Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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7055 Entscheidungen
“Was passierte in den Nachhilfestunden?”, fragt eine Boulevardzeitung in der Schlagzeile ihres Berichts über eine Gerichtsverhandlung, in der einem 61jähriger Nachhilfelehrer der Vorwurf gemacht wird, er habe eine 9jährige Schülerin sexuell missbraucht. Dem Bericht ist ein Foto des Angeklagten beigestellt. Die Augenpartie des Betroffenen ist abgedeckt. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat beklagt sich der Mann über eine “manipulierte” Berichterstattung, die von dem “Opferanwalt” initiiert worden sei, um seinen Ruf gründlich und nachhaltig zu zerstören. Das Namenskürzel sei geeignet, ihn in seiner Kleinstadt sofort zu identifizieren. Er hält dies für einen unfairen Gefälligkeitsjournalismus, der sein Persönlichkeitsrecht verletze. Die Redaktion der Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet. Der Beschwerdeführer verliere kein Wort über seine tatsächliche Verurteilung und die Berichterstattung darüber am folgenden Tag. Der Vorwurf, mit dem Rechtsvertreter des Kindes “Gefälligkeitsjournalismus” betrieben zu haben, weist die Redaktion zurück. Ausschließlich in der Redaktion werde entschieden, was und wie zu veröffentlichen sei. Außenstehende hätten darauf keinen Einfluss. Der Beschwerdeführer habe als Angeklagter keinen Anspruch, im Zusammenhang mit einem derartigen Strafvorwurf völlig anonym zu bleiben. (1999)
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In Bericht und Kommentar informiert eine Regionalzeitung ihre Leser über den Verdacht, aus der Staatskanzlei des Landes könnten Informationen über die bevorstehende Durchsuchung eines vom Land geförderten Unternehmens an diese Firma weitergegeben worden sein. In diesem Zusammenhang nennt sie einen Medienmanager in der Staatskanzlei als möglichen Täter. Die Rechtsvertretung des erwähnten Beamten weist diesen Vorwurf in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat zurück. Die Zeitung habe Informationen aus einem zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels unbestätigten Vermerk, der auf Aussage eines fraglichen Zeugen zustande gekommen und der Redaktion zugespielt worden sei, ungeprüft veröffentlicht. Die Zeitung habe jegliche Sorgfalt vermissen lassen, indem sie die in dem Vermerk enthaltenen Aussagen nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft habe. Weiterhin wird kritisiert, dass sowohl in der Unterzeile des Berichtes als auch in dem Kommentar das Gerücht, das Unternehmen sei aus der Staatskanzlei gewarnt worden, als Tatsache hingestellt werde. Die Chefredaktion teilt mit, dem Vermerk eines in der Sache tätigen Untersuchungsausschusses sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass die in den Geschäftsräumen geplante Razzia verraten worden sei. Diese Feststellung werde vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten. Der erwähnte Zeuge habe in seiner Aussage vor der Staatsanwaltschaft die Staatskanzlei und namentlich den Beschwerdeführer bzw. dessen Umfeld als Quelle genannt. Darüber habe die Zeitung berichtet, nachdem sie sich zuvor über die Echtheit des Aktenvermerks sorgfältig informiert habe. Zugegebenermaßen habe sie sehr scharf kommentiert, was bei der Brisanz des Sachverhalts jedoch notwendig gewesen sei. Die vom Beschwerdeführer geforderte Gegendarstellung habe man unverzüglich am folgenden Tag veröffentlicht. Insgesamt habe man dem Beschwerdeführer jede Möglichkeit geboten, seine Position öffentlich darzulegen. Diese Angebote seien jedoch abgelehnt worden. Des weiteren habe man in großer Aufmachung unter der Überschrift “Zeuge fiel unter Eid um” über die Vernehmung des Zeugen im Untersuchungsausschuss berichtet. (1999)
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Ein Wirtschaftsmagazin berichtet über die Ergebnisse der Neunten Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamtes. Danach steige die Lebenserwartung der Deutschen in den nächsten 35 Jahren um vier Jahre. Die Wiesbadener Behörde vollziehe damit eine Kehrtwende. “1994”, so die Zeitschrift, “schrieb sie die derzeitige Lebenserwartung auf ewig fest: 73 Jahre bei den Männern und 78,5 Jahre bei den Frauen. Wie unrealistisch das ist, wussten die Statistiker zwar. Aber nicht offiziell.” In dem Beitrag wird dem Präsidenten des Bundesamtes das Zitat “Schluss mit der Schönfärberei” zugeschrieben. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat weist der Präsident des Bundesamtes darauf hin, dass das ihm unterstellte Zitat frei erfunden ist. Gleichzeitig teilt er mit, dass die Neunte Bevölkerungsprognose noch nicht fertiggestellt ist und daher noch keine Ergebnisse vorliegen können. Der Beschwerdeführer kritisiert zudem die Behauptung, dass seine Behörde in der Achten Bevölkerungsprognose von 1994 “die derzeitige Lebenserwartung auf ewig” festgeschrieben habe: “73 Jahre bei den Männern und 78,5 Jahre bei den Frauen”. Von einer Kehrtwende des Bundesamtes könne keine Rede sein. Die Achte Vorausberechnung der Bevölkerungsentwicklung habe die Lebenserwartung nicht auf ewig festgeschrieben. Vielmehr werde in der Prognose von einer zunehmenden Lebenserwartung ausgegangen. Der Präsident erklärt schließlich, er habe nach Kenntnisnahme des Artikels durch eine Vorabmeldung einer Nachrichtenagentur die Redaktion der Zeitschrift darüber unterrichtet, dass das darin enthaltene Zitat falsch sei. Daraufhin habe ihn der zuständige Ressortleiter angerufen und den Fehler eingeräumt. Einer Aufforderung, die Falschmeldungen aus dem Artikel zu entfernen oder unlesbar zu machen oder die Ausgabe nicht mit den Falschmeldungen erscheinen zu lassen, habe die Redaktion nicht Folge geleistet. Eine einstweilige Verfügung sei wirkungslos geblieben, da der Artikel mit dem erfundenen Zitat und der falschen Sachdarstellung inzwischen bundesweit vertrieben worden sei. Die Rechtsabteilung des Verlages hält die Wertung, das Statistische Bundesamt vollziehe “eine Kehrtwendung”, angesichts der zugrunde liegenden Fakten in jeder Weise für gerechtfertigt. Diese Aussage basiere auf dem Statement eines renommierten Wissenschaftlers im Rahmen eines Symposiums, der von einer Zunahme der mittleren Lebenserwartung von rund vier Jahren ausgegangen sei. Da es sich um einen anerkannten Experten auf dem Gebiet der Rentenversicherung handele, der über hervorragende Kontakte zum Statistischen Bundesamt verfüge, habe die Zeitschrift keinerlei Veranlassung gehabt, an seinen Worten zu zweifeln. Des weiteren sei auch die Wertung zulässig, dass das Bundesamt in der Achten Bevölkerungsprognose die derzeitige Lebenserwartung auf ewig festgeschrieben habe. Die Rechtsabteilung gesteht jedoch ein, dass die Zeitschrift falsch zitiert hat. Durch die Zitatform sei der Eindruck erweckt worden, als habe der Präsident des Amtes der Zeitschrift ein Interview gegeben. Dies sei durch ein redaktionelles Versehen geschehen. Aus Layout-Gründen sei der ursprünglich geplante Einstiegsatz geändert worden. Dabei seien die Anführungsstriche ohne Wissen des Autors und des Ressortleiters von der Schlussredaktion in letzter Minute in den Text eingesetzt worden. Als der Fehler bekannt geworden sei, habe sich der zuständige Ressortleiter sofort mit dem Beschwerdeführer und dem Bundesarbeitsministerium in Verbindung gesetzt, um den Schaden zu begrenzen. Darüber hinaus habe sich die Zeitschrift bei dem Beschwerdeführer entschuldigt und sofort die Agenturen und Tageszeitungen benachrichtigt, damit diese seine angebliche Äußerung nicht zitieren. Ferner habe die Zeitschrift in ihrer nächsten Ausgabe neben der Gegendarstellung des Beschwerdeführers eine Anmerkung veröffentlicht, in der noch einmal das Bedauern über die Panne ausgesprochen wurde. Viel mehr könne man nicht tun, um einen Patzer wieder gutzumachen. Abschließend stellt die Rechtsabteilung fest, nach bekannt werden der Panne sei die Ausgabe bereits gedruckt gewesen und habe zur Auslieferung bereit gestanden. Es könne der Zeitschrift nicht zugemutet werden, die gesamte Ausgabe einer Makulatur zuzuführen oder die verpackten Exemplare zu öffnen und an der entsprechenden Stelle zu schwärzen. (1999)
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Eine Zeitschrift berichtet über die “Treibjagd” der Polizei auf einen mutmaßlichen Mörder. Sie zeigt ein älteres Foto, auf dem der Mann mit seinen Adoptiveltern abgebildet ist. Der Beitrag nennt Name und Adresse der Adoptivmutter und beschreibt deren Gesundheitszustand. Ein Journalist, Leser der Zeitschrift, beschwert sich beim Deutschen Presserat. Er ist der Ansicht, dass durch die Vielzahl der persönlichen Angaben die Adoptivmutter ins Schlaglicht der Öffentlichkeit gezerrt wird. Dadurch – wie durch die Veröffentlichung des Fotos – werde das Persönlichkeitsrecht der Frau verletzt. Die Rechtsabteilung des Verlages sieht in der Berichterstattung einen Grenzfall. Das Psychogramm des Täters sei in hohem Maße Thema der öffentlichen Diskussion gewesen. Daher sei es notwendig gewesen, mehr als üblich auf seine Biographie und seinen familiären Hintergrund einzugehen. Richtig sei, dass man über die Mutter des Tatverdächtigen grundsätzlich auch in anonymisierter Form hätte berichten können. Dies wäre jedoch eine “sinnlose Förmelei” gewesen, da nur wenige Menschen in Deutschland den außergewöhnlichen Namen des Flüchtigen tragen. Es hätte also auf der Hand gelegen, dass die Mutter mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ohne Namensnennung hätte identifiziert werden können. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Erwähnung der Frau nicht in reißerischer Art erfolge. Im Gegenteil schildere der Artikel in überaus behutsamer Weise die mit dem Fall verbundene familiäre Situation. Es könne nicht die Rede davon sein, dass die Betroffene für die Taten ihres Sohnes verantwortlich gemacht werde. Das Foto diene lediglich dazu, den Tatverdächtigen in seinem früheren familiären Umfeld zu zeigen. An derartigen Abbildungen bestehe grundsätzlich ein legitimes öffentliches Interesse. Dass auch die Adoptivmutter des Flüchtigen abgebildet werde, stehe dem nicht entgegen. In diesem Zusammenhang sei auch von Bedeutung, dass das Foto fast 40 Jahre alt ist und die Frau heute gänzlich anders aussieht. Von Erkennbarkeit könne somit nicht die Rede sein. (1999)
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Unter der Überschrift “... hier liegt der Mörder ihrer Männer” berichtet eine Boulevardzeitung über den Tod eines deutschen Terroristen in Wien. Ein Foto zeigt den Mann tot auf der Straße liegend. Ein Polizist hat ihn erschossen. Links am Körper des Mannes klebt ein Sensor, den die Notärzte aufgeklebt haben. Die Dachzeile des Beitrages lautet: “RAF Terror – Drei Witwen sahen es im TV”. Eine Leserin des Blattes beschwert sich beim Deutschen Presserat. Sie hält die Veröffentlichung für jugendgefährdend. Die Chefredaktion der Zeitung sieht in dem Foto ein zeitgeschichtliches Dokument. Es zeige einen jahrelang wegen der Ermordung zahlreicher Personen gesuchten Terroristen. Die Berichterstattung über den Mann hätte einen Verzicht auf das Foto nicht zugelassen. Wäre die Argumentation der Beschwerdeführerin zutreffend, wäre auch jede Berichterstattung über Grausamkeiten nicht mehr möglich. Dann würde man sich in den Bereich der Unterdrückung von Geschichte begeben. Der Begriff Mörder sei im Zusammenhang mit den Taten zu sehen, derentwegen der Terrorist verdächtigt wird, und erkläre sich auch aus seinem erneuten bewaffneten Widerstand anlässlich der Festnahme durch die Wiener Polizei. Nach dem Mann werde seit langem unter “Mord” gefahndet und bei seiner Festnahme habe er sich nicht gescheut, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. Richtig sei, dass es zum Zeitpunkt des Todes keine Verurteilung wegen Mordes gab. Im Hinblick darauf, dass durch den Tod des Betroffenen ein förmliches Strafverfahren allerdings nicht mehr möglich sei, sollte durch diese Bezeichnung aber klargestellt werden, um welche Terrorarten es in diesem Fall ging. (1999)
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In zwei Regionalzeitungen erscheint jeweils eine Sonderseite unter dem Titel “Schwerpunkt – Ärger um 630-Mark-Jobs” bzw. “630-Mark-Gesetz”. In einzelnen namentlich gekennzeichneten Artikeln wird am Beispiel Betroffener kritisch zu der Neuregelung der 630-Mark-Jobs durch den Bundesgesetzgeber Stellung genommen. Die Leser werden aufgefordert, der Zeitung zu schreiben, wenn sie zu den Leidtragenden gehören und ihr persönliches (Branchen-)Problem aufzeigen wollen. In den Text eingefügt ist ein Coupon eingefügt, der an den Bundeskanzler gerichtet ist und in den der Protest gegen das Gesetz eingetragen werden kann. Die IG Medien im Land reicht die Veröffentlichungen in einer Beschwerde an den Deutschen Presserat weiter. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger habe eine bundesweite Kampagne gegen die 630-Mark-Gesetzgebung beschlossen und den Mitgliedern empfohlen, sich an dieser Kampagne zu beteiligen. Adressat dieser Protestaktion sei die Redaktion, nicht der Verlag gewesen. In den vorliegenden Fällen fehle die Kennzeichnung als Anzeige. Auch sei auf den Sonderseiten nicht vermerkt, dass ihr Inhalt Teil einer Unternehmerkampagne sei. Lesern seien damit der Urheber und der Zweck der Veröffentlichung vorenthalten, sie seien damit irregeführt worden. Die Chefredaktion der ersten Zeitung führt aus, die IG Medien verwechsele Ursache und Wirkung. Ursache sei die Schwerpunktseite der Redaktion zum umstrittenen 630-Mark-Gesetz der Bundesregierung. Wirkung sei, dass diese Seite, die von der Redaktion als Leserinformation und -aktion konzipiert wurde, von anderen Redaktionen und Verlagen als so informativ und aussagekräftig empfunden wurde, dass diese um Nachdruckerlaubnis nachsuchten. Die Redaktion mache solche Schwerpunktseiten tages- oder wochenaktuell zu allen Themen von Brisanz. Im übrigen habe der Chefredakteur mit der Redaktion diese – branchenübergreifende – Darstellung der Problematik des 630-Mark-Gesetzes auch deshalb gewählt, weil die Zeitung in den Wochen zuvor entsprechende Aufrufe des BDZV zur spezifischen Problematik der Zeitungsausträger bewusst nicht veröffentlicht hätte. Redaktion und Verlagsgeschäftsführung hätten in der Meinung überein gestimmt, dass die Zeitung “nicht für Eigeninteressen unserer Branche” benutzt werden dürfe. Deshalb sei der Grundsatzartikel um Fallbeispiele aus sechs verschiedenen Berufsfeldern ergänzt worden. Der Meinungscoupon gehe auf Anregungen aus der Leserschaft zurück. Er entspreche im übrigen einer journalistischen Tradition der Zeitung, die damit die Rolle als “Anwalt unserer Leser” einnehme. Schließlich dürfe diese Schwerpunktseite nicht isoliert betrachtet werden. Sie sei ein ergänzender Hintergrund zu der ausführlichen Berichterstattung der Zeitung gewesen. Die zweite Zeitung stellt fest, die Beschwerde betreffe die Aktion insgesamt und nicht die Sonderseite einer einzelnen Zeitung. Die Redaktion habe Teile des Textes von dem befreundeten Verlag übernommen, einen Teil der Texte und Bilder jedoch auch selbst gefertigt und dabei insbesondere lokale Aspekte berücksichtigt. Darin könne sie einen Verstoß gegen den Pressekodex nicht erkennen. Im übrigen sei die Gefahr einer Wiederholung nicht gegeben. (1999)
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Ein Boulevardblatt berichtet, dass der berüchtigste Sprayer der Stadt beim Zerkratzen der Glasscheibe einer Bushaltestelle erwischt worden sei. Einige Tage später veröffentlicht es einen Leserbrief, dessen Autor fürchtet, die Beseitigung der Schmierereien müsse entweder der Steuerzahler finanzieren oder könne sich in Fahrpreiserhöhungen niederschlagen. “Sollte ich diesen Herrn einmal bei einer seiner Sprayer- bzw. Kratzertätigkeiten erwischen”, schreibt er wörtlich, “bekommt er von mir so einen vor die Glocke, dass er in Zukunft beim Anblick einer Farbenabteilung oder einer Bushaltestelle von unheilbaren Angstneurosen befallen wird.” Ein Leser der Zeitung beschwert sich daraufhin beim Deutschen Presserat. Er hält die Veröffentlichung des Leserbriefes für eine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflichten und sieht darin ein Aufhetzen der Leserschaft. Die Rechtsabteilung des betroffenen Verlags teilt dem Presserat “der guten Ordnung halber” mit, dass sie von einer Stellungnahme in dieser Angelegenheit absieht. (1999)
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Die Leiche eines fast zwei Jahre lang vermissten 13-jährigen Jungen wird gefunden. “Mörder gefasst?” mutmaßt die Zeitung am Ort auf ihrer Seite 1. Auf Seite 3 berichtet sie, dass mit der Festnahme eines 18-jährigen Berufsschülers der Mordfall geklärt sei. Jener streite allerdings die Tat ab. In ihrer Schlagzeile schreibt die Zeitung: “Mit 16 wurde er zum Mörder”. Eine Leserin der Zeitung beklagt sich beim Deutschen Presserat. “Irgendwann mag man es nicht mehr ertragen, wenn die Lokalzeitung mit dicken Schlagzeilen zum Frühstück Vorurteile und Verleumdungen präsentiert”, schreibt sie. Die Geschäftsführung des Verlages berichtet, dass sie mit dem Chefredakteur der Zeitung und mit der Beschwerdeführerin über die Veröffentlichung gesprochen habe. Dabei sei man mit der Redaktion übereingekommen, dass sich die Mitarbeiter in Zukunft noch mehr bemühen werden, keine Überschriften zu wählen, die bei den Lesern Missverständnisse hervorrufen könnten. (1999)
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Unter der Überschrift “Ich kämpfe jeden Tag” berichtet eine Jugendzeitschrift über das Schicksal eines 16-jährigen unheilbar kranken Mädchens. Die Betroffene leidet unter einer fortschreitenden Lähmung und hat nach Ansicht der Zeitschrift vielleicht nur noch zehn Jahre zu leben. Das Mädchen wird in direkter Rede mit den Passagen zitiert: “Jeden Morgen, wenn ich aufwache, ist mein erster Gedanke: ‘Kann ich meine Arme noch fühlen?‘ ”, “Meine Augen werden immer schwächer, mein Gehör auch. Ich will gar nicht daran denken, dass ich irgendwann vielleicht mal blind sein werde”, “Wahrscheinlich würde ich beim Sex nicht viel spüren”, “Jetzt fehlt mir nur noch mein Traumtyp ... Vor einem Monat hatte ich mich total in Andreas verliebt”. Die Veröffentlichung einer Gegendarstellung der Betroffenen wird von der Zeitschrift verweigert. Vielmehr wird die Veröffentlichung eines Leserbriefes bzw. eine redaktionelle Nachbehandlung in Aussicht gestellt. Mit anwaltlicher Hilfe legt die Familie des Mädchens Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Bei den zitierten Stellen handele es sich um unzutreffende Behauptungen. Die Eltern des Mädchens hätten der Chefredaktion geschrieben, dass ihre Tochter diese Aussagen nie getroffen habe. Eine derartige journalistische Aufarbeitung des Schicksals von behinderten Menschen sei unzureichend und kontraproduktiv. Schließlich hätten die Eltern keine Einwilligung in die Veröffentlichung des Beitrags gegeben. Die Rechtsvertreter der Familie legen ein Schreiben der Autorin an die 16jährige sowie die ursprüngliche Version des Artikels der Redakteurin vor. In dem Entwurf findet sich keine Stelle, wonach die 16-jährige vielleicht nur noch zehn Jahre zu leben hat. Auch Gefühle beim Sex sind nicht angesprochen. Schließlich fehlt der Hinweis auf einen Andreas, in den sich das Mädchen angeblich verliebt hat. Die Autorin entschuldigt sich in dem sehr persönlichen Brief und bedauert, in der Redaktion nicht für ihre Version der Geschichte gekämpft zu haben. Der Rechtsvertreter der Zeitschrift teilt mit, das betroffene Mädchen habe vor Erscheinen des hier relevanten Beitrags als Darstellerin in einer sogen. “Foto-Love-Story” der Zeitschrift mitgewirkt. Danach sei die Idee entstanden, die 16jährige in einem eigenen Beitrag vorzustellen. Es sei falsch, wenn die Beschwerdeführer behaupten, dass die Veröffentlichung ohne die Einwilligung des Mädchens und seiner Eltern erschienen sei. Die Eltern seien keineswegs gegen die Veröffentlichung des Artikels gewesen und hätten sich später ausschließlich gegen den Inhalt des Beitrags gewandt. Das Textmanuskript und die Rechercheunterlagen seien vor Veröffentlichung der Schlussredaktion überlassen worden. Hier sei es wohl zu einer Verwechslung gekommen. Man habe dem Mädchen ein Zitat über Sex zugeschrieben, das so wohl nicht gefallen sei. Die Reaktion der Familie auf die Veröffentlichung habe dazu geführt, dass der Chefredaktion ein redaktionelles Aufgreifen der Thematik bzw. die Veröffentlichung eines Leserbriefes untersagt worden sei. Es sei nicht Aufgabe des Deutschen Presserats, einen aus presserechtlichen Gründen unzulässigen Gegendarstellungsanspruch zu unterstützen. Die Bemühungen der Redaktion, nach Ziffer 3 des Pressekodex zu verfahren, seien nicht gewürdigt worden. In einem weiteren Schreiben vertreten die Rechtsvertreter der Zeitschrift die Auffassung, dass Ziffer 3 des Pressekodex nicht Selbstzweck des Mediums sei, sondern eine Richtigstellung vor allem dann erfolge, um etwaige über einen Dritten aufgestellte Falschbehauptungen in der Öffentlichkeit zu korrigieren. Sollte gerade dieser Dritte wie hier vorliegend ausdrücklich eine Veröffentlichung verbieten, könne es nicht als Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht gewertet werden, wenn dann eine solche Veröffentlichung gerade nicht erfolge. (1999)
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Unter der Rubrik “Stadtgeflüster” spricht eine Lokalzeitung alle Fußballfans unter ihren Leserinnen und Lesern an: Es gibt acht Eintrittskarten für ein attraktives Bundesligaspiel in der Region zu gewinnen. Was müssen die Interessenten tun? Sie müssen die Bälle zählen, die im Trendsetter-Schaufenster einer namentlich genannten Modefirma in einer bestimmten Strasse ausgestellt sind, und die richtige Zahl auf einer Teilnahmekarte eintragen, die in dem Geschäft erhältlich ist. “Verpassen sollten die Teilnehmer natürlich nicht den Abgabeschluss”, mahnt das Blatt und nennt den entsprechenden Termin. Ein Leser der Zeitung hält den Hinweis auf die Aktion der genannten Firma für Schleichwerbung und schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Rechtsvertretung der Zeitung gesteht Zweifel daran ein, ob die Verlosung von Eintrittskarten für ein Fußballspiel überhaupt berichtenswert ist. Allerdings sei es nahezu unmöglich, das in dem angegriffenen Artikel angesprochene Modehaus in nicht zu beanstandender Art und Weise zu umschreiben. Die aufgezeigten Probleme sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die konkret angegriffene Berichterstattung verunglückt sei. Die Veröffentlichung bewege sich im Grenzbereich von Ziffer 7 des Pressekodex. Die Chefredaktion habe Vorkehrungen getroffen, die eine Berichterstattung in der hier beanstandeten Form künftig ausschließen. (1999)
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