Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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155 Entscheidungen
Unter der Überschrift „Umstrittener Münchner Professor wird ein Fall für den Verfassungsschutz" berichtet eine Tageszeitung online über einen Kommunikationswissenschaftler, der „unter ‚Querdenker‘-Verdacht“ stehe. Er sei Mitherausgeber der Wochenzeitung „Demokratischer Widerstand“. Das Uni-Institut, in dem er arbeite, verordne die Zeitung im Umfeld von Corona-Leugnern und der rechtsextremen Strömung „Neue Rechte". Der Professor falle nicht zum ersten Mal mit kruden Ansichten zu Politik, Medien und Gesellschaft auf. Auch im Zusammenhang mit der „Hannah-Arendt-Akademie", einer selbsternannten wissenschaftlichen Einrichtung, tauche sein Name auf. Er habe dort auf der Liste der Dozenten gestanden, neben bekannten Wissenschaftsverweigerern und Verschwörungspredigern. Als Autor der Zeitung „Demokratischer Widerstand“ habe er ihren Erfolg unter anderem damit erklärt, dass sie – anders als die „Leitmedien" und „das Internet" – nicht von Politik, Behörden, Wirtschaft und Moral „gekapert" worden seien. Trotz alledem habe er weiter an der Uni unterrichten können. Als aber seine Herausgeber-Tätigkeit bei der Wochenzeitung bekanntgeworden sei, habe die Universitätsleitung den Verfassungsschutz eingeschaltet, um zu prüfen, „ob dienstrechtliches Fehlverhalten vorliegt". Dies habe die Behörde gegenüber der Redaktion bestätigt. Am Ende müsse die Unileitung entscheiden, wie sie mit dem höchst umstrittenen Professor umgehe. Der Beschwerdeführer sieht die Sorgfaltspflicht und die Unschuldsvermutung verletzt. Bei ihrem „Rundumschlag“ gegen den Professor habe die Zeitung versäumt, ihm eine Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Bei der Vorprüfung des Falles weist der Presserat die Beschwerde als „offensichtlich unbegründet“ zurück. Falsche Tatsachenbehauptungen seien nicht ersichtlich gewesen. Auch eine Konfrontation des Betroffenen sei hier nicht pressethisch zwingend gewesen. Der Beitrag berichte über die Tatsache, dass Ermittlungen gegen den Professor stattfinden werden. Die einordnende Beschreibung des Mannes liefere keine konkreten Tatvorwürfe, zu denen er Stellung nehmen müsste. Vielmehr würden hier nur unstrittige Tatsachen geschildert und diese von der Redaktion bewertet. Die Redaktion habe die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung nach Ziffer 13 des Pressekodex gewahrt. Insbesondere werde im Beitrag deutlich, dass erst noch geprüft werde, ob dienstrechtliches Fehlverhalten vorliege. Gegen diese Entscheidung legt der Beschwerdeführer Einspruch ein: Der Artikel enthalte sehr wohl konkrete Tatvorwürfe, nämlich die Mitherausgeberschaft einer angeblichen „Querdenker“-Zeitung aus dem Umfeld der rechtsextremen Strömung „Neue Rechte“. Der Professor hätte die Gelegenheit erhalten müssen, dazu Stellung zu nehmen. Die Redaktion habe sich doch auch um eine Stellungnahme des Verfassungsschutzes bemüht. Aufgrund des Einspruchs eröffnet der Presserat ein förmliches Beschwerdeverfahren. Die Zeitung nimmt zu den Vorwürfen Stellung: Eine Pflicht zur Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen lasse sich aus dem Pressekodex nur für streitige oder unklare Sachverhalte ableiten.
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„Biontech-Impfstoff für die breite Masse wies anfangs erhebliche Mängel auf": Unter dieser Schlagzeile berichtet ein Nachrichtenmagazin online darüber, dass sich der Impfstoffhersteller Biontech vor Gericht gegen Impfopfer wehren müsse. „Sie weisen darauf hin, dass Biontech seinen Impfstoff auf zwei unterschiedliche Weisen produziert hat: einen für einen ausgewählten Personenkreis und einen für die breite Masse. Und sie bezweifeln die Qualität des nach dem zweiten Verfahren hergestellten Impfstoffes. Hersteller und Behörden halten dagegen.“ Den Vorwurf erhebe unter anderen ein (namentlich genannter) Düsseldorfer Anwalt, der nach eigenen Angaben mittlerweile fast 2.700 Impfgeschädigte vertrete. Seiner Klageschrift zufolge habe Biontech bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) einen Antrag auf Genehmigung für zwei Herstellungsverfahren gestellt. Das eine trage den internen Namen „Process 1“. Hierfür habe der Hersteller einen bestimmten Impfstoff eingereicht, der mittels sogenannter Polymerase-Kettenreaktion (PCR) vervielfältigt worden sei. Das Vakzin, das letztlich die breite Bevölkerung erhalten habe, sei in einem anderen Verfahren („Process 2“) mittels e.coli-Bakterien erzeugt worden und habe „teils erhebliche Verunreinigungen mit DNA-Molekülen“ enthalten. Ferner erwähnt die Redaktion die Kritik verschiedener Forscher und Statistiker am Biontech-Impfstoff. Auch die Position der Firma wird zitiert. Eine Unternehmenssprecherin habe auf Anfrage festgestellt: „Die Herstellungsverfahren im kleinen Maßstab und im großen Maßstab wurden den zuständigen Behörden zur Prüfung vorgelegt.“ Beide Verfahren wiesen eine vergleichbare Qualität auf. Am Beitragsende zählt die Redaktion auf, welche Gerichte Schadenersatzklagen von angeblichen Impfopfern bislang abgewiesen hätten; eines der Urteile stehe noch aus. In einem Verfahren habe eine Biontech-Anwältin zwar ihr Mitgefühl ausgedrückt, aber auch betont, dass Behauptungen über angeblich dramatische Impf-Folgen „nicht mal im Ansatz belegt“ seien. Der Beschwerdeführer sieht die journalistische Sorgfaltspflicht grob verletzt, weil die Redaktion die haltlosen Anschuldigungen eines landesweit bekannten Abmahnanwalts und Querdenkers ungeprüft übernommen habe. Der Impfstoff habe zu keinem Zeitpunkt „erhebliche Mängel" aufgewiesen. Es sei völlig normal, wenn ein Hersteller Studienware produziere, die nicht identisch mit dem später verabreichten Impfstoff sei. Die Überschrift „Biontech-Impfstoff für die breite Masse wies anfangs erhebliche Mängel auf" sei grob irreführend. Völlig unkritisch werde die Meinung des zitierten Anwalts und seines Kanzleikollegen wiedergegeben. Beide seien bekannte Verbraucheranwälte und hätten erfolgreich gegen VW im Dieselskandal geklagt. Beim Thema Pharma und/oder Impfstoffe seien sie jedoch fachlich absolute Laien; mit diesem Thema hätten sie sich erst seit Frühjahr 2023 befasst und bisher jede Verhandlung verloren. Auch der Kanzleikollege zeige Nähe zur „Querdenker“-Bewegung und verbreite Verschwörungserzählungen. Mitten in einem ARD-Interview habe er darum gebeten, die Kamera auszuschalten: „Ich kann es wirklich nicht sagen, weil es dazu geeignet ist, einen Dritten Weltkrieg auszulösen.“ Der Beschwerdeführer bezweifelt auch die im Artikel zitierten Aussagen einer kanadischen Publikation und einer französischen Statistikerin. Die Angaben im Artikel seien also eindeutig widerlegt. Mit einem Minimum an journalistischer Sorgfalt wären solche Außenseiter-Meinungen nicht veröffentlicht worden, meint der Beschwerdeführer. Die Redaktion entgegnet, sie habe die Rechercheergebnisse des Autors vor der Veröffentlichung intensiv geprüft.
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Unter der Überschrift „Infektiologe: ‚Aufmerksamkeit nicht primär auf Corona legen‘“ zitiert eine Nachrichtenagentur einen Infektiologen unter anderem mit den Worten, dass die Zahl der Influenza-Infektionen im Winter 2022/23 deutlich über der Zahl der Corona-Fälle gelegen habe. Rund 24 Millionen Menschen in Deutschland – etwa jeder vierte – seien an einer Atemwegsinfektion erkrankt. Die Mehrzahl der Fälle sei durch das Grippevirus verursacht worden. „Die Influenza war mit Abstand die häufigste Atemwegserkrankung“, zitiert die Agentur den Mediziner. „Es macht keinen Sinn, die Aufmerksamkeit primär auf Corona zu legen.“ Die Beschwerdeführerin wirft der Agentur vor, diese Aussagen ohne Einordnung und Recherche übernommen und nicht hinterfragt zu haben. Dabei handele es sich um eine Falschaussage. In den Epidemiologischen Bulletins des Robert-Koch-Instituts (RKI) lasse sich nachlesen, dass im Winter 2022/23 nicht die Influenza-Fälle, sondern die COVID-19-Fälle mehr als deutlich überwogen hätten. Die Agentur entgegnet, dass der zitierte Infektiologe und Oberarzt am Klinikum rechts der Isar an der Technischen Universität München aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit und der daraus resultierenden Fachkenntnis absolut geeignet sei, um zur Einordnung der Infektionslage eine fundierte Aussage zu tätigen.
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