Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
7055 Entscheidungen

Diebin als „Plünderin“ im Bild gezeigt

Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Gericht verbietet Bilder von G20-Plünderin“ über ein Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main. Das Gericht hatte der Zeitung verboten, unverfremdete Fotos einer Frau zu zeigen, die bei den G20-Ausschreitungen vom Juli 2017 einen Drogeriemarkt „plündert“. Sie ist auf den Fotos zu sehen, wie sie sich der Drogerie nähert, sich am Eingang bückt und mit vollen Händen weitergeht. Das Gericht stellte fest, dass die Bilder das Persönlichkeitsrecht der Frau verletzen, weil auf ihnen allenfalls ein „Diebstahl geringwertiger Sachen“ zu erkennen sei. Die Frau – so der Autor des Berichts – habe gegen die Veröffentlichung der Fotos geklagt. Die Zeitung zeige die Fotos trotzdem, ohne die Person zu verfremden, „weil die Abbildung von Straftaten, gerade im Zusammenhang mit schweren Krawallen, Plünderungen und Landfriedensbruch bei einem so wichtigen Ereignis wie dem G20-Gipfel zum Auftrag der Presse gehört.“ Drei Leser der Zeitung wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Ihre Kritik richtet sich dagegen, dass die Zeitung trotz des richterlichen Beschlusses, wonach in diesem Fall die Persönlichkeitsrechte der Frau überwiegen, die Fotos weiterhin unverfremdet veröffentliche. Wegen mehrerer laufender Verfahren im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Fotos bittet der Chefredakteur mehrmals während eines halben Jahres um die Aussetzung des Verfahrens. Der juristische Streit in dieser Causa sei nach wie vor in vollem Gange.

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Auswirkungen auf Verkehr im Vordergrund

Eine Berliner Zeitung berichtet online über eine zwanzigminütige Sperrung von zwei Bahnsteigen am Berliner Hauptbahnhof wegen eines „Personenunfalls“. Die Zeitung schreibt: „Offenbar handelt es sich um einen Suizidversuch, wie ein Sprecher der Bundespolizei gegenüber der (…) bestätigte.“ Am Ende des Beitrages teilt die Redaktion mit, dass sie in der Regel nicht über Suizidversuche berichte. Sie weist auch auf Hilfsangebote bei Depressionen (u. a. Telefonseelsorge) hin. Ein Vertreter der Berliner S-Bahn wendet sich wegen der Berichterstattung über den Suizidversuch mit einer Beschwerde an den Presserat. Der Nachahmungseffekt („Werther“-Effekt) werde von der Redaktion in Kauf genommen. Der Hinweis auf die Telefonseelsorge reiche nicht aus, um der Gefahr zu begegnen. Im Pressekodex werde eine zurückhaltende Berichterstattung gefordert. Es hätte ausgereicht, sachlich über den Unfall zu berichten, ohne den Suizidversuch zu erwähnen. Die Rechtsvertretung der Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet. Lediglich in einem Satz werde auf den Suizidversuch hingewiesen. Es habe ein öffentliches Berichterstattungsinteresse bestanden. Dies vor allem deshalb, weil die Sperrung von zwei Bahnsteigen und Gleisen zu Verspätungen geführt und zahlreiche Fahrgäste beeinträchtigt habe. Für die Reisenden sei es eine wichtige Information, dass die Verspätung nicht auf ein Verschulden der Bahn zurückgehe. Die Mitteilung, dass es sich um einen Suizidversuch gehandelt habe und die Rettungsmaßnahmen nun abgeschlossen seien, hätte deutlich zur Beruhigung der Leser beigetragen. Es werde lediglich im Fließtext und nicht in der Aufmachung auf den Suizidversuch hingewiesen. Nähere Begleitumstände würden nicht genannt. Auch werde die Person nicht identifizierbar gemacht. Fotos habe die Redaktion nicht veröffentlicht.

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Genaue Adresse eines Unglücks mitgeteilt

Eine Lokalzeitung berichtet über einen Brand, der ein Todesopfer gefordert hat. In dem Artikel wird die Straße genannt, in der das Unglück geschehen ist. Der Autor gibt den Hinweis, dass das Haus in der Nähe des örtlichen Hallenbades liege. Auch ein Foto des intakten Wohnhauses ist zu dem Artikel gestellt. Ein anderes zeigt das brennende Gebäude aus einiger Entfernung. Unter den Artikel hat die Redaktion eine Karte mit der genauen Adresse und einer entsprechenden Hausmarkierung gestellt. Beschwerdeführer in diesem Fall ist der Bruder des bei dem Feuer Verstorbenen. Er sieht mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Die Zeitung berichte mit der vollständigen Adresse des Unglücksortes. Dadurch werde der Sensationstourismus öffentlich gefördert und den Angehörigen, welche an dem genannten Ort lebten, die Zeit zur Trauer genommen. Der Chefredakteur hält es in seiner Stellungnahme für üblich, dass zumindest die Straße, in der sich ein Unglück ereigne, im Rahmen der Lokalberichterstattung genannt werde. Der Artikel sei überregional nicht sonderlich prominent platziert gewesen. Somit sei der Vorwurf, einen Sensationstourismus zu fördern, gegenstandslos. Der Unglücksort sei im engsten lokalen Umfeld auch ohne die Berichterstattung bekannt. Auch die Polizei habe die genaue Adresse mitgeteilt, doch hätte die Redaktion die Hausnummer weglassen können. Der Chefredakteur bedauert, dass die Angehörigen sich an der Form der Berichterstattung gestört hätten. Die Redaktion habe nach Eingang des Presseratsschreibens in der Online-Version sofort Hausnummer und Karte entfernt.

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Jeder kann korrigieren und diffamieren

Eine Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur veröffentlicht gedruckt und online einen Beitrag unter der Überschrift „Der dicke Hund“. Darin geht es um die mangelnde Wissenschaftlichkeit von Wikipedia als Quelle und die Tatsache, dass jeder mit einem Account dort informieren, korrigieren und diffamieren könne. Als Beispiel für die unterschiedlichsten Angaben und Korrekturen befasst sich die Zeitung mit Einträgen über einen katholischen Priester. Beschrieben wird ein unter Pseudonym agierender „Agathenon“, der hartnäckig, ja verbissen und oft unwissenschaftlich munter diverse konservativ-katholische Gruppen kritisiere. Seine abenteuerlichen Thesen würden immer wieder auftauchen. So etwa im Fall eines katholischen Priesters. Nach Recherchen der Redaktion weise „Agathenon“ eine seltsame Nähe zum Verschwörungstheoretiker Wolfgang Kirchmeier auf. Dieser beschreibe in einem Buch, wie sämtliche Unglücksfälle seines Lebens, vom vertrockneten Rasen über fehlende Autoventilklappen bis zur Lebensmittelvergiftung in Argentinien durch die Aktivitäten der „Sekte Engelwerk“ erklärt werden könnten. Beschwerdeführer ist der im Artikel erwähnte Buchautor Wolfgang Kirchmeier. Er kritisiert, dass über ihn in dem Artikel als „Verschwörungstheoretiker“ gesprochen werde und weist auf mehrere falsche Darstellungen hin. Der Chefredakteur der Wochenzeitung nimmt Stellung. „Der „Dicke Hund“ sei ein Format, in dem in glossierender/kommentierender Form eine aktuelle mediale Fehlleistung betrachtet werde. Es würden Medien im weitesten Sinne analysiert. Dazu gehörten auch soziale Medien oder Einrichtungen wie „Wikipedia“. Die Autorin des Beitrages nimmt zusätzlich Stellung. Sie habe sich mit dem 2009 erschienenen Buch von Inge und Wolfgang Kirchmeier „Sind im Engelwerk die Teufel los? Ein Tatsachenbericht“ beschäftigt. Auf die Lektüre des Buches gehe auch die persönliche Einschätzung zurück, dass Kirchmeier als „Verschwörungstheoretiker“ gelten könne. Auch wegen der angeblich falsch dargestellten Fakten verweist die Autorin auf Passagen des Buches.

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Geld verdienen im günstigen Umfeld

„So trotzen Sie den Wucherpreisen Ihres Handwerkers“ – unter dieser Überschrift informiert eine überregionale Zeitung online über Möglichkeiten, auch größere Instandhaltungen mit Leihgeräten selbst zu erledigen. Der Artikel wird eingeleitet mit dem Beispiel eines Verbrauchers, der eine Holzfläche von 28 Quadratmetern neu streichen lassen wollte und dies angesichts eines als zu teuer empfunden Handwerker-Angebots selbst erledigte. Die Zeitung schreibt, die Handwerker seien sich ihrer Überlegenheit bewusst und handelten getreu dem inoffiziellen Motto: „Eigentlich habe ich keine Zeit für solchen Kleinkram. Aber wenn du diesen Wucherpreis akzeptierst, dann tauche ich bei dir auf.“ Es ließen sich aber auch anspruchsvollere Aufgaben selbst erledigen. Profi-Geräte seien auch für den Normalmenschen zugänglich. Verleiher finde man im Internet. Ein Vertreter des Landesinnungsverbandes des Bayerischen Maler und Lackiererhandwerks wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Die Zeitung setze das Handwerk und hier speziell die Malersparte pauschal herab und belege diese mit einem völlig unsachlichen und falschen Beispiel. Es würden Fachhandwerk und Do-it-Yourself mit einander verglichen, die man nicht vergleichen könne. Die Redaktion mache massiv Werbung für Werkzeugvermieter. Dabei werde eine Firma besonders hervorgehoben. Fachhandwerker würden pauschal als Wucherer dargestellt. In Überschrift und Text würde der Begriff Wucher mehrfach verwendet. Die Autoren des Beitrages stellen fest, dass in ihrem Beitrag nicht die Rede davon ist, dass das eigene Tun zum günstigeren Preis und in der gleichen Qualität wie vom Profi geleistet werden kann. Doch weil die Leistung des Handwerkers für den privaten Kunden wegen der immensen Nachfrage kaum verfügbar sei und wenn irgendwann doch, oft sehr teuer, sei die Idee dieses Artikels, dem Verbraucher einen Ausweg zu zeigen. Den Vorwurf eines Verstoßes gegen das Verbot der Schleichwerbung nach Ziffer 7 des Kodex weisen die Autoren ebenfalls zurück. Es seien Ausleihpreise für verschiedene Werkzeuge bei drei bundesweit operierenden Baumarktketten abgefragt bzw. im Internet recherchiert worden. Dass dann zwei Baumarktketten lediglich als Vermittler der im Text genannten Firma auftreten, habe sich erst im Lauf der Recherche ergeben. Auch den Vorwurf, das Handwerk als soziale Gruppe zu diskriminieren, weise man zurück. In der Tat tauche der Begriff „Wucher“ mehrmals auf. „Wucher“ bezeichne grundsätzlich das Angebot einer Leistung zu einer deutlich überhöhten Gegenleistung unter Ausnutzung einer Schwächesituation eines Vertragspartners. Nun lasse sich natürlich darüber streiten, ob der Handwerker die Schwächesituation des Kunden ausnutzt. Fest stehe aber, dass er das aktuelle konjunkturelle Umfeld für sich insofern nutzt, als dass er immer höhere Preise für seine Leistungen verlangt.

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Über Blogger identifizierend berichtet

Eine Boulevardzeitung berichtet über einen Blogger, der sich im Netz einen Namen gemacht habe. Der Autor teilt mit, dass dessen Nutzerprofile auf Facebook und Twitter plötzlich verschwunden seien. Ein möglicher Grund dafür könne ein Verfahren gegen den Blogger wegen sexueller Belästigung sein. Einer Zeitung zufolge beschuldige eine 18jährige Mitschülerin den 20-Jährigen, sie mehrfach unsittlich berührt zu haben. Im Artikel wird der volle Name des Mannes genannt; die Zeitung zeigt ihn im Bild. Eine Leserin der Zeitung kritisiert, dass der Betroffene durch die Berichterstattung identifizierbar werde. Dadurch werde sein Persönlichkeitsschutz verletzt, da er keine Person des öffentlichen Lebens sei und ihm kein Kapitaldelikt zur Last gelegt werde. Der Chefredakteur der Zeitung äußert in seiner Stellungnahme die Auffassung, dass im konkreten Fall das öffentliche Interesse den Persönlichkeitsschutz des Tatverdächtigen überwiege. Dies vor allem deshalb, weil ein Widerspruch zwischen seiner gesellschaftlichen Rolle und der ihm zur Last gelegten Tat bestehe. Bei dem Mann handele es sich um einen deutschlandweit bekannten Blogger, der bis Mitte 2018 in regelmäßigen Abständen mit teils sehr provokanten Beiträgen für eine Internet-Zeitung gesellschaftliche Themen kommentiert habe. Auffällig sei dabei der moralische Anspruch gewesen, den er an andere gestellt habe. Der Mann sei mittlerweile von einem Amtsgericht verurteilt worden. Somit habe identifizierend berichtet werden können.

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Beim Leser unbegründete Hoffnungen geweckt

Eine Frauenzeitschrift berichtet online unter der Überschrift „Kann Homöopathie gesund machen?“ darüber, wie die Behandlungsmethode funktioniert, gegen welche Krankheiten die Mittel geeignet sind und ob eine Wirksamkeit bewiesen ist. Ein Leser der Zeitschrift teilt mit, der Artikel vermittle den falschen Eindruck, dass Homöopathika auch trotz der fehlenden Wirkstoffe eine Wirkung haben könnten. Bisher veröffentlichte Studien hätten nur „widersprüchliche Ergebnisse“ gebracht. Der Beschwerdeführer kritisiert auch diesen Satz. Er sei einfach falsch. Problematisch seien auch Sätze wie dieser: „Nach dem Selbstverständnis der Homöopathen kann eine ´Erstverschlimmerung´ zu Beginn der Behandlung aber auch ein Zeichen dafür sein, dass der Heilungsprozess beginnt.“ Dies könnte Patienten dazu verleiten, nicht einen Arzt aufzusuchen, sondern abzuwarten. Im Fall nicht erkannter kritischer Erkrankungen könne dies tödlich enden. Durch den Satz im Artikel: „Wie funktioniert die Homöopathie?“ werde der Eindruck erweckt, Homöopathie könne „funktionieren“. Die Rechtsvertretung des Verlages nimmt zu der Beschwerde Stellung. Ein Verstoß gegen die Ziffern 2 (Sorgfaltspflicht) oder 14 (Medizinberichterstattung) sei nicht erkennbar. Weder handele es sich um eine unangemessen sensationelle Berichterstattung, noch um eine Berichterstattung über frühe Forschungsergebnisse. Der Artikel beschäftige sich vielmehr mit den unterschiedlichen Positionen in Bezug auf die Homöopathie. Der Autor weise darauf hin, dass kein verantwortungsbewusster Homöopath schwere und lebensbedrohliche Krankheiten allein mit Homöopathie heilen wolle. Der Autor empfehle ausdrücklich, bei einem wirklich starken Krankheitsgefühl lieber einen Schuldmediziner zu Rate zu ziehen. Der Leser werde durch den Artikel also weder in die Irre geführt noch dazu verleitet, auf einen Arztbesuch zu verzichten.

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Vorwurf: Leser gegen Zeugen Jehovas aufgewiegelt

„Deutsche Bahn genehmigt Aktionen der Zeugen Jehovas“ titelt eine Boulevardzeitung online. Die Dachzeile lautet: „Expertin schlägt Alarm“. Im Beitrag geht es um Werbeaktionen der Zeugen Jehovas in Bahnhöfen mit Genehmigung der Deutschen Bahn. „Die neue Taktik der Menschenfänger“, schreibt die Redaktion. Zitiert werden die Bahn, eine Sektenexpertin und der Leiter der Arbeitsstelle Weltanschauung der evangelischen Landeskirche. Sektenexpertin ist Margit Ricarda Wolf, über die es im Artikel heißt, dass sie selbst 16 Jahre lang Mitglied bei den Zeugen Jehovas gewesen sei. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Verwendung des Begriffs Sekte. Die Zeugen Jehovas seien eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die selbst ernannte Expertin sei nicht objektiv. Durch ihre Behauptungen, die Zeugen Jehovas betrieben Psychoterror und beuteten ihre Mitglieder finanziell aus, glaube der Leser, dass es sich wirklich um eine gefährliche Organisation handele. Dem Beschwerdeführer zufolge gebe es bei den Zeugen Jehovas nur freiwillige Spenden. Der Artikel wiegele die Menschen gegen die Zeugen Jehovas auf. Der Chefredakteur der Zeitung weist die Vorwürfe zurück. Der Begriff „Sekte“ sei weder staatsrechtlich noch religionswissenschaftlich definiert. Die bewertende und als Meinungsäußerung einer presseethischen Überprüfung ohnehin nicht zugängliche Bezeichnung der Glaubensgruppe der Zeugen Jehovas als „Sekte“ müsse im Zeichen der Meinungsäußerung immer zulässig sein. Die Redaktion thematisiere die fragwürdige Genehmigung der Deutschen Bahn von Aktionen der Zeugen Jehovas. Die Redaktion lasse nicht nur die Kritiker zu Wort kommen, sondern auch die Deutsche Bahn, die ihre Motive für die Aktion erläutere. Vor diesem Hintergrund könne sich der Leser ein eigenes Bild des Vorgangs machen.

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Software-Entwickler stirbt in seinem Büro

“Software-Entwickler (22) stirbt in Google-Büro“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung online über den Tod eines Google-Mitarbeiters. Dieser sei tot in seinem Büro am Schreibtisch aufgefunden worden. Genannt wird der volle Name des Mannes. Woran er gestorben ist, sei unklar. Laut New York Post habe er keine Vorerkrankungen gehabt, heißt es im Artikel, auf den die Zeitung verlinkt. „Oder fiel der 22-Jährige etwa einem Verbrechen zum Opfer?“, fragt die Redaktion. Das würden die Ermittler zurzeit ausschließen. Die Zeitung schreibt weiter, Bekannte und Kollegen seien schockiert vom plötzlichen Tod des Entwicklers. Sie beschrieben ihn als agil, neugierig und lebensfroh. Er habe bei Google bereits seit Mai 2016 gearbeitet. Seinen letzten Tweet habe er am Abend vor seinem Tod abgesetzt. Bezogen auf seine Spotify-Playlist habe er geschrieben: „Ich bin echt gespannt, was ich 2019 noch alles entdecken werde“. Zum Artikel gestellt sind zwei Fotos vom Facebook-Profil des Verstorbenen. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass diese sowohl den Klarnamen des Verstorbenen und als auch seine Fotos aus den privaten Facebook-Accounts veröffentlicht habe. Das Gesicht des jungen Mannes sei deutlich zu erkennen. Zudem verlinke die Zeitung Aussagen aus dem Spotify-Account des Verstorbenen und gebe diese wieder, geschmackloserweise ein Post, in dem sich der Verstorbene hoffnungsvoll über seine Zukunft äußert. Der Betroffene werde nicht nur eindeutig identifizierbar dargestellt. Durch den Zugriff auf gleich mehrere Social Media-Plattformen werde auch massiv in seine Privatsphäre eingegriffen. Zusammen mit dem veröffentlichten Link werde dem Leser geradezu ein Profil des Verstorbenen dargeboten, ohne dass ein erkennbares öffentliches Interesse daran erkennbar wäre. Der Chefredakteur der Zeitung sieht keinen Grund zur Beanstandung des Beitrages. In derartigen Fällen vertrete die Redaktion die Auffassung, dass die Öffentlichkeit – insbesondere bei spektakulären Geschehnissen, die sich im öffentlichen Raum ereignen – ein besonderes Interesse daran habe, von den Medien umfassend informiert zu werden. Dies könne durchaus Einzelschicksale einbeziehen und auch personalisierend geschehen. Im vorliegenden Artikel berichte die Redaktion über den Fragen aufwerfenden Tod eines jungen Menschen, der leblos an seinem Arbeitsplatz beim größten und vermeintlich „besten“ Arbeitgeber der Welt aufgefunden worden sei. Der Chefredakteur sieht es als Aufgabe der Presse an, die Entwicklung unserer Gesellschaft kritisch zu beobachten und zu diskutieren. Genau darum gehe es in dem Artikel. Das Schicksal des 22-jährigen Mannes zeige, wie Mitglieder vor allem jüngerer Generationen unter ungeheuren Strapazen versuchten, sich durch immer längere und immer härtere Arbeit gegen andere gut ausgebildete und ambitionierte Menschen durchzusetzen, oft um jeden Preis. Die Chronistenflicht der Presse erfordere es, identifizierend über das Schicksal des Softwareentwicklers zu berichten.

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Schläger als „Ausländer“ bezeichnet

Zwei Schlägereien in der Innenstadt des Verlagsortes sind Thema in einer Regionalzeitung. In einem Fall heißt es, zwei Gruppen von Ausländern seien beteiligt gewesen. Im zweiten Fall habe eine dieser beiden Gruppen einen Deutschen angegriffen. Eine Leserin der Zeitung kritisiert, dass die Berichterstattung Ausländer durch die Gegenüberstellung von „Ausländern“ und „Deutschen“ diskriminiere. Der Leiter Personal und Recht des Verlages widerspricht der Beschwerdeführerin. Diese vertrete die Auffassung, dass eine Nennung der Nationalität womöglich noch zu tolerieren wäre, aber eine bloße Zuordnung zur Gruppe „Ausländer“ ohne Differenzierung nach Staatsangehörigkeit abwertend sei. Das sei nicht nachvollziehbar. Wenn 15 Personen, die sich auf zwei Gruppen zu fünf und zehn Personen verteilten, verschiedene nicht-deutsche Staatsangehörigkeiten hätten, dann sei der Oberbegriff dafür, dass es sich um zwei Gruppen von „Ausländern“ handele. Inwieweit dies stärker die Gefahr einer Diskriminierung begründen solle, als die Nennung der einzelnen Nationalitäten, erschließe sich der Redaktion nicht. Im konkreten Fall seien alle Mitglieder der beiden Gruppen, die zunächst miteinander in Streit geraten seien, durch das gemeinsame Merkmal der ausländischen Herkunft verbunden. Deshalb sei von der Redaktion zutreffend und in Übereinstimmung mit dem Kodex der Begriff „Ausländer“ zur Kennzeichnung gewählt worden.

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