Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6869 Entscheidungen
In einer Zeitschrift beschreibt ein Journalist unter der Überschrift „Die Beichte“ das „Experiment“ einer „Reise durch die Welt der Todsünden und ihrer Vergebung“. Der Autor hatte in den Beichtstühlen fünf verschiedener katholischer Kirchen fingierte Sünden wie Ehebruch, Nötigung zur Abtreibung, Völlerei und Betrug gestanden. In seinem Artikel vergleicht er die Reaktion der jeweiligen Beichtväter, die weder dogmatisch noch uninteressiert oder unprofessionell gewesen seien. Was irdisches Leben zerbrechen lassen könne, sei aber für die mit dem direkten Draht nach oben schnell abgehakt. Spätestens nach 15 Minuten sei – aus kirchlicher Sicht – sein Leben wieder in Butter gewesen, fasst der Rechercheur die Eindrücke seiner Rundreise durch fünf Beichtstühle zusammen. In seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat bezeichnet der Pressesprecher eines Erzbistums die Preisgabe absolut vertraulicher Gespräche als schamlos. Besonders bedenklich sei die Berichterstattung auch deshalb, weil keiner der Beichtväter sich gegen diese Berichterstattung wehren könne, da er selbst absolut an das Beichtgeheimnis gebunden sei. Die Vorspiegelung einer Beichtsituation allein deshalb, um sie in den Medien zu verbreiten, stelle eine unlautere Methode dar. Eine für viele Menschen wertvolle Einrichtung des Umgangs mit individueller Schuld werde hier im Kern entwertet und öffentlich zur Disposition gestellt. Der sakramentale Charakter der Beichte als Wesensbereich des katholischen Glaubens werde herabgewürdigt und ins Lächerliche gezogen. Die Rechtsabteilung des Zeitschriftenverlags weist alle Vorwürfe kodexwidrigen Verhaltens zurück. In der Beschwerde fehle die schlüssige Begründung dafür, weshalb es dem Beichtenden verwehrt sein solle, über Wahrnehmungen anlässlich seiner Beichte zu berichten. Eine Vertraulichkeit sei schließlich nicht vereinbart worden. Der Beschwerdeführer lasse auch nicht erkennen, welche personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationen oder Bilder mit unlauteren Mitteln beschafft worden seien. Hier handele es sich eindeutig um eine Meinungsäußerung in satirischem Gewand, das weder das sittliche noch das religiöse Empfinden verletze. (2003)
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Das frühere Führungstrio eines Sofware-Unternehmens steht wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe vor Gericht. Die Zeitung am Ort berichtet über den Auftakt des Prozesses und erwähnt u.a., dass die Angeklagten die Erfinder der Telefonbuch-CD-Rom „D-Info“ gewesen seien. Ihr Unternehmen habe in den 90er Jahren die Telefonbücher der Telekom ohne deren Einwilligung kopiert und mit Millionengewinnen als CD-Rom verkauft, sei aber dann wegen Verletzung des Urheberrechts verurteilt worden. In dem Bericht über das neuerliche Verfahren zitiert die Zeitung einen der Angeklagten, der die Trickserien des Trios als „steuerlichen Humbug“ bezeichnet habe, die angeblich der frühere Steuerberater des Unternehmens ausbaldowert haben soll. Dieser Steuerberater wird in dem Beitrag namentlich genannt. Auch in dem Bericht über den Ausgang des Verfahrens wird erneut an den Steuerberater erinnert, mit dem die drei Ex-Manager schlecht beraten gewesen seien. Er habe das Know-how für die verschiedenen Tatvarianten geliefert und die Vorstände hätten bereitwillig mitgemacht, zum Beispiel bei Scheinzahlungen an Briefkastenfirmen, zitiert das Blatt die Vorsitzende Richterin. Der Steuerberater, der in dem Beitrag namentlich genannt wird, sieht in der Namensnennung eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts und beschwert sich darüber beim Deutschen Presserat. Zudem entspreche die Darstellung der Vorgänge nicht der Wahrheit bzw. werde durch eine unvollständige Berichterstattung über die Gerichtsverhandlungen insgesamt ein unzutreffender Eindruck vermittelt. Der Chefredakteur der Zeitung bittet den Presserat per E-Mail, die Beschwerde abzuweisen. Im vorliegenden Fall sei das Informationsinteresse der Öffentlichkeit eindeutig zu bejahen. Die Vorgänge um die betroffene Firma und das Ergebnis der verschiedenen Gerichtsverhandlungen hätten erhebliches Aufsehen erregt und im Blickpunkt der Öffentlichkeit gestanden. Bei dem Beschwerdeführer handele es sich um einen über die Ortsgrenzen hinaus bekannten Geschäftsmann, der seinerseits selbst oftmals den Weg in die Öffentlichkeit gesucht habe. Dies würden u.a. seine selbst verfassten Pressemitteilungen belegen. Der Chefredakteur merkt noch an, dass der Steuerberater in der Zeit vor seiner Eingabe beim Presserat eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte gegenüber der Zeitung nie geltend gemacht habe. Auch habe er nichts dagegen gehabt, sich durch den Fotografen der Redaktion ablichten zu lassen. (2003)
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Drei einstige Chefs eines Software-Unternehmens stehen wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe vor Gericht. Eine Regionalzeitung berichtet in mehreren Folgen über den Ablauf und den Ausgang des Prozesses. Sie erwähnt, dass die Tricksereien der Manager aufgeflogen seien, nachdem das Vorstandstrio seinen einstigen Steuerberater bei der Staatsanwaltschaft wegen Untreue angezeigt hatte. Jener habe, so einer der Verteidiger, aus dem Gefängnis mit einer Selbstanzeige „zurückgeschossen“. Das Unternehmen hatte in den 90er Jahren die Telefonbücher der Telekom ohne deren Einwilligung kopiert und mit zweistelligen Millionengewinnen als CD-Rom verkauft. In dem Zeitungsbericht heißt es, die drei Vorstandsmitglieder sähen sich von ihrem Berater aufs Kreuz gelegt. Juristisch habe man mit dem elektronischen Telefonnummern-Verzeichnis eine Niederlage nach der anderen kassiert. Die Telekom habe den Vorstand unerbittlich von einem Gericht zum nächsten gezerrt, denn das Unternehmen habe den Inhalt der Telefonbücher abgekupfert, ohne Lizenzgebühren zu berappen. Mit der Gründung eines Österreich-Ablegers hätten die Angeklagten gehofft, vor der Telekom sicher zu sein. Nach Ansicht der Anwälte sei der Steuerberater der „geistige Vater“ des Steuerhinterziehungs-Konzeptes. Die Zeitung zitiert einen der Angeklagten, der Steuerberater habe diesen Dreh missbraucht, um „die Firma an sich zu reißen“. Entgegen den Absprachen habe er die Anteile an der Österreich-Firma nicht an das Manager-Trio übertragen. Als „Fan von hochkomplizierten Firmen-Konstruktionen“ habe der Berater das Ziel verfolgt, „seine Mandantschaft in eine Situation zu bringen, wo man abkassieren kann.“ Nach Mitteilung einer Verteidigerin habe der Steuerberater in Österreich 5 Millionen Euro „abgeräumt“. Der Berater sei wegen Untreue bereits im Jahre 2000 zu fast fünf Jahren Haft verurteilt worden. Die Österreich-Millionen, berichtet die Zeitung, seien nach Ansicht der Verteidigung nicht weg, sondern gehörten nur jemand anderem. In dem Beitrag über den Ausgang des Verfahrens zitiert das Blatt aus der Urteilsbegründung der Vorsitzenden Richterin, die den Angeklagten Geldzahlungen und gemeinnützige Arbeit zur Auflage macht. Mit einem „ausgeklügelten System“ von „abenteuerlichen Firmenkonstruktionen“ hätten die Angeklagten erhebliche Einkünfte am Fiskus vorbei ins Ausland geschafft. Sie seien auf diesem Weg ihrem Steuerberater gefolgt. Wer sich mit einem „solchen bedenkenlosen Charakter“ einlasse, liefere sich ihm aus und mache sich erpressbar. Der Steuerberater, der in den Beiträgen mehrere Male namentlich genannt wird, sieht in der Namensnennung eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts und beschwert sich darüber beim Deutschen Presserat. Zudem entspreche die Darstellung des Falles nicht der Wahrheit bzw. werde durch eine unvollständige Berichterstattung über die Gerichtsverhandlungen insgesamt ein unzutreffender Eindruck vermittelt. Der Chefredakteur der Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet. In keiner der Veröffentlichungen werde die Ehre des Beschwerdeführers verletzt. Die Artikel enthielten wahre Informationen im Zusammenhang mit einem Strafverfahren gegen die ehemaligen Chefs des Sofware-Unternehmens, das ein erhebliches öffentliches Interesse gefunden habe. Seine Redaktion vertrete den Standpunkt, dass der Beschwerdeführer als relative Person der Zeitgeschichte anzusehen sei. Die Zeitung habe nicht über den Privatmann, sondern über dessen berufliche Rolle als Berater der Angeklagten berichtet, die auf der Grundlage dieser Beratung strafbare Handlungen begangen hätten und deshalb verurteilt worden seien. Der Chefredakteur sieht die Beschwerde auch deshalb als unbegründet an, weil der Betroffene durch die Herausgabe verschiedener eigener Veröffentlichungen zu den von ihm gerügten Komplexen in die Nennung seines Namens in diesen Zusammenhängen eingewilligt habe. Der Steuerberater habe zum Zeitpunkt des Prozesses gegen die ehemaligen Chefs des Unternehmens in starkem Maße von sich aus die Öffentlichkeit gesucht. In einer Presseerklärung anlässlich des bevorstehenden Strafverfahrens gegen die ehemaligen Manager habe er unter Angabe seines vollen Namens seine Sicht der Dinge mitgeteilt. (2003)
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Unter der Überschrift „Widerstand gegen Polizei wird teuer“ berichtet eine Regionalzeitung über eine Gerichtsverhandlung. Dabei geht es um die Beteiligung eines jungen Mannes an einer Sitzblockade, die sich gegen einen Umzug der NPD richtete. In diesem Umfeld kommt es zu Schlägereien mit Polizeibeamten. Der Angeklagte wird wegen versuchter Körperverletzung und Widerstand gegen Vollzugsbeamte zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt. Die Zeitung berichtet mit Nennung des Namens „Student Mark Freiherr von F. (25)“ und der Angabe der Straße, in der er wohnt. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Nennung seines Namens und die Angaben zu seiner Adresse. Er ist der Ansicht, trotz der Abkürzung seines Familiennamens sei er schon durch die Bezeichnung „Freiherr“ leicht zu identifizieren. Durch die Angabe seiner Adresse werde der besondere Schutz, den der private Wohnsitz genieße, nicht beachtet. Der Beschwerdeführer, der den Deutschen Presserat anruft, weist darauf hin, dass er bei früheren Kontakten mit dem Autor des Artikels anonym aufgetreten sei. Er begründet dies damit, dass er schon früher von organisierten Neonazis identifiziert und mit Gewalttaten bedroht worden sei. Dem Autor des Artikels sei dies bekannt gewesen. Der Chefredakteur der Zeitung weist darauf hin, dass die Redaktion nach gängiger Praxis immer Familienamen von Tätern und Opfern abkürze. Damit habe die Redaktion formal richtig gehandelt. Er räumt ein, dass die Streichung des Zusatzes „Freiherr“ eine weiterreichende Anonymisierung ermöglicht hätte. Ähnlich verhalte es sich mit der Angabe der Wohnstraße. Zwar sei dies eine sehr lange und dicht bebaute Straße, doch gelte hier, dass die Angabe für das Verständnis des Beitrages ohne Belang gewesen sei. Mit dem Autor werde man ein ausführliches Gespräch über die Anwendung des Pressekodex führen. (2003)
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Eine Boulevardzeitung berichtet in großer Aufmachung, dass ein 31jähriger Mann – als Fotograf getarnt – vom Rathausturm gesprungen sei. In dem Artikel heißt es, der verzweifelte Selbstmörder habe keinen Ausweg mehr gesehen, weil seine Frau sich habe scheiden lassen wollen. Beigestellt ist dem Beitrag ein Foto, das die zugedeckte Leiche des Mannes zeigt. Ein Leser des Blattes moniert in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat, dass die Zeitung die gebotene Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbstmorde missachtet habe. Die Würde des Selbstmörders werde in dieser Darstellung nicht gewahrt. Dies sei um so bedauerlicher, als die Zeitung ein Jahr zuvor in ähnlicher Sache bereits nicht-öffentlich gerügt worden sei. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, dass sie im Vorfeld der Berichterstattung bei mehreren engen Freunden des Toten recherchiert und dabei erfahren habe, dass es vermutlich aus Anlass der bevorstehenden Scheidung zu der Tat gekommen sei. Die zuständige Polizeidirektion habe bestätigt, dass auch ihre Erkenntnisse in diese Richtung gingen. Die Chefredaktion kritisiert, dass der Beschwerdeführer mit dem Toten nichts zu tun habe. Nach ihrer Ansicht versuche hier ein Dritter ohne jeglichen Bezug zu der Berichterstattung, seine publizistischen Vorstellungen über den Presserat gegen die Redaktion der Zeitung durchzusetzen. Die Berichterstattung befasse sich mit einem Geschehnis der Zeitgeschichte. Der Selbstmörder habe versucht, die größtmögliche Aufmerksamkeit auf seine Tat zu lenken. Er habe sich als Journalist ausgegeben, unter Hinweis auf beabsichtigte Fotoaufnahmen die Pressestelle des Rathauses aufgesucht und sich von deren Mitarbeitern zur Aussichtsplattform des Rathausturms begleiten lassen. Dann habe er sich in die Tiefe gestürzt. Dies sei ein Vorgang, über den – auch fotografisch – berichtet werden dürfe. Dabei habe die Zeitung den Vorgang anonymisiert. Auch auf dem Foto sei der Betroffene nicht identifizierbar. (2003)
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Eine Boulevardzeitung berichtet über einen 20jährigen Jugendlichen, der mit einem Intelligenz-Quotienten von 56 als schwachsinnig gelte, mit 1,81 m Größe und 85 Kilo Gewicht aber ein Kampfsportler sei. Seit seinem 10. Lebensjahr habe er schon 81 Strafanzeigen u.a. wegen Körperverletzung, Raub und versuchtem Totschlag bekommen. Trotzdem habe er immer eine verständnisvolle Richterin gefunden. Statt für harte Strafen habe sich die Juristin für Haftverschonung, Bewährung und Anti-Gewalt-Seminare entschieden. „Warum hat ihn diese Richterin nie weggesperrt?“ fragt die Zeitung in ihrer Schlagzeile. In dem Artikel werden der Vorname, das Initial des Familiennamens sowie das Alter der Richterin genannt. Zudem wird ein Foto von ihr mit Augenbalken veröffentlicht. Die zuständige Justizsenatorin schaltet den Deutschen Presserat ein. Sie ist entsetzt, wie die Zeitung mit der Jugendrichterin umgegangen sei. Durch ein großes und kaum anonymisiertes Foto und die Darstellung im Text sei sie quasi „zum Abschuss“ freigegeben worden. Die genaue Angabe der Abteilung des Amtsgerichts in Kombination mit Hinweisen zur Person machten sie für jeden halbwegs engagierten Nachfrager persönlich erkennbar. Damit sei ihr Persönlichkeitsrecht eindeutig verletzt worden. Weiterhin sei sie in ihrem privaten Umfeld von Mitarbeitern der Zeitung überraschend aufgesucht und fotografiert worden. Auch dies sei ein unzumutbarer Eingriff in ihr Privatleben. In dem Artikel werde zudem der sachlich falsche Eindruck erweckt, der Täter befinde sich auf freiem Fuß, obwohl er zur Zeit eine durch die angegriffene Jugendrichterin verhängte Jugendstrafe von vier Jahren verbüße. In einem anderen Verfahren gegen ihn habe die Richterin auch noch eine bislang nicht rechtskräftige Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten ausgesprochen. Die Beschwerdeführerin fügt ihrer Eingabe zwei Gegendarstellungen bei. Die erste stammt von der betroffenen Richterin, die zweite von dem erwähnten Straftäter. In beiden Fällen fügt die Redaktion an, dass der Inhalt der Gegendarstellungen korrekt sei. Die Redaktionsleitung der Zeitung entgegnet, dass das Persönlichkeitsrecht der Richterin durch die Berichterstattung nicht verletzt worden sei. In ihrer Funktion bekleide sie ein öffentliches Amt. Bei einer Berichterstattung über ihr Berufsleben müsse sie deshalb auch mit der Möglichkeit einer Identifikation leben. Keinesfalls sei sie, wie die Beschwerdeführerin anführe, in unzumutbarer Weise belästigt worden. Die zuständige Redakteurin habe von ihrer Geschäftsstelle die Anweisung erhalten, die Richterin zu Hause aufzusuchen, und habe zu diesem Zweck auch die genaue Anschrift genannt bekommen.. Sie habe die Richterin angetroffen, sich ordnungsgemäß vorgestellt und sich für die private Störung entschuldigt. Die Richterin habe daraufhin den Namen der Redakteurin wissen wollen und ihre Wut über den Besuch zum Ausdruck gebracht. In der Sache habe man sich nicht unterhalten. Durch die Überschrift solle keineswegs der Eindruck vermittelt werden, dass sich der jugendliche Straftäter noch auf freiem Fuß befinde. Vielmehr solle dem Leser verdeutlicht werden, dass es einem 20jährigen gelungen sei, in hundert Fällen strafrechtlich in Erscheinung zu treten, ohne dass ernsthafte Gegenmaßnahmen getroffen worden seien. (2003)
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Unter der Überschrift „Immer wieder überschatten menschliche Dramen das Weihnachtsfest“ schildert eine Boulevardzeitung Fälle von Selbsttötung und schwere Verkehrsunfälle an den „stillen Tagen“. U.a. berichtet sie über den freiwilligen Tod eines 50jährigen, der sich im Wald wegen privater Probleme die Pulsadern aufgeschnitten hat und verblutet ist. Sie zeigt ein Foto des Mannes, nennt Vornamen, Initial des Familiennamens, Alter und Wohnort. Der Bruder des Betroffenen legt seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat die Kopie eines Schreibens an die Redaktionsleitung bei. Darin äußert er Kritik an der Berichterstattung, welche die gebotene Zurückhaltung vermissen lasse. Sein Bruder hinterlasse zwei minderjährige Kinder im Alter von acht und neun Jahren, die durch die Berichterstattung belastet würden. Die Rechtsabteilung des Verlages weist darauf hin, dass der Berichterstattung eine große öffentliche Fahndung nach dem vermissten Mann vorausgegangen sei. Im Rahmen dieser Aktion habe die Polizei den Medien das Foto des gesuchten Mannes zur Verfügung gestellt. Die Medien hätten dann auch über sein Verschwinden berichtet. Auf Grund dieser Vorgeschichte habe man die Öffentlichkeit dann auch über den tragischen Ausgang der Fahndung informieren müssen. Die Redaktion habe es nicht dabei bewenden lassen können, schlicht darauf hinzuweisen, dass man den Mann tot im Wald gefunden habe. Hier wäre beim Leser die Frage nach dem Warum offen geblieben. Reißerisch und bluttriefend sei die Berichterstattung nicht. Die Zurückhaltung sei gewahrt worden. Der Verfasser des Artikels habe dem Bruder des Toten sein Bedauern über die Folgen der Berichterstattung ausgedrückt. Diese Entschuldigung habe der Beschwerdeführer angenommen. (2002)
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Ein Gymnasium startet ein neues Projekt zur Suchtprävention. Dazu zählt eine „Drogennacht“, in der ein Ex-Junkie Schülern der 9. Klasse von seinem Leben mit Drogen und von den Schwierigkeiten des Ausstiegs erzählt. Die Zeitung am Ort berichtet darüber, nennt dabei den Vornamen und das Alter des ehemals Abhängigen, erwähnt, dass er in einer Wohngemeinschaft lebt. Dem Artikel ist ein Foto der Gesprächsrunde beigestellt, auf dem der Vortragende von hinten zu sehen ist. Der Betroffene beklagt in seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat, dass durch die Darstellung der Zeitung seine Anonymisierung aufgehoben worden sei. Er sei bereits mehrfach von Arbeitskollegen, die nichts von seiner Vergangenheit gewusst haben, erkannt und darauf angesprochen worden. In dem Gespräch mit der Autorin sei er nicht darauf hingewiesen worden, dass sie ihn in dem Artikel erwähnen wolle. Während einer Pause habe ihn der Fotograf gefragt, ob er Bilder machen könne. Er habe ihm gesagt, dass ihm das nicht recht sei. Daraufhin habe ihm der Fotograf in seiner Digitalkamera ein Bild gezeigt, das veröffentlicht werden sollte, welches aber dem erschienenen nicht entsprach. Auch die Therapeutische Wohngemeinschaft, in welcher der Betroffene lebt, richtet eine Beschwerde an den Presserat. Als deren Sprecher sieht ein Sozialpädagoge das Persönlichkeitsrecht des Aussteigers nicht ausreichend gewahrt. Ein zunächst zugesicherter Ausbildungsplatz sei inzwischen von Seiten des Ausbilders in Frage gestellt worden. Als dritter beschwert sich der Leiter des Gymnasiums, in dem die Diskussion stattgefunden hat. Ihm sei von den Redakteuren zugesagt worden, dass der Name des Gesprächsteilnehmers nicht erwähnt werde und keine Fotos gemacht würden. Stattdessen sei dessen Identifizierung leicht gemacht worden. Die Justiziarin der Zeitung erklärt, dass in einem Vorgespräch zu der Berichterstattung die betreuende Lehrerin darauf hingewiesen worden sei, dass das Leben des ehemaligen Drogenabhängigen beschrieben werde. Die Frage, ob er einem Artikel zustimme, habe die Lehrerin ausdrücklich bejaht. Auch gegen ein Foto habe er, so die Lehrerin, nichts einzuwenden, solange nicht sein vollständiger Name genannt werde und er auf dem Bild nicht eindeutig zu erkennen sei. Diese Maßgaben hätten die Autorin und der Fotograf beachtet. Die Redaktion habe auch mit dem Mann selbst gesprochen. In diesem Zusammenhang habe er nicht darauf hingewiesen, dass er eine Nennung seines Vornamens sowie die Beschreibung seiner Lebensgeschichte verweigere. Das Foto sei extra nicht während der Veranstaltung, sondern auf Grund der Vorgaben des Betroffenen in einer Pause nachgestellt worden. Danach habe er es nach einer Überprüfung mittels des Displays in der Digitalkamera noch direkt vor Ort zur Veröffentlichung freigegeben. Aus den genannten Gründen hätte die Redaktion davon ausgehen können, dass die Veröffentlichung von Text und Bild von einer Zustimmung des ehemaligen Drogenabhängigen gedeckt war. Als er sich nach Erscheinen des Artikels in der Redaktion über eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte beschwert habe, habe der Redaktionsleiter in einem Schreiben an den Betroffenen, an das Gymnasium und an die Wohngemeinschaft sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass sich die Berichterstattung für ihn offenbar negativ ausgewirkt habe. (2003)
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Der Bürgermeister einer Gemeinde hat Krach mit dem Feuerwehrchef. Eines Nachts gibt es eine tätliche Auseinandersetzung. Die örtliche Zeitung berichtet unter der Überschrift „Im Griff des Würgermeisters“. In der Unterzeile heißt es: „Ortsbürgermeister tritt und würgt Feuerwehrchef“. Eine im Beitrag veröffentlichte Zwischenzeile lautet: „Wer wird das nächste Opfer sein?“ Der betroffene Bürgermeister sieht sich durch diesen Artikel sowie die nachfolgende Berichterstattung an den Pranger gestellt. Sie sei einseitig und ehrverletzend. Er beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, dass es unstrittig sei, dass der Bürgermeister den Feuerwehrchef attackiert habe. Nach abschließender, auch vom Beschwerdeführer akzeptierter Wertung der Staatsanwaltschaft habe der Kommunalpolitiker seinen Kontrahenten „angefasst, umgeworfen und gewürgt“. Als die Zeitung berichtet habe, sei der Vorfall schon längst Ortsgespräch gewesen. Der Begriff „Würgermeister“ beruhe auf öffentlichen Korrespondenzen im Internet. Zudem sei er als Zitat in Anführungszeichen gesetzt gewesen. Die Redaktion habe versucht, den Beteiligten eine Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese habe der Bürgermeister jedoch nicht wahrgenommen, wohl aber der Feuerwehrchef. Dessen Stellungnahme sei veröffentlicht worden. In der Folge sei sachgerecht über den Stand des Ermittlungsverfahrens gegen den Bürgermeister berichtet worden. In diesem Zusammenhang sei auch eine Erklärung von ihm ausführlich und umfassend aufgegriffen worden. Insgesamt, so die Chefredaktion, habe die Zeitung ein plurales Bild der Einschätzungen und Geschehnisse gezeichnet. (2003)
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