Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6869 Entscheidungen

Kegelbrüder stehen nur unter Verdacht

Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Hier kommen vier Kegelbrüder frei!“ in einem Video-Beitrag über Männer einer Kegelmannschaft, die im Verdacht stehen, einen Brand auf Mallorca verursacht zu haben. Vier von ihnen dürfen das Gefängnis auf der Insel verlassen. Bei Facebook wird der Beitrag mit dem Teaser eingeleitet: „Nach 19 Tagen in Gefangenschaft auf der spanischen Ferien-Insel Mallorca. Hier kommen die Brandstifter aus dem Knast!“ Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass die Männer ohne rechtsgültige Verurteilung als Brandstifter bezeichnet würden. Das sei hetzerisch. Er sieht die Ziffer 13, Richtlinie 13.1, des Kodex (Unschuldsvermutung/Vorverurteilung) verletzt. Die Rechtsabteilung der Zeitung widerspricht der Beschwerde. Die Berichterstattung verstoße nicht gegen den presseethischen Grundsatz des Vorverurteilungsverbots. Lediglich im Teaser eines Facebook-Beitrags – mithin wie in einer Überschrift – sei von „Brandstiftern“ die Rede. Im Text selbst tauche der Begriff nicht auf. Die Rechtsabteilung beruft sich auf die gängige Spruchpraxis des Presserats, wonach Überschriften in verkürzender und pointierter, zuspitzender Form grundsätzlich zulässig seien. Wer den beanstandeten Beitrag in Gänze lese, werde feststellen, dass die Tat der Kegelbrüder als bloßer Verdacht dargestellt werde.

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Lotterie-Gewinner im Zentrum des Interesses

Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Plötzlich 700.000 Euro reicher“. Es geht im Beitrag um einen Gewinner der Deutschen Postcode-Lotterie. Zum Bericht gestellt ist ein Foto mit der Übergabe eines Schecks, auf dem das Firmen-Logo des Lotterieveranstalters deutlich zu erkennen ist. Ein Leser der Zeitung sieht in der Veröffentlichung Schleichwerbung für die Lotterie nach Ziffer 7 des Pressekodex. Der Chef vom Dienst der Zeitung teilt mit, dass der beanstandete Beitrag ausschließlich in einer Lokalausgabe erschienen sei. An dieser Veröffentlichung habe ein begründetes öffentliches Interesse, bzw. das Informationsinteresse der Leser im lokalen Bereich bestanden. In den teilweise dörflich geprägten Stadtteilen hätten an ein und demselben Tag 389 Loskäufer bei der Lotterie mindestens 1383 Euro gewonnen – einer sogar 700.000 Euro. Selbstverständlich sei darüber am Ort geredet worden. Dadurch entstehe ein Gesprächsstoff, den eine Zeitung nicht ignorieren könne. Der Hauptgewinner mit 700.000 Euro habe – von der Zeitung anonymisiert – im Zentrum des Interesses gestanden. Auch der im Beitrag genannte Begriff „Sozial-Lotterie“ sei gerechtfertigt. Der Veranstalter habe nach eigenen Angaben bisher weltweit elf Milliarden Euro für gemeinnützige Zwecke aufgebracht.

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Zeitung lässt nur einen Optiker zu Wort kommen

Unter der Überschrift „Nachhaltigkeit ist gefragt“ berichtet eine Regionalzeitung über die Trends der Saison bei Sonnen- und Sportbrillen. Basis für den Bericht ist ein Gespräch, das die Redaktion mit dem Inhaber eines lokalen Optikergeschäfts geführt hat. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Bericht einen Fall von Schleichwerbung. Mehrfach beziehe sich die Redaktion auf Produkte des Geschäfts, mit dessen Inhaber sie gesprochen hat. Sie weise auch nicht darauf hin, dass es am Ort fünf weitere Optikergeschäfte gebe. Der Chefredakteur der Zeitung betont den Nachrichtenwert der Veröffentlichung. Er spricht von einem begründeten öffentlichen Interesse. Dazu gehörten auch verbraucherorientierte Themen. Es würden keine werblichen Aussagen getroffen oder Preise angegeben. Auch würden keine bestimmten Modelle und deren Hersteller genannt. Schließlich würden die Leserinnen und Leser auch nicht zum Kauf bestimmter Modelle aufgefordert. Die Redaktion erläutere am Beginn des Artikels, dass der Gesprächspartner von der Redaktion beispielhaft zu den neuesten Trends und Besonderheiten befragt worden sei.

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Frau sorgt für Theater in einem Theater

„Die bergische Fledermaus fliegt“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung über eine Aufführung der Operette „Die Fledermaus“ in einem Bürgerhaus des Verbreitungsgebietes. In den Artikel integriert ist ein kleiner Beitrag mit dem Titel „Irritation vor der Vorstellung“. Darin wird berichtet, dass eine Frau in einem Super-Mario-Kostüm vor der Aufführung das Theater betreten und für einige Aufregung gesorgt habe. Sie habe sich wirr geäußert und sei schließlich von Ordnungskräften aus dem Saal geleitet worden. Der Name der Frau wird genannt. Auch wird sie von der Zeitung im Bild gezeigt. Ein Leser der Zeitung kritisiert in seiner Beschwerde an den Presserat, dass die Redaktion die Frau beim Namen nenne und ihr Foto veröffentlicht habe. Er teilt mit, dass die Frau zeitweise dement sei und jetzt überall verspottet werde. Die Chefredaktion teilt mit, dass die Mehrheit der Zuschauer bei dem Vorfall anfangs an einen Bestandteil der Inszenierung geglaubt habe. Sie berichtet, dass es mehrere Kontakte zwischen Redaktion und der im Bericht beschriebenen Frau gegeben habe. Dabei habe man nicht den Eindruck gewonnen, dass die Frau die Berichterstattung negativ aufgefasst habe.

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Zitatwahrheit und -klarheit ist gefordert

Eine Großstadtzeitung veröffentlicht einen Online-Beitrag unter der Überschrift „Entscheiderin nannte Israel Apartheidstaat – Der Antisemitismus-Skandal auf der Documenta war absehbar“. Darin geht die Autorin auf das achtköpfige Gremium ein, das die künstlerische Leitung der Documenta auswählte und sich für das Kollektiv Ruangrupa entschied. Im weiteren Verlauf des Artikels heißt es, „eine namentlich genannte Kuratorin nahm 2012 am Workshop ´Gefesselte Kunst -Künstlerischer Aufbruch in Südafrika und Palästina` teil. Dieser befasste sich mit ´sozialer Transformation in Verhältnissen der Unterdrückung´, wobei Apartheid in Südafrika mit den Verhältnissen in Israel gleichgesetzt wurde. In einem Bericht dazu (Verlinkung) heißt es, Ngcobo habe es ´als Schock empfunden, dass junge Menschen Angst hätten, das Wort Apartheid auch nur auszusprechen´“. Der Beschwerdeführer macht in mehreren Punkten Verstöße gegen die Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht) geltend. Wer wo wann Israel „Apartheidstaat“ genannt habe, stehe im Beitrag nicht. Die Schlussfolgerung des Artikels, dass „der Antisemitismus Skandal auf der Documenta absehbar“ gewesen sei, beruhe allerdings auf dieser Tatsachenbehauptung. Gerade angesichts des Diskurses, der um Antisemitismus der Documenta-Beteiligten geführt werde, hätte es die Sorgfaltspflicht geboten, die Zitate, Tatsachenbehauptungen und Schlussfolgerungen der Überschrift im Beitrag auszuführen. Die Zeitung hat zu der Beschwerde keine Stellungnahme abgegeben.

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Der Polizeibeamte mit der nassen Hose

„Suff-Fahrer hat die Hose voll“ (online) und „Blaufahrer hat die Hosen voll“ (gedruckt) – unter diesen Überschriften berichtet eine Boulevardzeitung über eine Verfolgungsjagd zwischen einem Auto-Fahrer und der Polizei. Ein Folgebeitrag ist überschrieben mit „Hose-voll-Fahrer ist selbst Polizist“. Bei dem Vorfall - so die Zeitung – habe der Fahrer einen Streifenwagen gerammt und sich und drei Polizisten leicht verletzt. Bei der Festnahme habe er sich in die Hose gemacht. Alle Beiträge enthalten ein Foto, das zeigt, wie der Fahrer von Polizeibeamten abgeführt wird. Es ist zu sehen, dass der Fahrer eine durchnässte Hose trägt. Die Redaktion teilt mit, dass es sich bei dem Fahrer selbst um einen Polizeibeamten handele, dem nun der Job- und Pensionsverlust drohe. Drei Beschwerden zu diesen Beiträgen erreichen den Presserat. Einer der Beschwerdeführer kritisiert, dass es keinen Informationswert habe, eine Person mit durchnässter Hose zu zeigen. Diese werde diskreditiert. Ein weiterer Leser moniert, die Zeitung habe die Persönlichkeitsrechte des Fahrers nicht gewahrt. Die Rechtsvertretung der Zeitung sieht durch die Berichterstattung keine presseethischen Grundsätze berührt. Sie steht auf dem Standpunkt, dass der Fahrer durch das Veröffentlichte Foto nicht identifizierbar sei. Nicht erkennbare Betroffene könnten per se nicht diskreditiert werden.

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Täterherkunft wird mehrfach genannt

Gedruckt und online veröffentlicht eine Boulevardzeitung einen Beitrag unter der Überschrift „Afghane vergewaltigt 11-Jährige - keine Haft!“ Im Beitrag wird berichtet, ein 16-Jähriger habe eine 11-Jährige vergewaltigt. Wörtliche Passage: „Das Urteil: Gerade einmal ein Jahr Haft – auf Bewährung!“ Im weiteren Verlauf des Artikels wird die Nationalität des Täters mehrfach genannt. Er sei als unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland gekommen. Ein Strafverteidiger kommt zu Wort. Er betont, dass ein mildes Urteil wie dieses in der Altersstruktur nicht ungewöhnlich sei. Ein Vertreter der Polizeigewerkschaft erläutert, dass bei jugendlichen Straftätern der Erziehungsgedanke im Vordergrund stehe. Ein Leser der Zeitung stellt fest, die Schlagzeile erschüttere beim durchschnittlich verständigen Leser das Vertrauen in die unabhängige Justiz und das Jugendstrafrecht. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist die Beschwerde in allen Punkten zurück. Der Pressekodex verbiete nicht generell jegliche Erwähnung von Nationalitäten. Ausnahmen würden durch ein begründetes öffentliches Interesse gedeckt. Dieses sieht die Rechtsvertretung im vorliegenden Fall als gegeben an. Das Vorliegen einer besonders schweren Straftat spreche für ein begründetes öffentliches Interesse. In dem beanstandeten Artikel sei es im Übrigen auch nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung gekommen. Im Beitrag werde an keiner Stelle in verallgemeinernder Form von der Person des Verdächtigen auf die Afghanen im Allgemeinen Bezug genommen.

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Chefarzt nimmt „schweren Herzens Abschied“

Eine Regionalzeitung berichtet über das Ausscheiden des Chefarztes der Kardiologie am regionalen Klinikum. Der Mediziner wird mit den Worten zitiert, er nehme schweren Herzens Abschied. Die Entwicklung an der Klinik habe ihm jedoch keine andere Wahl gelassen, als zu kündigen. Er spricht davon, zunehmend eine Stelle mit Ablaufdatum besetzt zu haben. Er weist darauf hin, dass in den letzten Wochen ein Dutzend Assistenzärzte das Haus verlassen hätten. Der Beschwerdeführer trägt vor, das Klinikum habe zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen können, da es im Rahmen der redaktionellen Recherche nicht gehört worden sei. Die Zeitung sei auch nicht näher auf die Gründe eingegangen, warum die Assistenzärzte die Klinik verlassen hätten. Letztlich wirft der Beschwerdeführer der Zeitung vor, in ihrer Online-Version Kommentare zu löschen, die nicht zu ihrer Sichtweise passten. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist die Beschwerde als unbegründet zurück. Sie habe mehrfach vergeblich versucht, mit der Klinikleitung ins Gespräch zu kommen, um den Hintergrund der Vorwürfe zu erhellen.

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Aufmachung erweckt einen falschen Eindruck

Eine Wirtschaftszeitung berichtet unter der Überschrift „Weg von der Zigarette: Philip Morris kauft Swedish Match für 16 Milliarden Dollar“ über ein Übernahmeangebot des US-Tabakkonzerns. Dieser übernehme den kleineren europäischen Konkurrenten Swedish Match. Philip Morris biete für das schwedische Unternehmen 106 Kronen je Aktie (10,30 Euro). Das seien – so die Zeitung – 40 Prozent mehr als der jüngste Schlusskurs. Der Verwaltungsrat von Swedish Match empfehle den Aktionären, das Angebot anzunehmen. Ein Leser der Zeitung trägt vor, die Swedish Match-Gruppe habe lediglich die Annahme des Angebots empfohlen. Die Übernahme jedoch sei alles andere als sicher. Er spricht davon, dass es sich in diesem Fall um eine klare Fehlinformation handele, um möglichst viele Clicks zu generieren. Die Redaktion nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.

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Fehlerhafte Platzierung eines Beitrages

Ein regionales Internet-Portal berichtet unter der Überschrift „Erfurt: Schwere Missbrauchsvorwürfe gegen Politiker!“ über Rücktritte bei der Partei „Die Partei“ nach Missbrauchsvorwürfen. Ein Partei-Politiker soll mehr als 14 Jahre lang minderjährige Frauen zum Sex gedrängt und dann gefilmt haben. Der Mann wird namentlich genannt. Ein Parteiausschlussverfahren sei eingeleitet worden. In den Artikel eingeklinkt ist ein Video-Beitrag über Björn Höcke von der AfD. Ein Nutzer des Portals kritisiert, die Verknüpfung zwischen Missbrauchsvorwürfen gegen die Partei und dem dazugestellten Beitrag zu Björn Höcke verstoße gegen mehrere presseethische Grundsätze. Der Nutzer werde vorsätzlich in eine falsche Meinungsbildung gedrängt. Nicht die AfD und Höcke seien von den Missbrauchsvorwürfen betroffen. Die Redaktion unterrichte ihre Nutzer nicht wahrheitsgemäß. Björn Höcke werde verleumdet und in seiner Ehre verletzt. Allein die Tatsache der AfD-Zugehörigkeit reiche für eine Diskriminierung aus. Die Rechtsvertretung des Internet-Portals teilt mit, die Redaktion sei nach der Veröffentlichung des Beitrags vom Büroleiter des Fraktionsvorsitzenden der AfD Thüringen auf ihren Fehler aufmerksam gemacht worden. Sie habe darauf den Beitrag umgehend offline gestellt. Die Redaktion teilt mit, sie habe Vorkehrungen getroffen, dass derartige Fehlplatzierungen von Beiträgen in Zukunft nicht mehr vorkämen. Von einer bewussten Fehlinformation der Nutzer oder einer Diskriminierung von Björn Höcke könne jedoch nicht die Rede.

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