Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

In mehr als 90 Fällen straffällig geworden

„91 Fälle, 12 Namen, 0 Konsequenzen“ unter dieser Überschrift berichtet eine überregionale Sonntagszeitung über den abgelehnten Asylbewerber Koffi G. aus Togo. Dessen Asylantrag sei schon 2006 abgelehnt worden. Seitdem lasse sich die Justiz von dem Mann „narren“, heißt es in der Unterzeile zur Überschrift. Ein Porträt von Koffi G. ist großflächig abgebildet. Augen und Nase sind verpixelt. Sein Foto habe wochenlang in den Dienststellen der Polizei gehangen. Nach dem abgelehnten Asylbewerber sei in einer „nicht-öffentlichen Fahndung“ gesucht worden. Wie die Zeitung berichtet, sei Koffi G. gewalttätig, nehme Drogen und sei HIV-positiv. Mehr als 90mal sei der Mann polizeilich in Erscheinung getreten, u.a. unter dem Verdacht von Hausfriedensbruch, Diebstahl, Raub, Vergewaltigung und schwerer Körperverletzung. Er habe 12 Falschnamen benutzt. Die Verantwortlichen hätten ihn aber immer wieder laufen lassen. Der Beschwerdeführer übt Kritik an dem Foto und dem beigefügten Text, der diese Passage enthält: „Der Mann schaut grimmig in die Kamera“. In Wirklichkeit schaue der Mann an der Kamera vorbei. Die Wiedergabe der Anmerkung eines CSU-Politikers („Solche gemeingefährlichen Täter gehören sofort aus dem Verkehr gezogen“) und die redaktionelle Passage „Justiz ließ sich von dem Mann aus Togo narren“ hätten den „neu-rechten Stammtisch“ zu Ehren gebracht. Die Redaktion habe sich ein weiteres Mal – so der Beschwerdeführer – zum Steigbügelhalter neurechter Hetze gemacht. Insgesamt sieht der Beschwerdeführer mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Die Rechtsvertretung des Verlages weist die Vorwürfe zurück. Ein Verstoß gegen die Ziffer 8 liege nicht vor, da in dem Beitrag dem Schutz der Persönlichkeit ausreichend Rechnung getragen worden sei. Durch die Berichterstattung werde der Togolese nicht identifizierbar. Außerdem beruft sich die Zeitung auf das überwiegende Berichterstattungsinteresse an diesem Fall. Dieses überwiege die schutzwürdigen Interessen des Mannes. Wer derart oft und schwerwiegend strafrechtlich in Erscheinung getreten sei und dadurch eine gewisse „zeitgeschichtliche Berühmtheit“ erlangt habe, müsse mit der Konsequenz leben, dass die Presse über ihn berichte.

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„Wirre Äußerungen“ mit weiterem Spin

Eine Wochenzeitung berichtet online unter der Überschrift „Wirre Wege“ über die Reise des ehemaligen SPD- und Links-Partei-Politikers Ralph Thomas Niemeyer zum Eastern Economic Forum in Wladiwostok. Im Netz hätten Videos und Bilder kursiert, die ihn dort „mit russischen Politprominenten“ zeigten. Niemeyer habe folgendes getwittert: „Die Verhandlungen mit Russland über Gaslieferungen für den kommenden Winter laufen gut! Gazprom-Chef Alexej Miller und Präsidentenberater Dmitry Peskov werden uns als Vertreter Deutschlands im Sinne des Selbstbestimmungsrechts der Völker anerkennen.“ Zwei Tage später – so die Zeitschrift – habe Niemeyer nachgelegt:“ Wir haben heute als deutsche Exilregierung die Alliierten von 1945 angeschrieben und Friedensverhandlungen gefordert. Außerdem den 45. Präsidenten der USA, Donald J. Trump, sollte es sich herausstellen, dass Biden nicht rechtmäßig im Amt ist“. Der Beschwerdeführer kritisiert, Niemeyer sei kein Twitter-Nutzer und twittere demnach auch nicht selbst. Dies habe er Vertretern der Presse gesagt und auch in seinem Telegramkanal klargestellt. Die zitierten Tweets stammten von einem Twitterkonto, das erst wenige Tage vor Erscheinen des Beitrags eröffnet worden sei und sich ausschließlich vom Telegramkanal Niemeyers inspirieren lasse. Dabei gäben die Tweets des Twitterkontos, das den Anschein erwecke, von Niemeyer genutzt zu werden, den „wirren Äußerungen“ von Niemeyer noch einmal einen weiteren Spin. Die zitierten Tweets ließen Niemeyer noch ein wenig wirrer erscheinen als er ohnehin schon sei. Die Redaktion verzichtet auf eine Stellungnahme.

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Für ein erweitertes Umfeld identifizierbar

Eine Boulevardzeitung berichtet online über Ermittlungen gegen den Platzwart eines Fußballvereins, der in einer norddeutschen Großstadt beheimatet ist. Der Mann wird mit Foto gezeigt. Über die Augenpartie ist ein schwarzer Balken gelegt. Der Vorname und der abgekürzte Nachname werden genannt. Im Beitrag steht dieser Satz: „Der Platzwart ist ein Kinderschänder – und hat gestanden!“ Der Beschwerdeführer merkt an, dass es einer Verurteilung bedürfe, um den Betroffenen als Straftäter zu bezeichnen. Der Mann sei Teil eines Ermittlungsverfahrens. Die im Bericht geäußerte Vorverurteilung „Der Platzwart ist ein Kinderschänder“ verletze den Pressekodex. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist den Vorwurf des Verstoßes gegen presseethische Grundsätze zurück. Sie beruft sich auf Ziffer 8, Richtlinie 8.1, Absatz 2, des Pressekodex. Daraus ergebe sich ein klares Überwiegen des Berichterstattungsinteresses gegenüber den schutzwürdigen Belangen des Betroffenen. Der Beitrag befasse sich mit dem Vorwurf eines mehrfachen sexuellen Missbrauchs an Kindern. Damit handele es sich um eine „außergewöhnlich schwere Straftat“ im Sinne der Richtlinie 8.1 des Kodex. Die Rechtsvertretung vertritt die Auffassung, dass mit dem Bericht den Grundsätzen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung und der presseethischen Sorgfaltspflicht entsprochen worden sei.

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Boulevardzeitung korrigiert umgehend einen Fehler

„ER ist jetzt der reichste Deutsche“ – so überschreibt eine Boulevardzeitung online einen Beitrag über das Ranking der reichsten Deutschen. Die Liste werde in diesem Jahr von dem Unternehmer und Lidl-Gründer Dieter Schwarz angeführt. Zum Beitrag gestellt ist ein Foto des Unternehmers. Die Bildunterschrift lautet: „Lidl-Gründer Dieter Schwarz (83) ist der reichste Deutsche“. Der Beschwerdeführer kritisiert die Veröffentlichung. Die Bildunterschrift stimme nicht mit dem Foto überein. Das Bild zeige nicht Dieter Schwarz, sondern Michael Otto. Die Rechtsvertretung der Zeitung übermittelt die Stellungnahme des zuständigen Redakteurs. Dieser schreibt, es ein Fehler eines eigentlich sehr zuverlässigen Fotokollegen gewesen. Die Redaktion habe den Fehler schnell korrigiert. Die Rechtsvertretung teilt mit, die Version mit dem falschen Foto sei nur 17 Minuten lang online gewesen. Es handele sich um ein redaktionelles Versehen, wie es im schnellen Alltag des Onlinejournalismus nun einmal passieren könne.

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Solle Karl Lauterbach entführt werden?

Ein Nachrichtenmagazin veröffentlicht online den Kommentar eines Nutzers zu einem Artikel unter der Überschrift „Warum Karl Lauterbach von Israel schwärmt“. Der User äußert darin die Auffassung, dass man Lauterbach kidnappen und zu einer Informationsreise nach Schweden zwingen sollte. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass es einen realen Plan gegeben habe, Karl Lauterbach zu entführen. Vor diesem Hintergrund stelle der Userbeitrag eine Verletzung der Menschenwürde und des Persönlichkeitsschutzes (Opferschutz) des Ministers dar. Der Beschwerdeführer berichtet, er habe das Magazin auf seine Verantwortung für Nutzerbeiträge nach Richtlinie 2.7 des Pressekodex aufmerksam gemacht. Der Kommentar sei jedoch nicht entfernt worden. Das Justiziariat des Nachrichtenmagazins teilt mit, dass nach Richtlinie 2.7 eine direkte Verantwortlichkeit der Redaktion für die Veröffentlichung des User-Kommentars nicht gegeben gewesen sei. Dennoch habe sich die Redaktion entschlossen, den Kommentar zu löschen. Begründung: Sie habe ihn als Verstoß gegen die engeren Grenzen der eigenen Etikette gewertet, auch wenn er weder gegen Ziffer 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) noch Richtlinie 8.2 (Schutz der Persönlichkeit) verstoßen habe. Nach alledem sei die Beschwerde unbegründet.

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Villa ist in der Kleinstadt Stadtgespräch

„Unter der Überschrift „Panoramablick inklusive“ berichtet eine Regionalzeitung über eine lokale, zum Verkauf stehende Villa. Neben einer Kurzbeschreibung des Anwesens äußert sich der Eigentümer zu der Immobilie. (Passage: „Freunde haben gesagt, wir seien verrückt, wenn wir das verkaufen.“) Zudem wird der beauftragte Makler genannt und mit einer allgemeinen Einordnung des aktuellen Immobilienmarktes zitiert. Die Beschwerdeführerin stellt aus ihrer Sicht fest, der Artikel sei reine Werbung für die beschriebene Immobilie. Über die für potenzielle Käufer relevanten Daten hinaus biete er keinerlei Informationsgehalt. Er gebe vielmehr den Verkäufern und dem Makler, dessen Firma genannt werde, noch zusätzlich Raum. Die Chefredakteurin der Zeitung teilt mit, in dem Bericht gehe es um ein für den Ort besonderes Objekt. Die beschriebene Villa liege in exponierter Lage und sei in der Kleinstadt mit rund 9.000 Einwohnern immer wieder Stadtgespräch. Auch der Wert der Immobilie von knapp drei Millionen Euro zeige die Alleinstellung des Objekts. Die Redaktion - so die Chefredakteurin weiter – halte in der Gesamtbewertung die redaktionelle Berichterstattung für angemessen. Sie sehe darin keinesfalls eine werbliche Darstellung.

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Informationen nicht sorgfältig wiedergegeben

„Flächenspeicherheizung: Der Notfallplan für den Zitterwinter ohne Gas“ – so lautet die Überschrift eines Beitrages, den ein Nachrichtenmagazin online veröffentlicht. Darin geht es um unterschiedliche Heizmöglichkeiten. Die Erdölheizung stehe vor dem Aus und werde nicht mehr verbaut. Eine elektrische Wärmepumpe könne die Lösung sein, werde staatlich gefördert, arbeite aber nur effizient mit einer Fußbodenheizung und sei teuer (um die 8.000 Euro) in der Anschaffung. Hinzu komme die Entsorgung der alten Heizung. Der Anschluss ans Fernwärme-Netz sei eine gute Option, Heizkosten zu sparen, verursache aber ebenfalls hohe Kosten. Besonders viel Auswahl biete sich Käufern einer Flächenspeicherheizung nicht. Der Beschwerdeführer widerspricht Teilen des Beitrages. Erdöl-Heizungen würden weiterhin verbaut. Eine elektrische Wärmepumpe arbeite auch ohne Fußbodenheizung effizient. Zum Sparen von Gas reichten auch Luft-/Luftwärmepumpen, die man bereits für 1000 bis 1500 Euro kaufen könne. Man müsse dafür nicht die alte Anlage entsorgen. Die Rechtsabteilung des Verlages weist die Vorwürfe des Beschwerdeführers als nicht zutreffend zurück. Zwei der kritisierten Passagen habe die Redaktion zur Vermeidung von Missverständnissen neu gefasst.

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„Ein Projekt von regionalem Interesse“

„Idyllische Lage, behindertengerechter Ausbau“ – so lautet die Überschrift zu einem Beitrag, den eine Regionalzeitung online veröffentlicht. Der Artikel informiert über ein für das kommende Jahr geplantes Neubauprojekt mit zwölf Eigentumswohnungen in einer Stadt des Verbreitungsgebietes. Das Objekt wird ausführlich beschrieben und angepriesen. Zu Wort kommt auch der Geschäftsführer des Bauträgers, der sich positiv über die Lage des Hauses und die Wohnungen äußert. Der Beschwerdeführer sieht einen Fall von Schleichwerbung. Der Chefredakteur teilt mit, dass der beanstandete Text nicht nur online, sondern auch in der gedruckten Ausgabe erschienen sei. Er wolle klarstellen, dass es sich bei dem Artikel um einen redaktionellen Beitrag handele, der ein Bauprojekt von regionalem Interesse beschreibe. In der Stadt habe das Thema Bauen eine Sonderrolle. Sie gehöre zu den Städten im Land mit den niedrigsten Mieten. Aus historischen Gründen gebe es in der Stadt ein Überangebot an Wohnungen. Damit einhergehe, dass die Preise vergleichsweise niedrig seien und sich viele Wohnungen in einem schlechten Zustand befänden. Wenn nun wie in diesem Fall ein Bauunternehmer Geld in die Hand nehme und an einer exponierten Lage ein Projekt mit zwölf Wohneinheiten mit gehobenem Standard verwirklichen wolle, stoße dies auf ein erhebliches öffentliches Interesse.

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„Die Ermittler lasen alles mit“

Redaktionsmitglieder werben für Trachten

Eine Münchner Tageszeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Tradition liegt bei Trachten im Trend“. Der Artikel beschäftigt sich mit Bekleidungstrends in der Trachtenmode anlässlich des Beginns des Münchner Oktoberfestes. Zu Wort kommen in dem Beitrag sechs regionale Anbieter aus der Branche. Auf einem beigestellten Foto sind zwei Redaktionsmitglieder in Trachtenkleidung zu sehen. Die Hersteller und die Preise der Kleidungsstücke, die die beiden tragen, werden genannt. Ebenso das Geschäft, das die Bekleidung für das Foto zur Verfügung gestellt hat. Der Beschwerdeführer sieht in dem Beitrag Schleichwerbung für die Hersteller der Kleidung sowie für das genannte Geschäft. Der Chefredakteur für den Bereich Heimatzeitungen teilt mit, dass die Frage, was man beim Oktoberfest an Kleidung trage, viele Leserinnen und Leser umtreibe. Die Redaktion habe sich daher bei mehreren Trachtengeschäften in der Region nach den aktuellen Trends erkundigt. Um diese sichtbar zu machen, hätten zwei Mitarbeiter für ein Foto Trachtengewänder angezogen. Zum Leser-Service gehöre auch dazu, zu beschreiben, was die beiden Modelle auf dem Bild tragen. Es würden keine Kleidungsstücke angepriesen. Man habe auch kein Geschäft und kein Produkt in den Mittelpunkt gerückt. Einen Verstoß gegen presseethische Grundsätze vermag er - der Chefredakteur – nicht zu erkennen.

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