltis in einem Tellereisen zeige und dass die Jagd mit diesen Fallen in Deutschland verboten sei. Die Differenzierung zwischen erlaubter Totschlagfalle und verbotener Schlagfalle, die der Leser fordere, sei jedoch eine sehr formale Betrachtung, die an der Realität völlig vorbei gehe. Tellereisen seien zwar verboten, weil sie größere Tiere nicht in jedem Fall töteten, de facto seien aber auch sie Totschlagfallen und müssten deshalb im allgemeinen Sprachgebrauch auch so bezeichnet werden dürfen. (2002)
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Der USA-Korrespondent einer Tageszeitung kommentiert zustimmend die Kriegspläne der Vereinigten Staaten gegen Saddam Hussein und den Irak. Eine Woche später veröffentlicht das Blatt die Reaktion seiner Leser, darunter den Leserbrief eines Berufskollegen. Dieser beklagt beim Deutschen Presserat, dass seine Zeilen sinnentstellend gekürzt worden seien. Seine Zuschrift habe aus insgesamt sechs Sätzen bestanden. In den ersten drei Sätzen habe er in Kurzform die wesentlichen Aussagen des Kommentators referiert. In den drei folgenden Sätzen habe er dann seine Kritik formuliert. Diese drei letzten Sätze seien von der Redaktion gestrichen worden, so dass aus seiner scharfen Kritik ein zustimmender Text geworden sei. Der Autor des Leserbriefes hatte zum Schluss festgestellt: „Selten zuvor ist in deutscher Sprache ein so zynischer und zugleich törichter Kommentar erschienen. Herr ... ist ein furchtbarer Journalist ! Das Erscheinen dieses gefährlichen Unsinns ist ein Tag der Schande für die ... !“ Die Chefredaktion erklärt in ihrer Stellungnahme, dass der zweite Teil des Briefes beleidigende Äußerungen über den Amerika-Korrespondenten der Zeitung enthalte. Diese seien deshalb gestrichen worden. Dabei sei einzuräumen, dass die Veröffentlichung des Briefes insgesamt besser unterblieben wäre, weil er außer den äußert abfälligen Bemerkungen keine weiterführenden diskutierenswerten Argumente enthalte. (2002)
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Zentrale oder dezentrale Entwässerung? Darum geht es in zwei kleinen Gemeinden. 90 Prozent der Bevölkerung des einen und 67 Prozent des anderen Ortes haben sich für die dezentrale Lösung ausgesprochen. Die örtliche Zeitung spricht „von einigen Bürgern“, denen die dezentrale Entwässerung lieber wäre. Gegen diese Darstellung wendet sich ein Leser mit einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Er sieht in der Berichterstattung eine Tendenz, dem regionalen Wasserverband nach dem Mund zu reden, der trotz des eindeutigen Bürgervotums der zentralen Entwässerung den Vorzug gibt. Die Rechtsvertretung der Zeitung ist der Auffassung, dass die Redaktion mit der gebotenen Sorgfaltspflicht berichtet und Fachleute zu dem Thema zentrale oder dezentrale Entwässerung zitiert habe. Sie weist auf einen Beitrag aus der Zeitung hin, der gerade nicht die kritisierten Behauptungen enthalte und der wohl vom Beschwerdeführer nicht richtig gelesen worden sei. (2002)
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