Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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7055 Entscheidungen
Eine Tageszeitung berichtet online und in der Printausgabe über eine Gremiensitzung in der Leverkusener Geschäftsstelle der Industrie- und Handelskammer Köln, bei der es um eine von örtlichen Unternehmen befürchtete Schließung dieser IHK-Zweigstelle ging. Laut Überschrift sind Leverkusens Unternehmer „schlecht auf die Kölner IHK zu sprechen“. Im Print-Untertitel und im Online-Vorspann heißt es, der IHK-Hauptgeschäftsführer habe „drei Stunden lang“ die Wogen glätten müssen. Im Beitrag selbst schreibt die Redaktion unter anderem: „Weil die Schließung befürchtet wird, hatte sich einen Tag vor dem Termin der Hauptgeschäftsführer aus Köln angekündigt (...) Es habe – entlang einer umfänglichen Tagesordnung – einen `dreistündigen, sehr lebhaften Diskussionsmarathon´ gegeben, so beschreibt es ein Teilnehmer“. Beschwerdeführer ist der erwähnte Hauptgeschäftsführer. Er kritisiert, die Redaktion habe sich nach eigener Darstellung ausschließlich auf Aussagen eines einzelnen Teilnehmers der nicht-öffentlichen Sitzung gestützt, ohne diese Angaben auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Der im Artikel sechsmal namentlich genannte und teilweise indirekt zitierte Hauptgeschäftsführer habe zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit zur Stellungnahme und Richtigstellung gehabt. Zahlreiche Aussagen im Artikel seien nachweislich falsch. Hierdurch sei der IHK Köln und ihrer Führung ein erheblicher Reputationsschaden entstanden. Der Beschwerdeführer bemängelt unter anderem die Formulierung, dass er „drei Stunden lang“ die Wogen habe glätten müssen. Laut Sitzungsprotokoll habe der entsprechende Tagesordnungspunkt nur eine dreiviertel Stunde gedauert. Ferner kritisiert er, dass die Redaktion an einer Stelle vom „Wirtschaftsgremium der IHK Leverkusen“ schreibt. In Wirklichkeit gebe es keine „IHK Leverkusen“, sondern lediglich eine Geschäftsstelle der IHK Köln in Leverkusen, und es gebe „ein Wirtschaftsgremium Leverkusen der IHK Köln“. Außerdem stimme es nicht, dass er sich erst einen Tag vor dem Sitzungstermin angekündigt habe. Vielmehr sei seine Teilnahme bereits mehrere Wochen vor der Sitzung festgelegt worden. In der Vorprüfung des Falles beschränkt der Presserat die Beschwerde auf diese drei von mehreren kritisierten Tatsachenbehauptungen. Die Zeitung verteidigt ihre Berichterstattung als wahrheitsgemäß, angemessen und sorgfältig.
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Eine Wochenzeitung berichtet ausführlich über die Szene der sogenannten Reichsbürger in Deutschland. Der Beschwerdeführer bemängelt falsche Benennungen und Zuordnungen: Eine der erwähnten Gruppierungen heiße nicht „Vereinte Patrioten“, sondern „Kaiserreichgruppe“, und die Gruppe um Prinz Reuß sei namenlos und heiße nicht „Patriotische Union“. In keiner Weise hätten die beiden Gruppen miteinander zu tun. Falsch sei auch die Äußerung, dass der ehemalige NVA-Soldat Sven B. der terroristischen Gruppe um Prinz Reuß nahestehe; vielmehr habe er sich für die terroristische „Kaiserreichgruppe“ engagiert. Im Vorprüfungsverfahren bewertet der Presserat die Beschwerde zunächst als „offensichtlich unbegründet“: Analog zu Pressekodex-Richtlinie 13.1 („In der Sprache der Berichterstattung ist die Presse nicht an juristische Begrifflichkeiten gebunden, die für den Leser unerheblich sind“) stehe es der Presse frei, in der Öffentlichkeit eingeführte und damit bei der Leserschaft bekannte Bezeichnungen für die Terror-Gruppen zu verwenden, unabhängig von etwaigen Eigenbezeichnungen. Auf Einspruch des Beschwerdeführers leitet der Presserat dann doch ein reguläres Beschwerdeverfahren ein und holt eine Stellungnahme der Zeitung ein. Der Chefredakteur widerspricht darin dem Vorwurf, dass die Gruppe um Prinz Reuß keinesfalls den Namen „Patriotische Union“ trage.
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Eine Tageszeitung lädt in einem ausführlichen Beitrag ihre Leserschaft dazu ein, aus Anlass des 34. Jahrestags des Berliner Mauerfalls eigene Texte zur aktuellen Weltlage einzureichen, die auf einer offenen Plattform der Zeitung erscheinen sollen. Illustriert ist der Beitrag mit Bildern von sechs (überwiegend bereits gestorbenen) internationalen Bürgerrechtlern und Friedensaktivisten mit trauernden oder weinenden Gesichtern. In der Onlinefassung wird direkt unter den Bildern darauf hingewiesen, dass die Fotos durch Künstliche Intelligenz (KI) verfremdet wurden. In der Print-Version taucht dieser ausdrückliche Hinweis nur im Beitragstext auf. Bei den Fotos selbst steht der Hinweis auf die KI nur in der Copyright-Zeile, die kleingedruckt senkrecht am Rand des ersten Fotos steht. Der Beschwerdeführer sieht dadurch den Pressekodex in mehrfacher Hinsicht verletzt: bei der Wahrhaftigkeit und der Achtung der Menschenwürde, dem Persönlichkeitsschutz und dem Schutz der Ehre. Er kritisiert eine mangelhafte Kennzeichnung der „KI-Fälschungen“ in der Druckausgabe und sieht darin eine versuchte Irreführung der Leserschaft. Außerdem sei es ekelhaft, Ansehen und Ehre Verstorbener durch fratzenhaft verfälschte Bilder zu verunglimpfen. Die kritisierte Zeitung nimmt keine Stellung.
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Unter der Überschrift „Infektiologe: ‚Aufmerksamkeit nicht primär auf Corona legen‘“ zitiert eine Nachrichtenagentur einen Infektiologen unter anderem mit den Worten, dass die Zahl der Influenza-Infektionen im Winter 2022/23 deutlich über der Zahl der Corona-Fälle gelegen habe. Rund 24 Millionen Menschen in Deutschland – etwa jeder vierte – seien an einer Atemwegsinfektion erkrankt. Die Mehrzahl der Fälle sei durch das Grippevirus verursacht worden. „Die Influenza war mit Abstand die häufigste Atemwegserkrankung“, zitiert die Agentur den Mediziner. „Es macht keinen Sinn, die Aufmerksamkeit primär auf Corona zu legen.“ Die Beschwerdeführerin wirft der Agentur vor, diese Aussagen ohne Einordnung und Recherche übernommen und nicht hinterfragt zu haben. Dabei handele es sich um eine Falschaussage. In den Epidemiologischen Bulletins des Robert-Koch-Instituts (RKI) lasse sich nachlesen, dass im Winter 2022/23 nicht die Influenza-Fälle, sondern die COVID-19-Fälle mehr als deutlich überwogen hätten. Die Agentur entgegnet, dass der zitierte Infektiologe und Oberarzt am Klinikum rechts der Isar an der Technischen Universität München aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit und der daraus resultierenden Fachkenntnis absolut geeignet sei, um zur Einordnung der Infektionslage eine fundierte Aussage zu tätigen.
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Eine Boulevardzeitung berichtet online über einen pensionierten Musiklehrer, der bei einer Bergwanderung tödlich verunglückte. Der derzeitige Schulleiter wird viermal mit Aussagen über das Unfallopfer zitiert. Zudem heißt es, der Schulleiter habe ihn als Jugendlicher selbst als Lehrer gehabt und später noch fünf Jahre mit ihm zusammengearbeitet. Der angeblich Zitierte beschwert sich: Er habe nicht mit der Zeitung gesprochen und auch nicht in einem anderen Zusammenhang die ihm zugeschriebenen Aussagen gemacht. Da er erst seit einem Jahr an dem Gymnasium arbeite, kenne er den Verunglückten auch nicht persönlich. Der zuständige Redakteur entgegnet, er sei mit einem Foto des Unfallopfers zur Schule gefahren und habe mit zwei Damen am Pausenverkauf gesprochen. „Unmittelbar danach kam ein Lehrer hinzu, der sich mir – als ich mich als [Zeitungsname]-Journalist zu erkennen gegeben habe – als Herr [Nachname] vorstellte (sein Foto hängt auch im Eingang des Gymnasiums, insofern war er für mich schnell als Schulleiter zuzuordnen). Besagter Herr sprach dann sehr wohl mit mir über den verunglückten Musiklehrer, auch er bestätigte das Foto und lieferte auch die verwendeten Zitate.“ Auf Nachfrage des Presserats erläutern der Schulleiter und einer seiner Kollegen, dass sich dieser am Pausenverkauf mit einer Verkäuferin über den Verunglückten unterhalten habe. Daneben habe ein Unbekannter gestanden, der sich in das Gespräch eingeschaltet habe. Im Laufe des Gesprächs habe der Kollege erzählt, das er den Verunglückten selbst noch als Lehrer und später auch als Kollegen erlebt habe. Erst im Weggehen habe der Unbekannte gesagt, das sei alles für ihn sehr interessant, da er immer wieder für eine Zeitung schreibe. Seinen Namen habe er nicht genannt, auch keine Aufzeichnungen geführt. Darauf erwidert die Zeitung, dass der Pressekodex keine Pflicht zur Namensnennung enthalte, sondern nur gebiete: „Journalisten geben sich grundsätzlich zu erkennen.“
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Eine Boulevardzeitung titelt online: „Über diese Klima-Heuchlerin ärgert sich ganz Deutschland - Klebe-Luisa lebt ihren Traum von einer Weltreise … und wir kommen nicht zur Arbeit". Darunter steht ein großes Foto der inzwischen 22-Jährigen, das sie laut Bildunterschrift 2019 vor dem Eiffelturm zeigt und aus ihrem Facebook-Auftritt stammt. In dem Bericht werden sie und ihr 24-jähriger Freund mit vollem Namen genannt und bei einer Straßenblockade gezeigt. Als Jugendliche habe sie im Internet geschrieben: „Ich will unbedingt mal eine Weltreise machen.“ Dann habe sie den Klimaschutz für sich entdeckt, sich auf Straßen festgeklebt und sich der „Letzten Generation“ angeschlossen. Jetzt aber mache sie mit ihrem Freund Urlaub im sonnigen Thailand, während „ihre Freunde in elf kalten deutschen Städten auf Straßen klebten und Zehntausende Menschen in den Stau schickten“. Und weiter: „Über dieses junge Paar, das deutsche Autofahrer ausbremst und dann im Urlaubsflieger 9300 Kilometer ans andere Ende der Welt jettet, ärgert sich ganz Deutschland. ‚Solche verwöhnten, verlogenen und radikalen Gören werden irgendwann in die Politik gehen und uns ihr Leben aufzwingen wollen‘, schrieb BILD-Leser [vollständige Namensnennung].“ Aus Thailand hätten die beiden einen „Jammer-Brief“ an die linke „taz“ geschickt: Man habe „eine Fluggesellschaft mit möglichst kerosinsparenden Flugzeugen“ gesucht; man lebe doch sonst „möglichst treibhausgasarm“ und wolle auf dem Heimweg nur bis in die Türkei fliegen. Der Beschwerdeführer sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen den Persönlichkeitsschutz. Die Berichterstattung über die Reise habe anfangs durchaus einen Nachrichtenwert gehabt. Mittlerweile sei sie aber ausgeufert. Die Redaktion habe das gesamte Leben der jungen Frau durchforstet, nenne den vollen Namen, zeige sie unverpixelt im Großportrait und nutze einen scharfen Ton. Dadurch entstehe der Eindruck, dass die Zeitung die Person „fertig machen“ wolle. Der Verlag erwidert, dass solche Aktivisten eine identifizierende Berichterstattung sehr wohl hinnehmen müssten. Ihre Klimaproteste zielten auf maximale Öffentlichkeitswirkung, so dass sie ihre Privat-
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