Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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7055 Entscheidungen
Unter der Überschrift „Gerichtsvollzieher wirft diese junge Mutter aus Wohnung" (Unterzeile: „Weil die ARGE ein halbes Jahr keine Miete zahlte") berichtet eine Boulevardzeitung über eine allein erziehende Mutter, deren Wohnung wegen Mietrückstand zwangsgeräumt wurde. Die Betroffene gibt – wie im Beitrag dargestellt – der ARGE Arbeit und Grundsicherung die Schuld für ihre Situation, da diese ein halbes Jahr lang die Miete nicht überwiesen habe. Deren stellvertretende Geschäftsführerin wird am Ende des Artikels mit der Feststellung zitiert, dass sie sich nicht vorstellen könne, dass die Schuld bei der ARGE liege. Man werde den Fall prüfen. Sie tritt in diesem Fall als Beschwerdeführerin auf und kritisiert die oben zitierte Unterzeile. Sie sei falsch. Man habe der Redakteurin der Zeitung den Sachverhalt anders erläutert. Sie habe diesen nicht richtig wiedergegeben. Auch das am Ende des Artikels verwendete Zitat sei so nicht gefallen. Vielmehr habe die stellvertretende ARGE-Geschäftsführerin gesagt, dass nach Prüfung des Vorgangs kein schuldhaftes Verhalten der ARGE festgestellt worden sei. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält daran fest, dass die in der Unterzeile enthaltene Information, die ARGE habe ein halbes Jahr lang die Miete nicht überwiesen, der Redakteurin so von der Mieterin mitgeteilt worden sei. Darauf habe sie sich allerdings nicht verlassen, sondern beim Vermieter nachgefragt, worauf hin ihr der Sachverhalt mündlich bestätigt worden sei. Somit sei sie den Anforderungen der Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht) nachgekommen. Auch sei das Zitat nicht falsch wiedergegeben worden. (2010)
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Eine Regionalzeitung berichtet in der gedruckten Ausgabe und online unter der Überschrift „Mobbing an der (…)-Schule" über Vorwürfe, denen sich eine Mathematiklehrerin ausgesetzt sieht. Hinter den Vorwürfen stehe eine Elterninitiative. Ein Beauftragter des zuständigen Kultusministeriums sei mit dem Fall befasst. Die Redaktion berichtet, dass sie viele Stellungnahmen von Schülern und Eltern erreicht hätten. Der Lehrerin werde ein despotisches Verhalten bescheinigt. Es gebe auch Stellungnahmen, die die Lehrerin in Schutz nähmen. Die Zeitung kommentiert. Sie fordert, das Schulamt müsse den Fall ernst nehmen. Sie warnt aber auch vor Vorverurteilung. Die betroffene Lehrerin sieht Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht) verletzt. Die Überschrift des Artikels enthält nach ihrer Auffassung einen nicht bestätigten Vorwurf. Ein Fragezeichen wäre erforderlich gewesen. Sie wirft der Redaktion unzureichende Recherche vor. Ihre eigenen Nachforschungen hätten ergeben, dass sich der im Artikel erwähnte „große Block“ auf die Dienstaufsichtsbeschwerden aller Schulen bezogen habe. Ihre Schule sei lediglich von drei Beschwerden betroffen. Zum Kommentar meint die Lehrerin, hier wäre eine kritische Recherche bei der Schülermitverantwortung, beim Elternbeirat etc. erforderlich gewesen. Dies seien die ersten Ansprechpartner. Stattdessen werde im Kommentar das Eingreifen des Schulamts gefordert. Insgesamt hält die Frau die Berichterstattung für rufschädigend. Die Rechtsabteilung der Zeitung berichtet, zu Beginn des ganzen Vorgangs habe die Elterninitiative zu einem Pressegespräch eingeladen. Ergebnis: Der bearbeitende Redakteur habe das Gespräch mit der Schule gesucht. Ihm sei bedeutet worden, dass weder der Schulleiter noch die betreffende Lehrerin sich zu den Vorwürfen äußern wollten. Den Vorwurf mangelnder Recherche weist die Zeitung zurück. Die Zeitung habe mit dem Beauftragten des Ministeriums gesprochen und nach der Zahl der Beschwerden gefragt. Der habe darauf keine Antwort geben wollen, doch pauschal mitgeteilt, er habe einen großen Block zu bearbeiten. So habe es der Redakteur geschrieben. Dabei sei nicht zum Ausdruck gekommen, dass sich diese Aussage auf alle Schulen beziehe. Die Redaktion habe beide Seiten zu Wort kommen lassen, sodass der Vorwurf von Einseitigkeit und mangelnder Recherche nicht zutreffen könne. (2010)
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„Verwirrte will Baby in Plastiktüte wegwerfen" – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung in ihrer Online-Ausgabe über eine Frau, die ihr Baby in einen Kanal werfen wollte und von einem Passanten bzw. der Polizei von ihrem Vorhaben abgehalten werden konnte. Gegen die Mutter wird nun wegen versuchter Kindstötung ermittelt. Eine Leserin sieht Ziffer 11 des Pressekodex (Sensationsberichterstattung) verletzt. Sie sei Augenzeugin des Vorfalls gewesen und wirft der Redaktion diverse falsche Angaben vor. Anders als von der Zeitung angegeben, sei weder Blut noch eine Nabelschnur zu sehen gewesen. Die Frau habe den Säugling auch nicht in den Kanal werfen wollen und nicht ein Mann habe sie aufgehalten, sondern eine Frau. Sie – die Beschwerdeführerin – habe das Baby aus der Tüte gehoben, nicht die Polizei. Die im Beitrag beschriebene 69-jährige Augenzeugin könne nur aus 200 Meter Entfernung etwas gesehen haben. Sie selbst sei mit fünf Personen bei Mutter und Kind gewesen. Die Rechtsabteilung des Verlags beruft sich auf Recherchen eines Redakteurs vor Ort. Seine Erkenntnisse habe er im Wesentlichen aus Gesprächen mit der Polizei, insbesondere dem Einsatzleiter, einer Augenzeugin des Geschehens sowie weiteren Gesprächen bei der Einsatzstelle der Polizei gewonnen. Es treffe zu, dass sich einige Angaben der Berichterstattung im Nachhinein als falsch erwiesen hätten. Grund sei jedoch keine mangelhafte Recherche, sondern vielmehr, dass sich die ersten Erkenntnisse der Polizei im Verlauf der weiteren Ermittlungen nicht bestätigt hätten. Dies betreffe auch den ursprünglichen Verdacht, die Mutter habe ihr neugeborenes Kind töten wollen. Die psychisch erkrankte Frau habe ihr schwerkrankes Kind in einer Plastiktüte spazieren getragen. Ein Tötungsvorsatz habe sich nicht nachweisen lassen. Die Redaktion habe in der nächsten Ausgabe den Vorfall erneut aufgegriffen und die ursprüngliche Berichterstattung korrigiert. (2010)
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Eine Regionalzeitung berichtet über den Streit einer Mutter mit ihrem Sohn. Es geht um Heizkosten im gemeinsam bewohnten Haus. Der Sohn hat der Mutter die Heizung abgedreht. Die Adresse der beiden wird im Bericht angegeben. Der namentlich genannte Sohn beschwert sich darüber, dass sein Name und die Adresse von der Zeitung publiziert worden seien. Der Chefredakteur der Zeitung hält die Beschwerde zum Teil für begründet. Die Frau habe ein Schild mit der Aufschrift „Hilfe, ich friere" an ihr Fenster gehängt und damit die Angelegenheit erst öffentlich gemacht. Die genaue Angabe der Adresse sei verzichtbar gewesen. Die Redaktion bittet den Beschwerdeführer um Entschuldigung. Die Namensnennung hält der Chefredakteur jedoch für gerechtfertigt. Die Mutter selbst habe sich an die Zeitung gewandt, damit diese über den Vorfall berichte. Den Tipp, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, habe das Sozialamt gegeben. Der Autor des kritisierten Artikels habe sowohl mit der Mutter als auch mit dem Sohn gesprochen. Dem Sohn sei es darauf angekommen, seine Sicht ähnlich ausführlich wie die der Mutter in der Zeitung wieder zu finden. Er habe gewusst, dass die Zeitung berichten werde und nicht untersagt, dass sein Name genannt werde. Die Chefredaktion ist der Auffassung, dass hier öffentliches Interesse die Persönlichkeitsrechte des Beschwerdeführers überlagerte. Die privaten Belange der Familie hätten durch das Schild im Fenster öffentliches Interesse hervorgerufen. (2010)
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Unter der Überschrift „Der verlorene Sohn" berichtet eine überregionale Tageszeitung über Adoptionen aus Äthiopien. Aufhänger der Geschichte ist die Adoption eines Jungen durch eine deutsche Familie. Der Bericht enthält diverse Angaben zur leiblichen und zur Adoptivfamilie. Der leibliche Vater wird mit verändertem Namen genannt. Von ihm heißt es, er wisse nicht, was Adoption eigentlich bedeute. Außerdem habe er wahrheitswidrig angegeben, dass seine Frau an Gelbfieber verstorben sei. Unter diesen Umständen habe die Adoption nicht stattfinden dürfen. Die Zeitung druckt ein Foto, das den Vater zeigt. Er hält ein verfremdetes Foto in der Hand, das den Jungen mit seiner neuen Familie zeigt. Im Bericht ist von Ungereimtheiten die Rede. Zwei Leser sehen im Bericht eine Persönlichkeitsverletzung. Durch persönliche Angaben seien die Beteiligten identifizierbar. Auch sei Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht) verletzt worden. Es werde behauptet, der leibliche Vater des Jungen wisse nicht, was eine Adoption sei. Dies stimme nicht. Auch andere im Bericht getroffene Feststellungen seien nicht richtig. Im Übrigen seien mehrere Details des Artikels auf unlautere Recherchemethoden zurückzuführen. Die Rechtsabteilung der Zeitung widerspricht den Vorwürfen. Ein Verstoß gegen Ziffer 8 (Persönlichkeitsrechte) komme nicht in Betracht, weil die Namen anonymisiert worden seien. Sollte sich der Vorwurf auf das Foto beziehen, so sei er ebenfalls nicht gerechtfertigt, da die Personen darauf nicht zu identifizieren seien. Für die von den Beschwerdeführern behaupteten Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht könne ebenfalls keine Rede sein. Die Autorin des Beitrages habe lediglich geschrieben, dass der leibliche Vater des Jungen das Wort „Adoption“ noch nie gehört habe. Der Vorwurf, die Zeitung habe behauptet, der Vater wisse nicht, was eine Adoption ist, stimme nicht. (2010)
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Eine Fachzeitschrift veröffentlicht in ihrem WM-Sonderheft 2010 Fotos der an der Endrunde der Fußballweltmeisterschaft teilnehmenden 32 Mannschaften. Auf den Bildern der sieben Teams, die von Puma ausgerüstet wurden, sind in vier Fällen der Schriftzug „Puma" sowie eine Silhouette des afrikanischen Kontinents zu sehen. Die anderen drei Fotos enthalten ein stilisiertes Herz und einen Fußball. Diese Motive sind einer Puma-Anzeige entnommen, die ebenfalls in dieser Ausgabe veröffentlicht wurde. Der Beschwerdeführer, ein Leser der Zeitschrift, teilt mit, dass die von Puma ausgestatteten Mannschaften mit derartigen zusätzlichen Elementen gezeigt würden. Er vermutet eine bewusst gesteuerte Werbung für die Sportartikel-Firma. (2010)
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„Todeskampf in der Isar" titelt eine Boulevardzeitung in Print und Online. Es geht um einen Vater, der seinen zweijährigen Sohn aus der Isar retten wollte und dabei selbst ums Leben kam. In der Printausgabe ist ein Foto des Vaters in den reißenden Fluten zu sehen. Die Bildunterschrift lautet: „Ein schreckliches Bild: Karl D. (40) versucht, seinen Buben über Wasser zu halten – kurz darauf geht der Mann unter". Die Zeitung zeigt Fotos von der Bergung der Leiche. In der Online-Ausgabe ist das Foto mit dem ertrinkenden Mann in einer Fotostrecke ebenfalls zu sehen. Ein Leser der Zeitung empfindet die Berichterstattung, vor allem jedoch das Foto mit dem in der Isar treibenden Vater, der seinen Sohn zu retten versucht, als grenzüberschreitend. Er sieht mehrere Ziffern des Pressekodex verletzt. Der Chefredakteur der Zeitung äußert Verständnis für die Beschwerde. In der Tat handele es sich um ein Bild, das beim Betrachter starke Emotionen auslöse. Man habe in der Redaktion darüber diskutiert, ob das Foto gedruckt werden solle. Schließlich habe er sich dazu entschieden. Voraussetzung sei für ihn gewesen, das Bild dokumentarisch zu zeigen, also in kleinem Format, nicht reißerisch aufgemacht, nicht als Seitenoptik. Der Augenblick, in dem das Foto entstanden sei, zeige den Rettungsversuch und nicht etwa das Ertrinken des Mannes. Der dokumentarische Charakter der Abbildung rechtfertige den Abdruck. Gleichwohl sei ihm – dem Chefredakteur – klar, dass dies ein Grenzfall sei. Nach Eingang der Presseratsbeschwerde habe man das Bild aus dem Onlineauftritt entfernt. (2010)
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Unter dem Titel „Sie suchen die vermisste Richterin mit Leichen-Hunden" berichtet die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung über die Richterin Kerstin Heisig, die sich im Juni 2010 das Leben nahm. Die Zeitung veröffentlicht den Inhalt der SMS, die Frau Heisig zuletzt an eine ihrer Töchter geschrieben hat. In der Mitteilung schreibt sie, „alles falsch zu machen". Und: „Das ist alles zu viel für mich.“ Der Beschwerdeführer – ein Nutzer der Online-Ausgabe – vertritt die Auffassung, dass mit der SMS-Veröffentlichung die Persönlichkeitsrechte der Richterin verletzt worden seien. Er wirft der Redaktion vor, unseriösen Journalismus zu betreiben. Die Rechtsvertretung der Zeitung antwortet. Eine Verletzung der Menschenwürde aufgrund der Veröffentlichung der SMS sei angesichts des genauen Wortlauts offensichtlich abwegig. In dem Beitrag selbst werde lediglich das letzte Lebenszeichen der Verstorbenen sachlich und sehr neutral wiedergegeben. Die Informationen zum Verschwinden der Richterin seien – so die Rechtsabteilung – auf legalem Wege besorgt werden. Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die Redaktion betreibe unseriösen Journalismus, sei mit dem verantwortungsbewussten Vorgehen und der Arbeitsweise der Redakteure nicht vereinbar. Die Textmitteilung sei weder vertraulichen Ermittlungsakten entnommen worden, noch auf andere unlautere Weise beschafft worden. Die Information sei vielmehr aus einer Quelle gekommen, deren Identität aufgrund des verfassungsrechtlich garantierten Informantenschutzes nicht preisgegeben werden dürfe. Die SMS entstamme zwar unmittelbar der Privatsphäre von Frau Heisig; die Wiedergabe sei jedoch aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses presseethisch zulässig. Der SMS-Inhalt sei geeignet gewesen, umlaufende Gerüchte über ein Kapitalverbrechen zu entkräften. (2010)
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„Trauer um die Toten – Das sind die Opfer der Loveparade" – so überschreibt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung ein Video. Darin werden Fotos von einzelnen Opfern gezeigt. Ihr Vorname, das Alter und der Wohnort werden genannt. Das Video ist mit Trauermusik unterlegt. Zwei Nutzer des Internetportals treten als Beschwerdeführer auf, weil sie die Persönlichkeitsrechte der Toten nach Ziffer 8, Richtlinie 8.1, des Pressekodex verletzt sehen. Einer kritisiert die Veröffentlichung von Fotos, die wahrscheinlich von den Angehörigen nicht autorisiert worden sei. Zudem sei unklar, ob die Bilder auf legalem Wege beschafft worden seien. Auch der zweite Beschwerdeführer stößt sich daran, dass die Opfer im Bild dargestellt und namentlich genannt würden, wobei die Einwilligung der Angehörigen fraglich sei. Die Rechtsabteilung des Verlages beruft sich auf Richtlinie 8.1, wo es heißt, dass Opfer von Unglücksfällen oder Straftaten „in der Regel“ nicht identifizierbar dargestellt werden, es sei denn, es lägen besondere Begleitumstände vor. In diesem Falle stehe es außer Frage, dass besondere Begleitumstände die Tragödie von Duisburg prägten, so dass auf diese Weise habe berichtet werden dürfen. Die Bilder der Opfer seien angemessen und zurückhaltend gestaltet worden. Der Verlag beruft sich auf die Spruchpraxis im Fall Winnenden, wonach die Veröffentlichung von Fotos der Opfer einer Katastrophe nicht per se gegen den Pressekodex verstößt. Neben den erforderlichen Begleitumständen sei zudem noch der Kontext der Abbildung der Opfer entscheidend dafür, ob der Abdruck zulässig sei. (2010)
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