Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6869 Entscheidungen
Ein Bürger der Stadt schickt seiner Zeitung einen Leserbrief. Darin nimmt er Stellung zu den Aktivitäten einer Bürgergruppe Lärmschutz, die sich gegen die Erweiterung von Gleiskapazitäten der Bundesbahn ausspricht. In diesem Zusammenhang kritisiert er einen Mitbürger, der – so wörtlich – seine Person zu sehr in den Vordergrund stellt und zuviel Wind ablässt. Er erinnert daran, dass der Vater des namentlich Genannten vor ca. 30 Jahren ein Grundstück an der Bahn fast geschenkt erworben und darauf dann ein Haus gebaut habe. In einem zweiten Leserbrief berichtet der Verfasser über einen anonymen Brief, den er als Resonanz auf seinen ersten Brief erhalten habe. Darin werde ihm vorgeworfen, er habe seine frühzeitige Rente auf geradezu kriminelle Weise erschlichen. Nach einer Beschreibung der Umstände seiner Frühpensionierung benutzt er bezüglich der Person des anonymen Briefschreibers folgende Formulierung: “...dem sind wohl die letzten Gehirnzellen mit dem Güterzug durchs Tunnel davon gefahren.” Abschließend stellt er fest, dass alle seine Freunde und Bekannten sowie er selbst hinter dem gemeinen Verleumder die gleiche Person vermuten. Leider fehlten ihm die Beweise für eine gerichtliche Weiterverfolgung. Der im ersten Leserbrief erwähnte Mitbürger beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Zeitung habe durch den Abdruck unbewiesener Behauptungen die erforderliche Sorgfaltspflicht verletzt. Er und seine Familie fühlten sich in ihrer Würde und in ihrem Ansehen verletzt. Die Zeitung ist der Meinung, dass an dem ersten Leserbrief nichts zu beanstanden ist. Die Grundstücke am Schwellenwerkgelände seien vor 30 Jahren tatsächlich “fast geschenkt” veräußert worden. Mit der Veröffentlichung des zweiten Leserbriefes habe man dem Verfasser Gelegenheit gegeben, sich gegen ein anonymes Schreiben zur Wehr zu setzen. Der Inhalt dieses zweiten Briefes sei an der Grenze dessen, was vertretbar sei, aber doch noch für eine Veröffentlichung geeignet. Wenn der Beschwerdeführer sich dadurch angegriffen fühle, habe dies wohl persönliche Gründe. Sein Name sei in diesem Leserbrief jedenfalls nicht genannt worden. (1995)
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“Ein Mann wusste nicht mehr weiter”, schreibt eine Boulevardzeitung und schildert, wie sich der 37jährige inmitten des Berufsverkehrs einer deutschen Großstadt ein Messer in den Hals rammt. Die Menschen um ihn herum hätten den am Boden Liegenden nicht beachtet. Erst nach 45 Minuten sei einer stehen geblieben. In einem Foto wird gezeigt, wie ein Notarzt dem Mann zu helfen versucht. Vergeblich, heißt es zum Schluss der Unterzeile. Der Landesvorstand des Deutschen Journalistenverbandes schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Veröffentlichung des Fotos sei geschmacklos. Die Zeitung erklärt, das Opfer sei auf dem Foto nicht zu erkennen gewesen. Es mache durchaus Sinn, das Bild dem Beitrag beizustellen. Damit könne den Lesern vor Augen geführt werden, wie die Mitmenschen sich in einer solchen Situation verhalten. Nämlich desinteressiert und herzlos. (1996)
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Der Kolumnist einer Lokalzeitung beschäftigt sich mit der Gleichstellungsstelle im Rathaus der Stadt. Eine der Mitarbeiterinnen dort werde ihrer rundlichen Formen wegen als “Fass” bezeichnet. Inzwischen sei der Personalrat mit der Affäre befasst, da die Betroffene sich um eine Versetzung bemüht hätte, weil sie diese Form des Mobbings nicht mehr ertragen könne. Im selben Beitrag schreibt der Autor, aus dem Stadtrat sei der Vorschlag zu hören, über die Legitimation der Gleichstellungsstelle zu diskutieren. Man habe von dort schon lange keinen brauchbaren Tätigkeitsnachweis erhalten. Dem Vernehmen nach solle auch eine Stelle eingespart werden, damit das Büro nicht zu einem Fass ohne Boden werde. Die Frauenbeauftragte der Stadt führt Beschwerde beim Deutschen Presserat. Der Artikel enthalte unbegründete Behauptungen und ehrverletzende Beschuldigungen, die den Ruf und das Ansehen der Gleichstellungsstelle schädigen. Die als Informationen aus dem Stadtrat gekennzeichneten Aussagen über Zweifel an der Einrichtung und die Einsparung einer Stelle seien falsch. Auch sei die in dem Beitrag erwähnte Mitarbeiterin von ihren Kolleginnen nie diskriminiert worden. Die Zeitung erklärt, der Bericht über die Vorgänge in der Gleichstellungsstelle basiere auf glaubhaften Quellen. Informant sei ein prominentes Mitglied des Stadtrates, dessen Namen man aber nicht nennen wolle. Auch den Namen der Mitarbeiterin möchte die Zeitung nicht preisgeben. Selbst in einem weiteren Artikel, in dem die Frau zu der Veröffentlichung Stellung bezieht, wird ihre Anonymität gewahrt. Nach Einschätzung der Zeitung kommt es der städtischen Angestellten vor allem darauf an, den Eindruck zu zerstreuen, sie selbst sei die Informantin gewesen. Ein solches Eingeständnis habe wohl der Stadtdirektor in einem Gespräch von ihr verlangt. (1996)
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Ein 23-Jähriger kommt mit dem Wagen seines Vaters von der Fahrbahn ab und wird tödlich verletzt. Die Zeitung am Ort zeigt das Autowrack im Bild und erwähnt in der Unterzeile Namen, Alter und Wohnort des Getöteten. Der Vater des Unglücksopfers sieht dadurch die ohnehin vorhandenen Belastungen seiner Familie unnötig erhöht. Sein Rechtsanwalt fordert eine Rüge des Deutschen Presserats. Die Zeitung erklärt, sie habe den Namen des Verunglückten veröffentlicht, weil Unfall und Person am Nachmittag des Unfalltages an dem Wohnort des Opfers und dessen näherer Umgebung bereits bekannt gewesen seien. Die Leser in einem kleinstädtisch-ländlichen Raum erwarteten bei inoffiziell kreisenden Nachrichten eine klare Information durch ihre Heimatzeitung. Für künstliche Anonymisierungsversuche hätten sie keinerlei Verständnis. Solche würden sie als lächerlich empfinden. (1996)
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In zwei Artikeln berichtet eine Lokalzeitung über die Fahndung nach einem der angeblichen Reemtsma-Entführer. Im ersten Bericht wird der Wohnort der Eltern genannt. Im zweiten Artikel wird das Elternhaus im Foto gezeigt und die Straße im Ort angegeben. Eine Leserin der Zeitung beanstandet in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat die eindeutigen Hinweise auf die Eltern des mutmaßlichen Geiselnehmers. Die Angaben seien für das Verständnis des Vorgangs nicht notwendig. Sie dienten lediglich der Befriedigung der Sensationslust. Die Zeitung dagegen sieht ein öffentliches Interesse an der Bekanntgabe des Wohnortes der Eltern. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sei der Mann bereits international zur Fahndung ausgeschrieben worden. Die Information über die genaue Lage seines Elternhauses hätte nach Ansicht der Zeitung möglicherweise dazu führen können, dass der Gesuchte gefasst wird. (1996)
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Unter der Überschrift “Abgeordnete wollen Muttertag abschaffen” berichtet ein Boulevardblatt, einige Politikerinnen wollten den Muttertag abschaffen, weil er den Müttern angeblich nichts bringe. Drei namentlich genannte Bundestagsabgeordnete, alle der selben Partei angehörend, nehmen dazu Stellung. Alle Zitate beschäftigen sich kritisch mit dem Muttertag und beinhalten eine negative Grundtendenz. Ein anschließendes Info klärt auf: Der Muttertag kommt aus Amerika, wird dort seit 1914 gefeiert. In Deutschland 1923 eingeführt, wird er seit 1933 an jedem 2. Sonntag im Mai begangen. Die drei zitierten Bundestagsabgeordnete wenden sich an den Deutschen Presserat. Die Zitate, die man ihnen zuschreibe, seien aus dem Zusammenhang gerissen und sinnentstellend wiedergegeben worden. Durch die Überschrift entstehe beim Leser der Eindruck, dass es sich um eine parlamentarische Initiative von Politikerinnen handele. Diese Annahme treffe jedoch nicht zu. Der Artikel sei rufschädigend und habe den Beschwerdeführerinnen politisch geschadet, was eine Vielzahl von Protestschreiben beweise. Die Chefredaktion der Zeitung stellt nicht in Frage, dass der Autor des Beitrags einen unzulässigen Schluss gezogen hat. Seine Informationen seien falsch gewesen. Die Zeitung habe sich bei den betroffenen Abgeordneten entschuldigt und interne Konsequenzen gezogen. (1996)
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Der bevorstehende Besuch des Papstes in Berlin ist Thema eines Zeitungsberichts. Einleitend heißt es. “In drei Tagen kommt der Papst. Alle warten schon auf ihn: der Leib Christi im Keller des Olympiastadions, über 100.000 Hostien, die im uckermärkischen Alexanderdorf gebacken wurden und bereits ins Stadion gebracht worden sind, ...”. Die Schlagzeile lautet: “Der Leib Christi im Keller”. Ein Theologe sieht durch diese Aussage das religiöse Empfinden der Katholiken verletzt. Durch die Verwechslung der Hostien, die erst in der Messfeier zum Leib Christi werden, mit dem Leib Christi entstehe beim Leser der Eindruck, es sei durch die Lagerung im Keller zu einer unehrfürchtigen Handlung gekommen. Dies wäre nach dem Kirchenrechtsbuch der Straftatbestand der Profanierung. Die Zeitung räumt ein, dass ihr die Wortwahl nicht geglückt ist. Sie meint aber, ihren Lesern doch mitgeteilt zu haben, dass es sich eben nicht um in der Messfeier konsekrierte Hostien, sondern um einfache Hostien vor ihrer Verwendung in der Messfeier gehandelt habe. (1996)
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“Das erlebte ich bei der Eheberatung” gesteht eine Journalistin in ihrem Beitrag in einer Frauenzeitschrift. In der Reportage schildert sie ihre Erfahrungen beim Besuch dreier Einrichtung der Eheberatung. Zwei der Gespräche werden positiv, eines eher negativ bewertet. Die Autorin hat ihre Erkenntnisse verdeckt recherchiert. Die negativ beurteilte Beratungsstelle beschwert sich beim Deutschen Presserat. Sie ist der Ansicht, dass das Gespräch erschlichen wurde, da die Journalistin sich anfangs nicht als solche zu erkennen gegeben habe. Im Laufe des Gesprächs seien der Eheberaterin jedoch Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Anliegens gekommen, worauf die Frau zugegeben habe, dass sie als Journalistin arbeitet. Daraufhin habe die Eheberaterin das Gespräch abgebrochen und sich die journalistische Auswertung verbeten. Die Enttarnung der Journalistin hätte zu einer tendenziell negativen Berichterstattung geführt. Moniert werden die Recherchemethoden. Die Zeitschrift erklärt, Ausgangspunkt der Reportage sei nicht die Recherche für ein Thema gewesen, sondern das persönliche Problem der Journalistin, die sich von ihrem Mann trennen wollte. Erst im Verlauf der Beratung hätte die Kollegin festgestellt, wie schwierig es ist, in einer derartigen Situation schnell Hilfe zu finden. Daraus ist der Gedanke entstanden, auch anderen Frauen die Erfahrung mit Eheberatungsstellen zu vermitteln. Im Verlauf des Gesprächs habe die Journalistin die Eheberaterin darauf hingewiesen, dass sie Redakteurin sei. Dabei habe sie anklingen lassen, dass das Thema Eheberatung für einen journalistischen Beitrag geeignet sei. Trotzdem habe sie keine Irritation bei der Beraterin feststellen können. Das Gespräch sei fortgesetzt worden und hätte noch mindestens eine halbe Stunde gedauert. (1996)
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