Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6869 Entscheidungen
„Endlich weniger rauchen“: Unter diesem Titel erscheint in einer Fernsehzeitschrift ein Artikel über Alternativen zu herkömmlichen Zigaretten. Zu Wort kommt dabei ein Manager eines internationalen Tabakkonzerns. Er erläutert die Funktionsweise von Tabakerhitzern. Ergänzt wird der Artikel durch einen Kasten, in dem Alternativen zum herkömmlichen Rauchen vorgestellt werden: ein Tabakerhitzer des Konzerns, eine E-Zigarette mit Verdampfer, eine E-Zigarette als Einwegprodukt sowie Kautabak. - Der Beschwerdeführer sieht in der Veröffentlichung Schleichwerbung für den Konzern. Er vermutet eine Kooperation der Zeitschrift mit dem Unternehmen, da regelmäßig dessen „Informationsanzeigen“ oder „eigene“ redaktionelle Artikel zum Thema Rauchen veröffentlicht würden, in denen Inhalte aus einer Informationskampagne des Unternehmens unkritisch übernommen würden. - Die Zeitschrift sieht keinen werblichen Vorteil für den Konzern, da in gleichem Umfang auch andere Alternativen zur Zigarette vorgestellt würden. Diese herstellerübergreifende Präsentation verschiedener Ersatzprodukte stelle die Vor- und Nachteile der jeweiligen Alternative heraus, ohne dass darin ein unzulässiger werblicher Überschuss enthalten sei. Auch die von solchen Geräten ausgehenden Gefahren würden angesprochen. - Der Beschwerdeausschuss spricht einstimmig eine öffentliche Rüge aus, denn der Artikel verletzt die in Ziffer 7 des Pressekodex geforderte klare Trennung von Redaktion und Werbung. Zwar ist nicht zu beanstanden, dass die Redaktion einen Konzernmitarbeiter die Funktionsweise von Tabakerhitzern erläutern lässt. Aber dass im ergänzenden Kasten allein ein Tabakerhitzer dieses Unternehmens erwähnt wird, überschreitet eindeutig die Grenze zur Schleichwerbung. Vertretbar wäre diese Nennung nur, wenn das Produkt ein Alleinstellungsmerkmal aufweisen würde. Dies geht aus der Berichterstattung aber nicht hervor. Es gibt andere, ähnliche Produkte, so dass die Fokussierung auf das Angebot nur dieses Herstellers eindeutig Schleichwerbung darstellt.
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Unter der Überschrift „Der wichtigste Zeuge“ berichtet eine Boulevardzeitung online in Text und Video über einen Zeugen im Fall der verschwundenen Maddie McCann. Er belastet einen namentlich genannten Tatverdächtigen, der auch mit einem unverpixelten Porträtfoto gezeigt wird. Die Redaktion fasst ihr Exklusivgespräch mit dem Zeugen so zusammen: Er habe die Polizei alarmiert, nachdem der Verdächtige ihm „aus Versehen“ die Entführung des Mädchens gestanden habe. - Der Beschwerdeführer kritisiert, dass die Redaktion immer wieder über die Ermittlungen im Fall Maddie McCann berichte und dabei einen Mann in Wort und Bild als Tatverdächtigen nenne. Er stehe zwar unter Verdacht, sei bislang aber weder angeklagt noch rechtskräftig verurteilt. Die Redaktion betreibe eine massive Vorverurteilung des Mannes. Mit den Aussagen des Interviewten, der selbst ein Krimineller sei, wolle sie nun offenbar die Schuld untermauern. - Die Zeitung entgegnet, es handele sich um einen langjährigen Vermisstenfall, der international großes Interesse und Anteilnahme in der Bevölkerung hervorgerufen habe. Die Berichterstattung darüber trage dazu bei, dringend benötigte Zeugenhinweise zu generieren, die die Ermittlungen voranbringen könnten. Im Übrigen verschicke der Tatverdächtige seit geraumer Zeit Pressemitteilungen mit vollem Namen, suche also selber aktiv die Öffentlichkeit. - Der Beschwerdeausschuss spricht einstimmig eine öffentliche Rüge aus. An dem Vermisstenfall besteht zwar grundsätzlich ein besonderes öffentliches Interesse. Aber auch für den Hauptverdächtigen gelten die Grundsätze der Unschuldsvermutung und der Schutz der Persönlichkeit. Die Nennung seines Namens hält der Ausschuss für zulässig, da er selbst offen mit Pressemitteilungen auf die Öffentlichkeit zugeht. Die Abbildung des Mannes geht jedoch noch einen Schritt weiter und verletzt den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 des Pressekodex. Er ist zwar Hauptverdächtigter, aber zum Zeitpunkt der Berichterstattung wurde noch keine Anklage gegen ihn erhoben. Ein öffentliches Interesse an einer identifizierbaren Abbildung sieht der Ausschuss nicht gegeben. Außerdem verstößt die Redaktion gegen die Unschuldsvermutung nach Ziffer 13. Denn sie veröffentlicht ausführlich belastende Aussagen, ohne diese zu relativieren oder in den Gesamtkontext einzuordnen.
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Eine Tageszeitung veröffentlicht in der wöchentlichen Kolumne ihres stellvertretenden Chefredakteurs einen Beitrag mit dem Titel „Krieg in der Ukraine: Zum Glück gibt es `Telegram´". Der Autor schreibt, er lese regelmäßig auf „Telegram“, was die Szene russischer Militärblogger von sich gebe. „Anders als man meinen sollte, entpuppen sich viele Informationen auf sehr vielen Channels regelmäßig als zutreffend.“ Natürlich stimme nicht alles. Klassische Medien seien vorsichtig, die Informationen wiederzugeben. Russische Quellen zu ignorieren, halte er dennoch für eine schlechte Idee. Dann teilt er „drei aktuelle Beobachtungen“ mit der Leserschaft: Sehr verbreitet seien dort „Abschussvideos“, also Bilder von zerstörtem Kriegsmaterial oder getöteten Menschen. Gehe man nach ihnen, seien seit Beginn der ukrainischen Gegenoffensive eine ganze Reihe Leopard-Panzer beschädigt oder zerstört worden, darunter auch Modelle der Bundeswehr. „Was sagt es aus über den Sinn der Lieferung dieses vermeintlich so wichtigen Materials, wenn nach wenigen Tagen derart viel zerstört ist?“ Als zweites Beispiel nennt er Raketenalarme bei Staatsbesuchen in der Ukraine. Teile einer südafrikanischen Delegation hätten später gespottet, dass es keinerlei Explosionen gegeben habe. „Die Sirenen immer bei Staatsbesuchen – sind sie nur eine Inszenierung?“, fragt der Autor. Für gänzlich unplausibel halte er die These nicht, „wenn man die übrigen gewitzten Mittel der ukrainischen psychologischen Kriegsführung betrachtet, wiewohl es fraglos regelmäßig sehr reale Angriffe gibt“. Das dritte Beispiel des Autors: Bis vor Kurzem habe er nicht gewusst, dass Russland und die Ukraine vor gut einem Jahr bei ihren Friedensgesprächen in der Türkei einen Abschlussentwurf ausgehandelt hätten, der bereits unterschrieben gewesen sein solle. „Wie Putin sagte, hat Russland auf dieser Basis den damals so überraschenden Teilabzug befohlen.“ Die Ukraine habe jedoch in Abstimmung mit Nato-Staaten das Verhandlungsergebnis verworfen. Wie authentisch das Dokument sei, lasse sich nicht überprüfen. „Es gibt aber Hinweise darauf, dass an Putins Version etwas dran ist, wiewohl auch russische Provokationen und Aktionen zum Scheitern beigetragen haben können und der Entwurf ein Datum trägt, an dem die russischen Truppen rund um Kiew ihren Rückzug bereits begonnen hatten. Genau hinsehen muss man also bei Telegram.“ Aber: „Mein Bild der Vorgänge bereichert das sehr.“ - Die Beschwerdeführerin hält den Artikel für einen Sorgfaltspflicht-Verstoß, da der Wahrheitsgehalt der verbreiteten Informationen nicht überprüft worden sei. Zwar habe der Autor die Quelle „Telegram“ als nicht immer glaubwürdig gekennzeichnet, aber die drei daraus entnommenen Beispiele stelle er als Fakten dar, ohne sie kritisch zu hinterfragen. Außerdem sei der Artikel nicht als Kommentar gekennzeichnet. Ferner verstoße der Autor gegen das Verbot unangemessener Sensationsberichterstattung, indem er darauf verweise, dass auf „Telegram“ Bilder von „Blut und Brutalität“ verbreitet werden könnten. - Die Zeitung weist in ihrer Entgegnung darauf hin, dass der Beitrag in einer persönlichen Kolumne des stellvertretenden Chefredakteurs erschienen und somit eindeutig als Meinungsbeitrag erkennbar sei. „Telegram“ sei zu einer weltweit relevanten Quelle für den Ukraine-Krieg geworden, deren Bedeutung auch in zahlreichen Medien von „Tagesschau“ über „Bild“ bis „Spiegel“ erkannt worden sei. Dass die Informationen wie in jedem sozialen Netz nicht ohne Weiteres als bare Münze genommen werden dürften, habe der Autor mehrfach klar herausgestellt. Im konkreten Fall jedoch könnten keine ernsthaften Zweifel bestehen, dass ein relevanter Anteil der Leopard-Panzer zerstört sei. Zu dem auf „Telegram“ erwähnten Vertragsentwurf heißt es, dass Putin das Dokument teilweise lesbar in die Kamera gehalten habe. Die brutalen „Abschussvideos“ beider Seiten seien Dokumente der Zeitgeschichte. Die Zeitung habe die Aufnahmen aber nicht gezeigt, sondern lediglich ihre Existenz erwähnt. „Von einer überbordenden Sensationsberichterstattung kann keine Rede sein.“ - Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus, weil der Artikel in massiver Weise gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex verstößt. Diese Pflicht gilt auch bei einem Meinungsbeitrag, soweit er Tatsachenbehauptungen enthält. Diese müssen mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt recherchiert und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft und, wenn nötig, für die Leserschaft eingeordnet werden. In dem beanstandeten Artikel nimmt der Redakteur „Telegram“-Meldungen als Beispiele dafür, warum dort aktive russische Militärblogger eine gute Quelle seien. Er stellt diese Meldungen zum Großteil als Fakten hin, ohne sie einzuordnen oder in einen Kontext zu setzen. Auch die Unterüberschrift („Informationen aus russischen Quellen entpuppen sich regelmäßig als zutreffend“) erweckt den Eindruck, die erwähnten Beispiele seien zutreffend. Denn warum sonst sollte der Redakteur sie für seine These anführen? Zudem stützt er sich auf die Meldungen, um weitere Meinungen zu äußern, etwa zu den Leopard-Panzern. Deshalb sind auch seine Relativierungen (z. B.: „Nicht alles dort stimmt“) nicht geeignet, die Beispiele als reine Gerüchte beziehungsweise Vermutungen erkennbar zu machen. Gerade bei einem so sensiblen Thema wie dem Ukraine-Krieg, über den Propaganda und viele Falschnachrichten zirkulieren, hätte es die journalistische Sorgfalt zwingend geboten, die Beispiele zu prüfen und gegebenenfalls zu kontextualisieren. So wäre es ein Leichtes gewesen, beim dritten Beispiel herauszufinden, dass bei den genannten Verhandlungen unter anderem territoriale Fragen noch nicht geklärt waren und dass die Verhandlungen über den Waffenstillstand spätestens durch die Gräueltaten von Butscha als gescheitert galten. Dass die Kolumne nicht ausdrücklich als Meinungsbeitrag gekennzeichnet wurde, stellt hingegen keine Verletzung des Pressekodex dar; ihm lässt sich keine solche Verpflichtung entnehmen. Auch eine unangemessen sensationelle Berichterstattung kann der Ausschuss nicht erkennen.
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„Diese Milchgesichter sind brutale Räuber“: Unter dieser Schlagzeile berichtet eine Boulevardzeitung online über die Fahndung nach zwei Jungen und einem Mädchen wegen Raubes und Körperverletzungen. Die Redaktion zeigt identifizierbare Fotos der drei. Die Polizei schätzt das Alter der Jungen auf maximal 15, das Mädchen sei höchstens 17 Jahre alt. - Der Beschwerdeführer sieht einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung. Die tatverdächtigen Kinder würden durch die Überschrift als verurteilte Straftäter dargestellt. - Die Zeitung beruft sich auf einen Fahndungsaufruf von Polizei und Staatsanwaltschaft. Den Jugendlichen (nicht Kindern) würden mehrere Straftaten und Verbrechen an verschiedenen Tatorten vorgeworfen. Raub und Körperverletzung seien mit der Ausübung von Gewalt verbunden. Dies rechtfertige die Bezeichnung „brutal“. Selbstverständlich habe der Verfasser vor der Veröffentlichung bei den Behörden nachgefragt. Sie hätten versichert, dass die Taten eine erhebliche Schwere hätten. Dafür spreche auch, dass es überhaupt zu einer Öffentlichkeitsfahndung kam, denn dafür bestünden besondere rechtliche Anforderungen, gerade bei Jugendlichen. Nach der Rücknahme der Fahndung habe die Redaktion die Bilder sofort verpixelt. Die Jugendlichen seien auch nicht vorverurteilt worden, denn es sei durchweg der Konjunktiv verwendet worden („sie sollen gefährliche Gewalttäter sein“, „2022 sollen sie (...) zugeschlagen haben“). Dadurch und durch die Tatsache der Fahndung werde dem objektiven Durchschnittsleser unmissverständlich vermittelt, dass die Jugendlichen noch nicht rechtskräftig verurteilt seien.
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Eine Koch- und Backzeitschrift veröffentlicht in einem Extra-Heft „99 Pasta-Rezepte zum Nachkochen“ und zeigt dazu Bilder der jeweiligen Gerichte. Kennzeichnungen oder Quellennachweise enthalten die Bilder nicht. Erst durch den Bericht einer überregionalen Tageszeitung erfährt die Öffentlichkeit, dass diese Ausgabe weitgehend mit Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt wurde. - Der Beschwerdeführer kritisiert, im Magazin fehle jeder Hinweis darauf, dass die Rezepte nicht von Menschen geschrieben, die Gerichte nicht fotografiert und wohl auch nie gekocht und geschmeckt worden seien. Diese Intransparenz verletze die Pflicht zur wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit als oberstes Gebot der Presse (Ziffer 1 des Pressekodex). - Der Verlag hatte bereits nach Bekanntwerden des Vorgangs seine Motivation erläutert: Die Leser hätten unvoreingenommen an das Produkt herangehen sollen. Die Ergebnisse der KI seien von den Redakteuren sorgfältig geprüft und einige Rezepte auch gekocht worden. Das Heft habe sogar mehr Arbeit gemacht als eine normale Ausgabe. Man habe sehen wollen, „inwieweit KI-Tools die Arbeitsabläufe bei der Erstellung von Print- wie Digitalprodukten sinnvoll unterstützen können“. In seiner Stellungnahme zur Presseratsbeschwerde schreibt der Verlag, um diese Ausgabe des Rezeptmagazins habe sich sowohl eine interne als auch eine wichtige öffentliche Diskussion über den Umgang von Medien mit KI und den Einbau von Leitplanken entsponnen. Diesen Findungsprozess durchlaufe der Verlag derzeit mit hohem Tempo. Als Ergebnis habe man sich auf Grundsätze verständigt, die einen richtungsweisenden Beitrag auch für eine Linie des Presserats leisten könnten. In den Grundsätzen heißt es unter anderem: „Wir kennzeichnen KI dort, wo es keine abschließende menschliche Kontrolle und Qualitätssicherung gibt.“ Auf jeden Fall gelte: „Wir übernehmen die volle Verantwortung für alles, was wir produzieren - unabhängig davon, welche Werkzeuge und Technologien wir einsetzen.“ - Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge wegen Verstoßes gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex aus, allerdings nur wegen der Bilder: Die fehlende Kennzeichnung als KI führt zu einer Irreführung der Leserinnen und Leser. Die Bilder könnten den Eindruck erwecken, tatsächlich zubereitete Gerichte zu zeigen, womit aus Sicht der Leserschaft auch eine Aussage über die Qualität der Rezepte selbst verbunden ist. Weil kein Unterschied zu Fotos von tatsächlich zubereiteten Gerichten zu erkennen ist, hätte die Redaktion deutlich wahrnehmbar in Bildlegende oder Bezugstext erwähnen müssen. dass es sich nur um symbolische Illustrationen handelt. Bei den Rezepten selbst liegt hingegen kein Verstoß gegen die presseethischen Grundsätze vor. Denn der Pressekodex enthält in Bezug auf Texte keine Kennzeichnungspflicht.
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Eine Lokalzeitung veröffentlicht ein ausführliches Interview mit dem ältesten Priester des katholischen Bistums zu seiner Person und seiner beruflichen Laufbahn. - Der Beschwerdeführer teilt mit, dass das Interview nicht von einem Redakteur der Zeitung, sondern einem Mitarbeiter der Stabsstelle Medien und Öffentlichkeit der Diözese geführt worden sei. Darüber würden die Leser aber nicht informiert. - Der Chefredakteur teilt mit, das Interview sei mit dem Namen des Pressesprechers sowie dem Kürzel „pde“ abgedruckt worden; dahinter verberge sich die Pressestelle des Bistums. Dieses Kürzel werde immer wieder von der Redaktion verwendet, es sei also eingeführt. Insofern sei das Interview gekennzeichnet. Allerdings habe er die Lokalredaktion darauf hingewiesen, dass sie hier in Zukunft mehr Transparenz walten lassen müsse. Das bloße Kürzel reiche bei einem blattprägenden Artikel wie dem beanstandeten nicht mehr aus. - Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus, weil hier ein schwerer Verstoß gegen Ziffer 6 des Pressekodex (Trennung von Tätigkeiten) vorliegt. Presseethisch wäre es zwingend erforderlich gewesen, die Leserschaft darüber zu informieren, dass der Autor des Beitrags nicht Mitglied der Redaktion, sondern Pressesprecher ist. Das Kürzel „pde“ ist hier nicht ausreichend, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass alle Leser wissen, was sich dahinter verbirgt. - Der Redaktionsleiter beantragt eine Wiederaufnahme des Verfahrens, weil er eine mildere Maßnahme als eine Rüge für angemessen hält. Die Redaktion nehme ihren Fehler sehr ernst und werde in Zukunft auf eine Kennzeichnung achten. Zu bedenken sei auch, dass es sich bei dem Interview nicht um einen gesellschaftskritischen oder kirchenpolitischen Beitrag handele, der eine interessengeleitete Agenda transportieren könnte, sondern nur um eine „Personality-Geschichte“. - Ein anderer, mit dem Fall bisher nicht befasster Beschwerdeausschuss lehnt den Wiederaufnahmeantrag ab. Er sieht keine neuen Gegebenheiten, die eine wesentlich andere Entscheidung begründen könnten.
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Eine Boulevardzeitung berichtet über einen jungen Mann, der in einer Kleinstadt vor seinem Haus von Anwohnern gefunden wurde und wenig später im Krankenhaus verstarb. Die Polizei stehe vor einem Rätsel, schließe aber einen Verkehrsunfall sowie direkte Gewalteinwirkung durch Dritte aus; „ein Sturzgeschehen ist wahrscheinlich“. Die Zeitung stellt dazu Fragen: „Doch wie stürzte er? Mit dem Fahrrad, das gefunden wurde? Oder ist er aus dem Fenster gestürzt? Ist deshalb der Rollladen am Haus halb abgerissen? Und wieso fällt man einfach aus dem Fenster? Haben eventuell Drogengeschäfte etwas damit zu tun? Musste [Vorname und abgekürzter Nachname] fliehen?“ Ein Anwohner habe der Zeitung berichtet, dass die Mutter des Toten ihm das Haus besorgt habe, „weil sie gehofft hatte, dass er hier von den Drogen loskommt“. Der Artikel enthält noch weitere persönliche Details, zum Beispiel, dass er adoptiert gewesen sei und in einer anderen (namentlich genannten) Stadt aufgewachsen sei. Zu dem Beitrag gehören auch Fotos vom Haus und der Straße sowie ein großes, stark verpixeltes Bild des Mannes, auf dem er mit einer Pillenkapsel in der Hand zu sehen ist. - Der Beschwerdeführer kritisiert, dass die Redaktion gegen mehrere Ziffern des Pressekodex verstoßen habe. Sie habe den Persönlichkeitsschutz verletzt, denn aus der Summe der persönlichen Angaben und Abbildungen könnten Ortskundige den Verstorbenen identifizieren. Mit der Frage nach Drogengeschäften habe sie seine Ehre und die Unschuldsvermutung verletzt. Außerdem hätte sich die Redaktion bei ihren Schilderungen zurückhalten müssen, weil der Mann vielleicht drogenkrank gewesen sei und ein Suizid nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne. Insgesamt handele es sich um eine unangemessen sensationelle Darstellung. - Die Zeitung weist alle Vorwürfe zurück. Ein Verstoß gegen den Persönlichkeitsschutz liege nicht vor, denn zum einen sei der Nachname des Opfers abgekürzt und sein Foto bis zur Unkenntlichkeit verpixelt worden, und zum anderen sei die Nachricht vom Tod des Mannes in dem kleinen Ort schon allgemein bekannt gewesen. Es sei keinesfalls Schutzzweck des Pressekodex, bereits bekannte Informationen „quasi zu unterdrücken“; dies liefe sonst auf eine erhebliche, vorzensurähnliche Einschränkung der Pressefreiheit hinaus. Auch eine Ehrverletzung oder Kriminalisierung liege nicht vor. Mit der Frage „Haben eventuell Drogengeschäfte etwas damit zu tun?“ werde nicht die Behauptung einer Straftat aufgestellt. Im Übrigen habe der junge Mann selber das Foto mit der Drogenkapsel in der Hand in einem Social-Media-Kanal gepostet. Auch die Richtlinien zur Zurückhaltung bei Erkrankungen und Selbsttötungen seien nicht verletzt worden. Denn es gebe keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür, dass hier überhaupt eine psychische Erkrankung oder ein Suizid vorgelegen hätten. Auch sei die Berichterstattung nicht unangemessen sensationell. Sie erwähne nur die Fakten und frage, was angesichts dieser Sachlage vorgefallen sein könnte. - Der Beschwerdeausschuss erklärt die Beschwerde für teilweise begründet und spricht eine öffentliche Rüge aus. Der Verstorbene ist zumindest für ein lokales Umfeld identifizierbar. Durch die im Artikel gestellten Fragen wird der Leserschaft suggeriert, der junge Mann sei in illegale Drogengeschäfte verwickelt gewesen, die zu dem Todessturz geführt hätten. Hierfür liegen jedoch keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen vor. Zudem berichtet die Redaktion über zahlreiche weitere persönliche Details, die in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem Fall stehen (zum Beispiel die Adoption). Insoweit überwiegen die schutzwürdigen Interessen des Opfers das Informationsinteresse der Öffentlichkeit; deshalb liegt hier ein Verstoß gegen den Persönlichkeitsschutz nach Ziffer 8 des Pressekodex vor. Außerdem hat die Redaktion gegen Ziffer 9 verstoßen, denn die Behauptung, dass eventuell Drogengeschäfte etwas mit dem Sturz zu tun hätten, und die damit einhergehende Suggestion, das Opfer sei in illegale Drogengeschäfte verwickelt, sind geeignet, den Mann in seiner Ehre zu verletzen. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet: Die Ausschussmitglieder können keine unangemessene Darstellung von Gewalt, Brutalität und/oder Leid erkennen.
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Unter einem Online-Beitrag über die Linken-Spitzenkandidatin zur Europawahl 2024 veröffentlicht eine überregionale Tageszeitungsredaktion verschiedene Leser-Kommentare. Darin heißt es unter anderem: „Naja, ohne Schnurrbart wäre sie ansehnlicher.“ „Diese Postkommunisten gehören auf den Müllhaufen der Geschichte, wie die braune Brut der AfD.“ „Erstmal rasieren.“ „Die Frau (...) sollte zuerst einmal ihre Dreads abschneiden, denn laut Narrativ der Linken ist diese Frisur ja kulturelle Aneignung.“ „Ein BH wäre auch nicht verkehrt.“ - Der Beschwerdeführer kritisiert die Veröffentlichung der Kommentare. Kritik an diesen diffamierenden, beleidigenden Beiträgen sei dagegen nicht veröffentlicht worden. - Der Digital-Chefredakteur bestreitet, dass die Redaktion Hetze dulde. Mit immensem Moderationsaufwand und mithilfe Künstlicher Intelligenz versuche sie täglich, bis zu 30.000 Nutzerkommentaren Herr zu werden. Dabei würden Fehler gemacht, und auf die werde selbstverständlich reagiert. Allerdings gehörten Diskussionen über Moderations-Entscheidungen nicht in den Kommentarbereich, sondern müssten per Mail geführt werden. So stehe es in den verlinkten Regeln am Eingang des Kommentarbereichs. Dementsprechend seien in diesem Fall die kritischen Kommentare zur Moderation gelöscht worden. Zu den beanstandeten Kommentaren schreibt der Chefredakteur: Da sei sicher nicht jeder besonders geschmackvoll, aber Beleidigungen könne er darin beim besten Willen nicht erkennen. - Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus. Die Nutzerkommentare beziehen sich auf das äußere Erscheinungsbild der Politikerin und ihre körperlichen Merkmale. Diese abwertenden Äußerungen, die jede Sachebene der politischen Diskussion verlassen, überschreiten die Grenze zur Schmähkritik und sind dazu geeignet, die Frau in ihrer persönlichen Ehre nach Ziffer 9 des Pressekodex zu verletzen. Außerdem hat die Redaktion gegen Ziffer 2 verstoßen. Demnach tragen Redaktionen Verantwortung auch für die von Nutzern beigesteuerten Inhalte. Die Redaktion hätte die abwertenden Kommentare löschen müssen, nachdem sie davon erfahren hat.
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Unter der Überschrift „Natürliche Power gegen Falten“ berichtet eine Frauenzeitschrift über eine spezielle „Anti-Aging-Pflanze“ namens Hohowi. Wer nach einer sinnvollen Alternative zu Botox & Co. suche, werde beim Hohowi-Wüstenstrauch fündig. Nach der Darstellung seiner Eigenschaften erwähnt die Redaktion eine bestimmte Creme, lobt ihre Wirkung und nennt auch ihre Pharmazentralnummer für den Kauf in der Apotheke. - In der Beschwerde an den Presserat heißt es, bei dem Artikel handele es sich um eine Produktempfehlung im redaktionellen Stil, die nicht als Werbung gekennzeichnet sei. - Nach Ansicht des Verlags ist die Presse berechtigt, über gesundheitliche, medizinische und wissenschaftliche Themen frei zu berichten. Dabei dürfe sie auch redaktionelle Empfehlungen aussprechen und beispielhaft Produkte nennen, die in den Kontext der Berichterstattung passten. Der beanstandete Artikel sei journalistisch unabhängig, allein mit Blick auf das begründete Informationsinteresse an Gesundheitsthemen entstanden. Die Zeitschrift sei dafür nicht bezahlt worden und habe auch keine geldwerten Vorteile erhalten. Dass der Verlagskonzern auch bezahlte Anzeigen für das Produkt veröffentliche, ändere an dieser Bewertung nichts. Anzeigenvermarktung und Redaktion gehörten zu verschiedenen Gesellschaften des Konzerns. - Der Beschwerdeausschuss beschließt eine öffentliche Rüge wegen eines schweren Verstoßes gegen das Gebot zur strikten Trennung von Werbung und Redaktion (Ziffer 7 des Pressekodex). Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen bzw. deren Erzeugnisse hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. In dem beanstandeten Artikel wird ein Produkt namentlich erwähnt, ohne dass hierfür ein hinreichendes anzunehmendes Leserinteresse erkennbar wird, zum Beispiel in Form eines relevanten Alleinstellungsmerkmals. Ebenso fehlt eine redaktionelle Einordnung, etwa ein Vergleich mit ähnlichen Produkten. Nach ständiger Spruchpraxis des Presserats – gerade auch zu Artikeln über freiverkäufliche Kosmetikprodukte – ist der mit einer solchen Hervorhebung verbundene werbliche Effekt strikt zu vermeiden. Im beanstandeten Beitrag überschreitet die Redaktion hingegen deutlich die Grenze zur Schleichwerbung.
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Eine Tageszeitung berichtet in mehreren Beiträgen über einen Sorgerechtsstreit nach einer Trennung der Eltern. Es geht dabei um einen Zehnjährigen. In den Beiträgen wird eine namentlich genannte Diplom-Psychologin kritisiert. Als gerichtlich beauftragte Gutachterin hatte sie dem Familiengericht mit Erfolg empfohlen, dass der Junge gegen seinen Willen seinen Lebensmittelpunkt beim Vater haben solle. Die Zeitung zitiert die Vorwürfe der Mutter, wonach der Vater sie während ihrer Beziehung geschlagen und vergewaltigt habe. Sogar die Rechtsanwältin des Mannes habe dessen frühere Gewalt eingeräumt, finde allerdings, dass die Vergangenheit „irgendwann einmal ruhen“ müsse. Doch für die Mutter, so die Zeitung, „bleibt die vergangene Gewalterfahrung gegenwärtig“. Die vom Familiengericht beauftragte Gutachterin mache ihr das zum Vorwurf, „dreht einen Strick draus“. In ihrem Gutachten schreibe sie: „Die Mutter hat die vergangene Paarbeziehung nicht ausreichend bewältigt“. Sie sei nur eingeschränkt erziehungsfähig, während der Vater ein stabiles und positives Verhältnis zu dem Jungen habe. Die Zeitung zitiert auch aus einem Gegengutachten, das die Mutter bei einem Professor für angewandte Psychologie angefordert habe. Er nehme das Gutachten der Diplom-Psychologin „nach Strich und Faden auseinander“ und halte sie für nicht ausreichend qualifiziert, um den Auftrag des Gerichts zu erfüllen. – Die kritisierte Psychologin beschwert sich beim Presserat darüber, dass die Zeitung gegen die Sorgfaltspflicht und gegen das Persönlichkeitsrecht verstoßen habe. Die Berichterstattung basiere ausschließlich auf den Angaben der Mutter. Die Aussage, dass deren Ex-Mann sie geschlagen und vergewaltigt habe, sei nicht belegt. Dadurch entstehe ein völlig falsches Bild. Außerdem seien Zitate aus dem Gutachten aus dem Zusammenhang gerissen worden. So werde die Sicht des Journalisten bestätigt, dass die Mutter Opfer einer unfähigen Sachverständigen geworden sei. Die Empfehlung, dem Willen des Kindes nicht zu folgen, sei ausführlich im Gutachten begründet worden. Die Gründe hierfür seien glücklicherweise nicht publik gemacht worden. Das hätte dem Kind großen Schaden zugefügt, so die Beschwerdeführerin. – Der Chefredakteur erläutert in seiner Stellungnahme, dass dem Verfasser der Beiträge sämtliche Gerichtsentscheidungen zu dem Sorgerechtsstreit, zahlreiche weitere Dokumente der beteiligten Stellen sowie die beiden widerstreitenden Gutachten vorgelegen hätten. Der Redakteur habe sorgfältig gearbeitet, eher Tausende als Hunderte Seiten gesichtet, ausgewertet, dargestellt und, wo es ihm nötig erschienen sei, bewertet oder Wertungen Dritter wiedergegeben. Dass die Zeitung die Gutachterin nicht um eine Stellungnahme gebeten habe, begründet der Chefredakteur damit, dass eine Anfrage nur Alibicharakter gehabt hätte. Denn die Gutachterin betone selbst, dass Kindschaftssachen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden sollten. Es sei eindeutig, dass sie keine Fragen zum konkreten Fall beantwortet hätte. Alle interessierenden Fragen habe sie bereits in ihrem rund hundertseitigen Gutachten beantwortet, das der Redakteur intensiv gelesen habe. – Der Beschwerdeausschuss bescheinigt der Zeitung, dass der Redakteur sorgfältig recherchiert hat. Seine Tatsachenbehauptungen sind vom Sachverhalt gedeckt, und für seine Meinungsäußerungen gibt es hinreichend tatsächliche Anknüpfungspunkte. Unter diesem Aspekt liegt also kein Sorgfaltsverstoß nach Ziffer 2 des Pressekodex vor. Dennoch spricht der Ausschuss eine öffentliche Rüge aus, denn die Zeitung hätte der Gutachterin eine Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Die massive Kritik an ihrer Qualifikation ist geeignet, ihre Reputation und ihre berufliche Existenz zu gefährden. Insoweit wäre es nach Ziffer 2 zwingend notwendig gewesen, sie vorab hiermit zu konfrontieren. - Bereits in der Vorprüfung des Falles hatte der Presserat festgestellt, dass die Zeitung den Namen der Gutachterin nennen durfte und somit nicht gegen Ziffer 8 (Schutz der Persönlichkeit) verstoßen hat. Denn über Personen, die an der Rechtspflege beteiligt sind, darf in der Regel identifizierend berichtet werden, wenn sie ihre Funktion ausüben.
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