Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
155 Entscheidungen

Ein Fehler im „Eifer des Gefechts“

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht den Beitrag „Warum löste die Polizei die Demo nicht viel früher auf?“. Dabei geht es um die Corona-Proteste Anfang August 2020 in Berlin und die aus Sicht der Autorin zögerliche Auflösung durch die Polizei. Ein Leser der Zeitung sieht mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Er kritisiert den Satz: „45 verletzte Polzisten, 133 Festnahmen, 89 Strafermittlungsverfahren und 36 Ordnungswidrigkeitsverfahren.“ Diese Mitteilung vermittele den Eindruck, dass es nur bei den Corona-Protesten zu den Vorkommnissen gekommen sei. Dies sei falsch. Die genannten Zahlen bezögen sich auf Demonstrationen in ganz Berlin. In der Vorprüfung wurde die Beschwerde auf die Ziffern 2 (Journalistische Sorgfaltspflicht) und 3 (Richtigstellung) beschränkt, da Verstöße gegen die anderen vom Beschwerdeführer angeführten Ziffern des Pressekodex nicht ersichtlich waren. Die Rechtsvertretung der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Der Justiziar zitiert die Autorin des Beitrages. Der zufolge ist im „Eifer des Gefechts“ schlicht und einfach ein Fehler passiert. Möglicherweise sei der Artikel in der Schlussredaktion aus Platzgründen gekürzt worden, so dass im Ergebnis ein nicht gewollter und falscher Eindruck entstanden sei. Es handele sich somit um ein bloßes redaktionelles Versehen ohne jeden erkennbaren Schaden und ohne größere publizistische Tragweite.

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Öffentliches Interesse überwiegt

„Arbeitsbedingungen für Erntehelfer – Tod einer Saisonarbeiterin“ – so überschreibt eine überregionale Tageszeitung online einen Beitrag, in dem es um den Todesfall einer Erntehelferin aus dem Jahr 2018 geht. Der Name des Hofbesitzers, der die Frau beschäftigt hatte, wird vollständig genannt. Der habe – so die Zeitung – beste Bedingungen gehabt, um osteuropäische Beschäftigte auf seinem Großbetrieb auszubeuten, ihnen weniger zu zahlen, als er müsste, sie einzuschüchtern, sie anzuschreien. Sein fahrlässiger Umgang mit der Gesundheit von Beschäftigten habe eine Ukrainerin im Jahr 2018 möglicherweise ihr Leben gekostet. Als Quelle für ihre Behauptungen nennt die Zeitung einen Insider und einen weiteren Informanten. Eine Leserin der Zeitung ist Beschwerdeführerin in diesem Fall. Nach ihrer Ansicht würden von der Zeitung Tatsachen verdreht. Die Erntehelferin sei in Ungarn zu Hause gewesen und nicht in der Ukraine. Sie sei eines natürlichen Todes gestorben, was der Autor des Artikels verschweige. Sämtliche Angaben beruhten auf Hörensagen. Sie spricht in diesem Zusammenhang von Rufmord. Oder solle mit unbestätigten Angaben wieder einmal eine ganze Branche – in diesem Fall die Landwirtschaft – in Verruf gebracht werden? Der von ihr kritisierte Text könne nach ihrer Meinung unter die Rubrik „Üble Nachrede“ fallen. Die Zeitung verletze durch Angaben wie Name und Adresse massiv die Persönlichkeitsrechte des Landwirts. Dieser sei weder ein verurteilter Straftäter noch eine Person des öffentlichen Lebens. Justiziar und Autor nehmen zu der Beschwerde Stellung. Sie weisen die Vorwürfe zurück. Unter anderem stellen sie fest, die Namensnennung erhöhe die Glaubwürdigkeit und die Nachprüfbarkeit des Beitrages. Die Vorwürfe seien stichhaltig gewesen. Sie seien nicht nur von einem Insider erhoben worden, sondern von zweien. Ihre Namen seien der Redaktion bekannt, könnten aber nicht veröffentlicht werden, da es sich um Leute handele, die in der Branche tätig seien. Justiziar und Autor merken an, der genannte Hof sei laut Robert-Koch-Institut (RKI) zeitweise einer der größten Corona-Hotspots in Deutschland gewesen. Dort hätten sich 250 Erntehelfer infiziert. Das zuständige Landratsamt habe erklärt, das Hygienekonzept des Betriebes habe nicht funktioniert. Der Autor merkt noch dies an: Die verstorbene Erntehelferin habe sowohl die ungarische als auch die ukrainische Staatsangehörigkeit. Dass die Frau eines natürlichen Todes gestorben sei, habe die Zeitung nie in Frage gestellt. Die Zeitung habe zudem keinesfalls die Absicht, die Landwirtschaft in Verruf zu bringen. Autoren seiner Zeitung hätten aber sehr wohl über Kritik zu möglichen Fehlentwicklungen in der Branche berichtet.

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Video passt nicht zur Realität

„Ballermann dicht – Mickie Krause geschockt von Maßnahme“ – unter dieser Überschrift berichtet eine regionale Boulevardzeitung online über die Reaktion der balearischen Regierung auf exzessive Corona-Partys auf Mallorca. Lokale in der Bier- und Schinkenstraße müssten dicht machen. Ein zum Beitrag gestelltes Video zeigt Standfotos und bewegte Bilder von Feiernden. Einen Hinweis darauf, wann die Aufnahmen entstanden sind, gibt die Zeitung nicht. Ein Leser wendet sich per Beschwerde gegen das in den Beitrag eingebettete Video. Es zeigt Bilder vom Strand von Palma, vollbesetzt mit Menschenmassen, Liegen und Schirme eng-an-eng. Aufnahmen aus dem „Bierkönig“ zeigten Hundertschaften von jüngeren, augenscheinlich alkoholisierten Personen, die teilweise auf den Tischen tanzten. Die Zeitung verwende uralte, unwahre und bewusst wahrheitsverzerrende Filmaufnahmen. Der Beschwerdeführer spricht von böswilliger und schäbiger Hetze. Er berichtet, dass er im besagten Zeitraum (Juli 2020) auf Mallorca gewesen sei. Am gesamten Strand stünden seit Anfang des Jahres keine Liegen und Schirme. Auch das Lokal „Bierkönig“ sei seit Anfang März 2020 geschlossen. Die Zeitung nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.

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Kampf gegen Sauftourismus und Corona

Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Bericht unter der Überschrift: „Mallorca macht den ´Ballermann´ dicht - ´Wir wollen diese asozialen Typen hier nicht haben´“. Im Beitrag heißt es, die balearische Regierung greife im Kampf gegen Sauftourismus und Corona durch. Alle Lokale in den Party-Zentren würden zwangsweise geschlossen. Zum Beitrag sind Standfotos und bewegte Video-Bilder gestellt. Sie zeigen feiernde Menschen in diversen Lokalen und Massen an Stränden mit dicht zusammenstehenden Sonnenschirmen und Liegen. Der Beitrag enthält keinen Hinweis darauf, wann diese Aufnahmen gemacht wurden. Die Beschwerde eines Lesers der Zeitung richtet sich vor allem gegen die Veröffentlichung des Videos. Er spricht gar von böswilliger und schäbiger Hetze. Die Zeitung würde uralte, unwahre und bewusst wahrheitsverzerrende Filmaufnahmen verwenden. Er selbst – so der Beschwerdeführer – sei im Berichtszeitraum auf Mallorca gewesen. Am gesamten Strand stünden seit Anfang des Jahres keine Liegen und Schirme mehr. Die von der Zeitung im Video genannten Lokale hätten zu Beginn der Corona-Pandemie geschlossen. Der Leiter des Online-Formats nimmt zu der Beschwerde Stellung. Er teilt mit, dass das fragliche Video von dritter Seite angeboten und verwendet worden sei. Aus Sicht der Zeitung ist es nicht unzulässig, drastische Bilder zu zeigen. Sie zeigten Szenen, gegen die sich viele Bürger von Mallorca wehrten. Die Redaktion bekennt: Wenn Archivmaterial verwendet werde, müsse dieses als solches gekennzeichnet werden. Sie sei mit dem Anbieter im Gespräch, um zu klären, wie derartiges künftig vermieden werden könne.

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Richtigstellung war erforderlich

Eine Großstadtzeitung veröffentlicht einen Leitartikel unter der Überschrift „Am Ende siegt die Vernunft“. Darin kritisiert die Autorin die Teilnehmer an der Corona-Demonstration im August 2020 in Berlin, sieht aber im Ergebnis einen Sieg der Vernunft, da die „Mitte der Gesellschaft“ nicht von der Corona-Skepsis erfasst sei. Am gleichen Tag veröffentlicht die Zeitung einen Artikel unter dem Titel “Breite Kritik an Berliner Großdemo“. Darin wird über die Kritik von Politikerinnen und Politikern an den Teilnehmern der sogenannten Corona-Demo berichtet. Eine Leserin der Zeitung sieht Verstöße gegen mehrere presseethische Grundsätze. (In der Vorprüfung wird das Verfahren beschränkt auf den Leitartikel „Am Ende siegt die Vernunft“ sowie die Ziffern 2 und 3 des Pressekodex. Diese betreffen die Journalistische Sorgfaltspflicht bzw. eine Richtigstellung). In den übrigen Punkten wird die Beschwerde als offensichtlich unbegründet bewertet. Die Beschwerdeführerin bemängelt, in dem Leitartikel sei davon die Rede, dass 18 Polizisten bei der von einem Mann namens Michael Ballweg angemeldeten Demonstration verletzt worden seien. Das beruhe auf einer falschen Agenturmeldung, die bislang in der Zeitung nicht korrigiert worden sei. Für die Zeitung nimmt die Autorin des Leitartikels Stellung. Sie gibt der Beschwerdeführerin Recht. Sie habe in ihrem Beitrag eine falsche Angabe aus einer Agenturmeldung übernommen. Die Zahl von 18 verletzten Polizisten habe sich auf alle an diesem Tag bei Demonstrationen in Berlin verletzten Polizisten bezogen. Da der Artikel online nicht erschienen sei und die Zeitung in der Folgeberichterstattung gedruckt und online die korrekte Zahl der verletzen Polizisten genannt habe, habe sie auf eine formelle Korrekturmeldung verzichtet. Da habe man sicher genauer sein und die Leserinnen und Leser direkter auf den Fehler hinweisen können, zumal es sich um einen hervorgehobenen Platz im Blatt gehandelt habe. Dafür übernehme sie als Autorin und Diensthabende die Verantwortung und entschuldige sich.

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