Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6869 Entscheidungen
Eine Boulevardzeitung berichtet, dass ein Paar von dem Vorwurf, im Internet Kinder zur Sexfolter angeboten zu haben, freigesprochen worden ist. Die beiden Angeklagten werden im Bild gezeigt, ihre vollen Namen werden genannt. Die Schlagzeile lautet “Hängt die Sau!”. Ein Leser des Blattes sieht in der Überschrift einen “Aufruf zur Lynchjustiz” und ruft den Deutschen Presserat an. Die Redaktion habe sich durch Verzicht auf eine Kennzeichnung als Zitat die Schlagzeile zu eigen gemacht. Die Redaktionsleitung der Zeitung teilt mit, dass in der Überschrift das wiedergegeben worden sei, was aufgebrachte Zuschauer im Anschluss an den Freispruch vor dem Gerichtsgebäude gerufen hätten. Auch in der Unterzeile werde hervorgehoben, dass das Szenario im Anschluss an die Gerichtsverhandlung beschrieben werde. An der Aussage in der Überschrift ändere sich auch dadurch nichts, dass die “Aussage der Menge” nicht in Anführungszeichen gesetzt werde. (1997)
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Eine Tageszeitung zeigt auf ihrer Sportseite Kopf und Hinterteil einer Schwimmerin im Wasser. “Die Dopingdiskussion fördert Tatsachen ans Tageslicht, die mancher gern unter der Oberfläche belassen hätte”, heißt es in der Unterzeile zu dem großformatigen Bild. Ein Leser des Blattes findet das Foto geschmacklos und frauenfeindlich. Er vermutet, dass der Badeanzug der Schwimmerin an einer “ungünstigen Stelle” ein Loch hat. Die Chefredaktion der Zeitung verweist auf einen Farbauszug des Dias, der belege, dass der Vorwurf des Lesers nicht zutreffe. (1997)
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Unter der Überschrift “Haben DDR-Richter das Recht gebeugt?” unternimmt der Autor eines Zeitschriftenbeitrags den Versuch, die Frage zu beantworten, inwieweit Juristen nach einem Systemwechsel für ihre Berufsausübung haftbar zu machen sind. Dabei vergleicht er die Situation nach dem Krieg mit derjenigen nach der deutschen Vereinigung. Am Ende seines Artikels resümiert er: “Gewiss lässt sich das meiste, was man willfährigen Richtern politisch-moralisch vorhalten kann, gar nicht in den Kategorien des Strafrechts fassen. Dass sie aber nicht ganz ungeschoren davonkommen sollen, scheint ebenso klar. ... Ansonsten gelangt man in die Gesellschaft des ehemaligen Marine-Stabsrichters Filbinger, der den Satz prägte: ‘Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein’. Es ist der Glaubenssatz der organisierten Verantwortungslosigkeit.” Der so zitierte Ministerpräsident a.D. und jetzige Rechtsanwalt beschwert sich beim Deutschen Presserat. Der Vorwurf der “Verantwortungslosigkeit” stelle eine Ehrverletzung dar. Die verfälschende Wiedergabe seiner Äußerung sei erstmals im Jahre 1978 im Rahmen einer gegen ihn geführten Rufmordkampagne erfolgt, an der die Stasi maßgeblich mitgewirkt habe. Er habe seinerzeit sofort dementiert und auch gerichtliche Hilfe gegen die Weiterverbreitung in Anspruch genommen. “Der Verfasser des Beitrags hatte die Pflicht, die Tatsachen sorgfältig zu erforschen, und hat dagegen grob fahrlässig verstoßen.” Es wäre nach Ansicht des Beschwerdeführers ein leichtes gewesen, sich anhand der Äußerungen einzelner Zeitzeugen und vieler Veröffentlichungen bis in die jüngste Zeit hinein über die wirklichen Tatsachen zu unterrichten. Der Herausgeber der Zeitschrift stellt fest, der Beschwerdeführer bestreite nicht, dass er die in dem Essay wiedergegebene Aussage “Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein” tatsächlich gemacht hat. Ob man den Satz, wie es der Autor des Beitrags getan habe, zugleich als “Glaubenssatz der organisierten Verantwortungslosigkeit” bezeichnen könne oder nicht, seine eine Frage einer komplexen historischen und moralischen Bewertung, die hier nicht zu entscheiden sei. Die Klärung könne nur durch historische und rechtstheoretische Forschung herbeigeführt werden. Die vom Beschwerdeführer beigefügten Quellenangaben beinhalteten lediglich die positiven Stellungnahmen zu seiner Tätigkeit in der deutschen Wehrmacht. (1997)
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Eine Satirezeitschrift veröffentlicht einen Nachruf auf einen bekannten Bundespolitiker. Dabei betreibt sie Wortspiele mit der Ortsangabe “Venus(!)berg(!!)” und den Begriffen “Beischlaf” und “Heilschlaf”. Eine Leserin sieht in den “genitalen Anspielungen” eine Verletzung der Menschenwürde und ruft den Deutschen Presserat an. Die Zeitschrift gibt keine Stellungnahme ab. (1997)
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Unter der Überschrift „Der tote Weingraf“ berichtet eine Boulevardzeitung in großer Aufmachung auf ihrer Titelseite, dass sich ein prominenter Winzer in der Nähe seines Schlosses erschossen hat. Ein Foto im Innern der Ausgabe zeigt auf der gesamten Blattbreite die blutüberströmte Leiche. Die Erben des Verstorbenen, ein Landtagsabgeordneter und drei Leser des Blattes beschweren sich beim Deutschen Presserat. Alle sehen in der Veröffentlichung des Fotos einen Verstoß gegen die Menschenwürde und das Persönlichkeitsrecht des Toten.
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Weil er sein Lebenswerk zerbrochen sieht, erschießt sich ein prominenter Winzer in der Nähe seines Schlosses. Eine Boulevardzeitung berichtet darüber auf der Titelseite und im Innenteil der Ausgabe. In beiden Beiträgen wird ein Foto der blutüberströmten Leiche gezeigt. Ein Rundfunkjournalist ruft den Deutschen Presserat an und kritisiert die Recherchemethoden des Fotografen, der die Absperrungen durch die Polizei missachtet haben soll. Der Fotograf bestreitet den Vorwurf, er habe mehrmals versucht, die Absperrungen der Polizei zu unterlaufen. Hätte er sich so verhalten, wäre er des Platzes verwiesen worden. Den Hinweis des Beschwerdeführers, ihm sei ein Polizeibeamter zur Seite gestellt worden, bezeichnet er als “Schwachsinn”. Er sei auch niemals von Beamten gebeten worden, nicht zu fotografieren. Das später veröffentlichte Foto sei in einer sehr frühen Phase der polizeilichen Untersuchung entstanden, da er bereits seit 45 Minuten am Tatort gewesen sei. Der zuständige Polizeipräsident teilt auf Anfrage mit, dass die Pressestelle des Präsidiums die Medienvertreter betreut, vom Fundort der Leiche ferngehalten und darum ersucht habe, keine Details zu fotografieren. Der Pressefotograf, dessen Verhalten der Presserat zu beurteilen hat, sei einmal innerhalb der polizeilichen Absperrung angetroffen und sofort dieses Bereiches verwiesen worden. Deshalb und wegen seiner erkennbaren Versuche, Aufnahmen aus kurzer Distanz zu fertigen, sei ihm schließlich ein Polizeibeamter “persönlich” zugewiesen worden. Die Polizei vermute, dass der Mann das Foto, das später veröffentlicht wurde, bereits zuvor mittels eines Teleobjektivs, möglicherweise aus der Deckung von hochgewachsenen angrenzenden Weinreben heraus, gemacht habe. (1997)
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In zwei Beiträgen berichtet eine Lokalzeitung über eine Verhandlung des Arbeitsgerichts, das einen Frauenarzt per Versäumnisurteil zur Zahlung von 21.000 D-Mark an seine ehemalige Putzfrau verurteilt. Die Zeitung zitiert die Anwältin der Klägerin: Der Mediziner habe zwölf Jahre lang seine Haushälterin mit 2,10 Mark die Stunde entlohnt. Der Berichterstatter stellt ferner fest, dass der Arzt im Ort “übel beleumdet” sei, “keinen seriösen Ruf” habe und “auch mit dem Finanzamt in Konflikt” stehe. Schließlich erwähnt das Blatt, dass der Gynäkologe seine Haushaltshilfe auch mit Aufgaben im Operationssaal betraut habe. Der Rechtsanwalt des betroffenen Arztes sieht seinen Mandanten durch die Nennung des Vornamens und die Abkürzung des Familiennamens identifiziert. Die Äußerungen über den Leumund des Arztes und die Konflikte mit dem Finanzamt seien reine Spekulationen und verletzten die Ehre des Mannes. Auch dass die Putzfrau im OP ausgeholfen habe, sei eine falsche Tatsachenbehauptung. Der Anwalt legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Die Rechtsvertretung der Zeitung entgegnet, der Betroffene habe im arbeitsgerichtlichen Verfahren den Prozessvortrag der Klägerin unwidersprochen hingenommen. Die Aussagen über den Ruf des Beschwerdeführers seien eine reine Bewertungsfrage. Die Aussagen über die Ausbeutung der Haushaltskraft stützten sich auf die Erklärungen des Arbeitsrichters. Eine Assistenz der Putzfrau bei medizinischen Eingriffen sei nicht behauptet worden. In einem Schriftsatz der Rechtsvertretung des Arztes heißt es, die Klägerin sei “in seltenen Ausnahmen zu Hilfeleistungen im Operationssaal herangezogen worden. Ihre Tätigkeit bestand dabei darin, Patientinnen im Zustand der Narkose festzuhalten, wenn diese unruhig waren”. (1997)
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Die Theorie eines Privatgelehrten, dass nämlich rund 300 Jahre unserer bisherigen Geschichte von dem deutschen Kaiser Otto III. im 7. Jahrhundert nach Christus frei erfunden worden seien, bezeichnet eine Wochenzeitung als ein Symptom für das wachsende Bedürfnis nach Umschreibung und Umdeutung der Historie. Der Autor des Beitrags stellt fest, diese Theorie, anfangs nur in esoterischen Zirkeln bekannt, klinge zunächst wie die verrückte Idee eines Exzentrikers. Der geschichtswissenschaftliche Autodidakt und seine Freunde verfolgten mit ihrem obsessiven Steckenpferd zwar keine erkennbaren politisch-ideologischen Absichten. Erschreckend sei aber, dass die Methode strukturelle Ähnlichkeiten mit jener der rechtsradikalen Auschwitz-Leugner erkennen lasse. “Auch sie arbeiten nämlich mit einem radikalen Positivismus: Sie messen die Gaskammern aus, analysieren die chemische Beschaffenheit der Wände und rechnen anhand der Messergebnisse vor, dass Vergasungen gar nicht stattgefunden haben könnten.” Ein Journalist erhebt Beschwerde beim Deutschen Presserat. Er sieht den Privatgelehrten und seine Freunde, die etablierte Professoren seien, mit rechtsradikalen Auschwitz-Leugnern gleichgesetzt und damit übel und grundlos verleumdet. Der Rechtsvertreter der Zeitung erklärt, der Artikel setze sich ernsthaft mit den geschichtswissenschaftlichen Thesen des Gelehrten auseinander, der im übrigen selbst keinerlei Anstände oder gar rechtliche Ansprüche gegen den Artikel formuliert habe. Der Autor bescheinige dem Historiker und seinen Freunden ausdrücklich, mit ihrem obsessiven Steckenpferd keine erkennbaren politischen-ideologischen Absichten zu verfolgen. Er äußere sich also in keiner Weise persönlich zu dem Theoretiker, sondern ziehe nur Schlussfolgerungen aus dessen Methode, die er jedoch nicht ihm persönlich zurechne. (1997)
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