Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6869 Entscheidungen

Verdachtsmomente

Ironie

Eine Zeitungsleserin entdeckt in den Wochenendmagazinen zweier Zeitungen Reportagen, die ihrer Meinung nach die Würde der Frau in besonders infamer Weise verletzen. Unter der Überschrift “Die willige Sklavin der Liebe legt das Hundehalsband gerne an” und mit der Gegenüberstellung von entsprechenden Fotos untersucht eine der beiden Reportagen die Frage, warum Hunde und Frauen gleichermaßen Halsschmuck tragen. In den Bildunterzeilen heißt es: “Glücklich die Frau, die verwöhnt wird wie der Hund. Sie braucht die Werkzeuge des Festhaltens. Glücklich die Frau, die stolz ihren Hals recken kann wie der Hund. Sie lebt für das Lob ihrer Schönheit. Glücklich der Hund, der durch Schmuck nicht abgelenkt wird von der Liebe zu seinem Herrn.” Unter dem Titel “Ausgekocht – Küchenarbeit macht Spaß” zeigt die zweite Bildreportage eine “Männerphantasie”: halbbekleidete Frauen zurück am Herd. Die Zeitung, in welcher der erste Beitrag erschienen ist, weist darauf hin, in ihrer Reportage werde in ironischer Weise Unverständnis darüber artikuliert, dass es Frauen tatsächlich einmal schön gefunden haben, sich angetan mit schweren Hundehalsbändern zur Schau zu stellen. Alle Vergleiche zwischen Hunden und Frauen, die an mehreren Stellen im Text gezogen werden, seien erkennbar unernst und an keiner Stelle für Frauen ehrverletzend oder herabwürdigend. Mit einer Ausnahme tragen alle auf den Fotos dargestellten Frauen echten Schmuck. Lediglich auf einer Seite werde eine sehr selbstbewusste Dame mit einem Hundehalsband gezeigt und damit der Modetrend um die Jahrhundertwende dargestellt. Hierdurch könne die Würde der Frau nicht angegriffen werden. Die Chefredaktion des zweiten Blattes erklärt, ihr Magazin versuche, ohne die traditionellen Aufgaben des Journalismus und dessen Sorgfaltspflicht zu verletzen, mit Witz, Ironie und Spiel die Welt gegen den Strich zu lesen. Dies sei auch die Absicht des kritisierten Beitrags. Schon das Titelbild mit der dazugehörigen Zeile “Zurück an den Herd!” arbeite sehr drastisch und eigentlich für alle Leser erkennbar mit dem Mittel der Überzeichnung. Die Titelseite sei als satirische Brechung eines reaktionären Schimpfwortes gemeint. In der Bildstrecke selbst gehe es nicht um die Abbildung der Wirklichkeit, sondern man wolle einer Fiktion Gestalt verleihen. Sowohl Bilder als auch Titel und Vorspann arbeiteten so offensiv ironisch mit dem Klischee einer Männerphantasie, dass darin nichts anderes als ein Vorführen dieser Art von Macho-Denken zu erkennen sein dürfte. Wenn jemand in seiner Würde verletzt werde, dann wohl nur die Männer, die solchen Phantasien immer noch nachhängen. (1996)

Weiterlesen

Familienforschung

Leserabstimmung

Ein Boulevardblatt fordert seine Leserinnen und Leser auf, darüber abzustimmen, ob durch den Park der Stadt künftig eine Trambahn fahren soll. Die Zeitung veröffentlicht dazu einen Stimmzettel, den die Leser ausschneiden und ausgefüllt an das Blatt schicken sollen. Eine Woche später stellt die Zeitung fest, dass ihre Leser klar entschieden haben. Sie fragt den Oberbürgermeister: “Was nun? 80 % sind gegen Ihre Tram”. In ihrem Artikel über die Aktion erwähnt die Redaktion, dass sie auch kritische Äußerungen empfangen habe. Den Vorwurf des Kampagnenjournalismus kommentiert sie mit der Feststellung, dass ihr der Schutz des Stadtparks eine Kampagne wert sei. Ein Leser des Blattes legt den Vorgang dem Deutschen Presserat vor. Er erachtet es als undemokratisch, dass eine Zeitung sich anmaßt, sie könne eine ganze Stadt über ein bestimmtes Projekt abstimmen lassen. Zudem moniert er, dass auf Grund der Zeile “Stimmzettel auf Seite 19” der Leser zu der Meinung kommen könnte, er müsste die Zeitung kaufen, um an einer die Stadt bewegenden Entscheidung mitwirken zu können. Nach seiner Ansicht hat die Zeitung hier ihre öffentliche Macht zur Erhöhung ihrer Auflage missbraucht. Die Mitteilung an den Oberbürgermeister “80 % sind gegen Ihre Tram” hält der Beschwerdeführer für bewusst irreführend. In Wahrheit handele es sich hierbei nicht um 80 % der Leser des Blattes, sondern nur um 80 % derjenigen, die einen Stimmzettel eingeschickt haben. Diese Zahl entspreche kaum 5 % der Auflage der Zeitung und höchstens 0,5 % der Bevölkerung der Stadt. Als besonders zynisch bezeichnet der Leser die Aussage der Redaktion, der Schutz des Stadtparks sei ihr eine Kampagne wert. Mit dieser Antwort könne jegliches Verfahren nach dem Motto, der Zweck heilige die Mittel, für legal erklärt werden. Hier bekomme der Aktionsjournalismus einen “Hauch von Lynchjustiz”. Die Chefredaktion will die Abstimmung inszeniert haben, weil die Emotionen zu dem Thema sehr hoch gegangen seien. Theoretisch habe die ganze Stadt die Möglichkeit der Teilnahme gehabt. Praktisch sei das Ergebnis jedoch immer auf die Leser des Blattes abgestellt und als Lesermeinung interpretiert worden. Vor allem habe man aber im Kommentar immer wieder darauf hingewiesen, dass das Abstimmungsergebnis ein aktuelles Meinungsbild sei, die Entscheidungen aber von den demokratisch legitimierten Gremien getroffen werden müssen. (1996)

Weiterlesen

Feuerwehreinsätze

Satire

Eine Karikatur im Dezemberheft einer Zeitschrift trägt den Titel “Schöne Bescherung” und zeigt den Besuch der heiligen drei Könige im Stall von Bethlehem: Maria und Josef sind verzweifelt. Das Kind ist ein Mädchen. Einer der drei Könige führt per Handy ein Telefonat mit einem fiktiven Gesprächspartner. Er sagt: “Zuerst die gute Nachricht: Es ist weiß. Und jetzt die schlechte: ...”. Ein Leser der Zeitschrift beschwert sich beim Deutschen Presserat. Er hält diese Veröffentlichung für rassistisch. Die Rechtsabteilung des Verlages ist anderer Ansicht. Der Cartoon werfe gerade zur Weihnachtszeit die berechtigte Frage auf: Was würde es für das Christentum bedeuten, wenn Christus kein Junge, sondern ein Mädchen, wenn seine Hautfarbe nicht weiß, sondern schwarz gewesen wäre? Beides seien Fragen, die auch von der modernen Theologie gestellt und intensiv diskutiert würden. Insofern sei die Zeichnung alles andere als rassistisch und diskriminierend. Im Gegenteil, sie prangere vielmehr Rassismus und Diskriminierung mit satirischen Mitteln an. Auch eine religiöse Überzeugung werde keinesfalls lächerlich gemacht. Sie werde vielmehr in einer Weise in Frage gestellt, die zum Kern der Dinge vorstoße. So werde der Leser, der in der Vorweihnachtszeit eher an andere Dinge zu denken gezwungen sei, vielleicht einen Moment zum Nachdenken über die wahre Bedeutung der Weihnachtsgeschichte gebracht. (1996)

Weiterlesen

Verdachtsmomente

Eine Lokalzeitung berichtet, dass der Stadtdirektor der im Stadtrat vertretenen Wählerinitiative Betrug bei der Abrechnung von Sitzungsgeldern vorwirft. Der Fraktionsvorsitzende habe nach Ansicht des Stadtdirektors versucht, Sitzungsgelder auch für jene Mitglieder zu kassieren, die zwar Aufgaben innerhalb der Wählerinitiative übernehmen, dafür aber nicht öffentlich legitimiert sind. Die Zeitung zitiert aus einem Schreiben des Stadtdirektors an den Fraktionsvorsitzenden: “...setzen Sie sich durch die Aufnahme eines nicht gewählten Mitgliedes in diese Liste des Verdachts des (versuchten) Betrugs gemäß § 263 StGB zum Nachteil der Stadt ... aus”. Die Wählerinitiative beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Zeitung habe bei ihr nicht nachgefragt, ob das Schreiben des Stadtdirektors der Wahrheit entspreche. So behaupte man falsche Tatsachen und erwecke den Eindruck, dass der Vorwurf bereits erwiesen sei. Der Autor des Artikels weist die Aussage, er habe die Betroffenen zu den Vorwürfen des Stadtdirektors nicht befragt, als unzutreffend zurück. Die Wählerinitiative habe mit Hinweis auf eine einige Tage später stattfindende Fraktionssitzung keine Erklärung abgegeben. Er ist der Auffassung, dass er damit seiner journalistischen Sorgfaltspflicht nachgekommen sei. Am Tage nach der erwähnten Sitzung habe seine Zeitung berichtet, dass der Vorsitzende der Initiative die Vorwürfe des Stadtdirektors entschieden zurückweise. (1996)

Weiterlesen

Drogen

Eine deutsche Großstadt will probeweise einhundert Drogensüchtige mit Heroin versorgen. Unter der Überschrift “Ohne Gott hat jeder Verbrecher recht” schreibt der Verleger einer Zeitung dazu einen Kommentar. Darin stellt er u.a. fest: “Die Grünen sehen darin die Chance, über eine fast kostenlose Abgabe (10 DM pro Gramm Heroin) die Drogensucht weiter zu verbreiten und dadurch das Chaos, das uns überall wachsend begegnet, noch zu verstärken.” Der Verfasser schreibt ferner: “In Deutschland zum Beispiel arbeitet die ev. Kirche zielstrebig und zeitgeistorientiert einer Auflösung des christlichen Glaubens zu...”. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat kritisiert ein Leser des Blattes die Unterstellung, die Grünen bemühten sich gezielt um eine Förderung der Drogenabhängigkeit, als eine schlimme Entgleisung. Der Verleger teilt dem Presserat mit, dass er in seinem Kommentar Sachverhalte darstelle, die der Öffentlichkeit bekannt seien. Seinen Ausführungen habe er auch anlässlich der Beschwerde nichts hinzuzufügen. (1997)

Weiterlesen

Lügengeschichten

Eine Boulevardzeitung berichtet über die Vorsitzende einer Initiativgruppe vom Zölibat betroffener Frauen, die in einem Schreiben an das zuständige Bistum mitgeteilt habe, sie kenne ein 15jähriges Mädchen, das von einem Pfarrer zum Sex gezwungen worden sei. Das Kind sei dabei geschwängert worden, so dass eine Abtreibung vorgenommen werden müsse. Die Zeitung unterstellt der Frau, dass sie den Pfarrer kennt. Sie unterstellt ihr auch, sie wolle der Staatsanwaltschaft den Namen nicht bekannt geben und sie nehme es lieber in Kauf, dass ein übler Verbrecher ungestraft bleibe. Auf Grund dieser – angenommenen – Verhaltensweise stellt die Zeitung die Frage, ob der ganze Vorgang möglicherweise nur erfunden sei. In der Überschrift heißt es daher “Wer lügt denn da, Frau ...?” Verbunden damit ist ein Wortspiel mit dem Namen der Sozialpädagogin. Die betroffene Frau beschwert sich beim Deutschen Presserat darüber, dass ihr Eigenname zur Unterstützung der Tendenz des Artikels in unzulässiger und journalistisch unredlicher Weise verunstaltet wurde. Ferner beklagt sie inhaltlich falsche Darstellungen. Bei einer einigermaßen seriösen Recherche wäre den Autoren nicht entgangen, dass ihr der Name des beschuldigten Priesters nicht bekannt sei. Etwas anderes hätte sie zu keinem Zeitpunkt angegeben. Die Rechtsabteilung des Verlags teilt in ihrer Stellungnahme mit, dass der Hintergrund des Artikels eine öffentliche Erklärung der Beschwerdeführerin gewesen sei. In dieser Erklärung seien zwar weder der Name des Opfers noch der Name des Täters genannt worden. Die Beschwerdeführerin habe jedoch keinen Zweifel daran gelassen, dass ihr beide Personen bekannt seien. Die Staatsanwaltschaft habe daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet, weil die Frau sich weder zur Person des Geistlichen noch zu der des betroffenen Mädchens habe äußern wollen. Sie habe dem Mädchen Anonymität zugesichert, habe sie dazu zunächst gesagt. Dieses Verhalten der Gründerin einer Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, von Geistlichen “missbrauchten” Frauen zu helfen, sei nur schwer nachvollziehbar und habe Anlass zu Zweifeln gegeben. Dies um so mehr, als die Frau in der Folgezeit ihr Schweigen damit begründet habe, weder den Namen des beschuldigten Priesters noch den des betroffenen Mädchens zu kennen. Dieser offensichtliche Widerspruch zu ihrer früheren Aussage habe der Zeitung Anlass gegeben, den Sachverhalt und das Verhalten der Frau in Frage zu stellen. Der kritisierte Artikel artikuliere nur die Zweifel, zu denen die Beschwerdeführerin mit ihrem Verhalten selbst Anlass gegeben habe. Er enthalte weder unrichtige Behauptungen, noch verletze er die Ehre der Beschwerdeführerin. (1996)

Weiterlesen

Wörtliche Rede

Vier Manager von Konzerttagen stehen vor Gericht. Sie sollen Künstler und Fördervereine betrogen und Urkunden gefälscht haben. Unter der Überschrift “In die falschen Tasten gegriffen” berichtet eine Lokalzeitung über das Strafverfahren. In dem Beitrag werden der Staatsanwaltschaft die beiden Zitate “Absahnfirmen” und “Sie mussten teilweise für einen Hungerlohn spielen, während die Angeklagten den großen Reibach machten” zugeschrieben. Der Anwalt eines der Angeklagten beschwert sich beim Deutschen Presserat. Weder in der Anklageschrift, noch in der mündlichen Verhandlung habe die Staatsanwaltschaft eine Erklärung des Inhalts abgegeben, dass die Künstler “teilweise für einen Hungerlohn” spielten, während die Angeklagten “den großen Reibach” machten. Der Autor des Artikels bleibt dabei: Das Zitat der Staatsanwaltschaft sei objektiv richtig und stamme aus der Beweiserhebung. Auf Anfrage teilt die Staatsanwaltschaft dagegen mit, dass sie keine Presseerklärung herausgegeben habe, in welcher das erwähnte Zitat enthalten sei. Auch der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft habe innerhalb und außerhalb der Hauptversammlung die wörtlich zitierte Äußerung nicht abgegeben. In der Anklageschrift seien die genannten Scheinfirmen der Angeklagten auch nicht als “Absahnfirmen” bezeichnet worden. Die Rechtsvertretung der Zeitung sieht in den beanstandeten Formulierungen keine Sinnverfälschung der Anklage. Die Tatsache, dass Künstler mit 2.500 D-Mark bezahlt wurden, demgegenüber 40.000 D-Mark beim Veranstalter abgerechnet wurden, belege augenscheinlich das krasse Missverhältnis, das man in Pointiertheit durchaus als “Hungerlohn” beschreiben könne. Dabei könne es keine entscheidende Rolle spielen, ob die Anklage von “Absahnfirmen” bzw. “Hungerlohn” gesprochen habe oder ob dies durch den Verfasser geschehen sei. (1996)

Weiterlesen