Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6738 Entscheidungen

Soll es künftig nur noch Unisex-Toiletten geben?

„Bald keine Frauen-Toiletten mehr?“: Unter dieser Überschrift berichtet eine feministische Frauenzeitschrift online über Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) für Sanitärräume in öffentlichen Einrichtungen. „Die sollen künftig 'unisex' werden, das heißt: Es soll keine separaten Toiletten für Frauen und Mädchen geben.“ Zitiert wird hierzu ein namentlich genannter VDI-Mitarbeiter. Nach Ansicht der Redaktion scheint er „sich also weniger für die betroffenen Mädchen und Frauen zu interessieren, sondern für die Menschen mit dem Geschlechtseintrag ‚divers‘.“ Der VDI sieht darin Falschaussagen. Es gehe in keiner Weise darum, nur noch geschlechterunspezifische Toiletten zu empfehlen. In der Richtlinie würden lediglich Empfehlungen ausgesprochen, wie Unisex-Toiletten als Ergänzung zu Männer- und Frauen-Toiletten aussehen könnten. Zudem enthalte der Artikel einen persönlichen Angriff auf den VDI-Mitarbeiter W. Anders als behauptet, setzten er und der VDI sich gegen jegliche Diskriminierung ein. Außerdem seien die Zitate nicht vom VDI freigegeben worden, und die Falschaussagen seien trotz Aufforderung nicht korrigiert worden. Die Autorin des Artikels weist die Vorwürfe zurück.

Weiterlesen

Werbung für regionale Modemacher

Regionale Modemacher sind auf Instagram Thema in der örtlichen Zeitung. Die Redaktion weist auf einen Online-Artikel unter der Überschrift „Gemütlich – und teils aus Recyclingmaterial“ hin. Sie zeigt Fotos von Models, die Kleidung von fünf Unternehmen aus der Region tragen. Der Beschwerdeführer – Mitglied einer „Initiative gegen Lokalfeudalismus“ – bemängelt, dass es sich hier nicht um eine neutrale Berichterstattung über die Modebranche, sondern um Werbung für die genannten Modemacher handele. Der Chefredakteur der Zeitung weist darauf hin, dass der kritisierte Instagram-Post ausdrücklich auf einen Online-Artikel verweise. Der Beitrag, der die Lage einer wichtigen Branche in der Region schildere, sei mit passenden Produktfotos illustriert, die auch in dem Post verwendet würden. Der Online-Artikel wiederum gehe auf eine Zeitungsseite mit dem oben genannten Beitrag ein. Der Chefredakteur erklärt, er könne in der Berichterstattung keinen Verstoß gegen presseethische Grundsätze erkennen.

Weiterlesen

Model macht im Interview Werbung

„Mama werden ist ein Prozess“ – so überschreibt eine Frauenzeitschrift ein Interview mit einem bekannten Model. Dieses spricht im Beitrag ausführlich über Epilieren und ein entsprechendes – auch abgebildetes - Gerät einer namentlich genannten Firma. Die Redaktion veröffentlicht genaue Angaben zu Websites, über die die Artikel bestellt werden können. Zwei Leser der Zeitschrift sehen in der Veröffentlichung einen Fall von Schleichwerbung. Das Model habe einen Werbevertrag mit der im Interview genannten Firma. Die Rechtsvertretung der Zeitschrift teilt mit, dass in dem Interview verschiedene Fragen zum Beruf des Models und seinem Privatleben gestellt würden. Die Interviewpartnerin sei sowohl Model als auch Businessfrau, Moderatorin und Mutter. In diesem Zusammenhang habe sie auch erwähnt, dass sie einen Epilierer verwende. Sie berichte über ihr Label und ihren Shop. Von Schleichwerbung könne daher nicht die Rede sein. Es handele sich vielmehr um Themen, die in Interviews typischerweise immer wieder angesprochen würden, also um einen Vorgang, der in der Presse tagtäglich in verschiedenen Formen vorkomme. Die Beschwerde sei unbegründet.

Weiterlesen

Mit Lutschtabletten gegen die Corona-Pandemie?

Eine Regionalzeitung berichtet online über eine Studie zur Wirksamkeit eines namentlich genannten Extrakts gegen das Corona-Virus. Der Studienleiter wird mit diesen Worten zitiert: „In dieser Studie soll die Frage untersucht werden, ob der Cystus-Extrakt antivirale Eigenschaften gegen das Virus SARSA-CoV-2 aufweist und daher als Prophylaktikum in der aktuellen Pandemie eingesetzt werden könnte.“ Der Studienleiter berichtet – so die Zeitung – von höchst positiven Ergebnissen. Er spricht von der Anwendung in Form von Lutschtabletten, die der Anwender langsam im Mund zergehen lassen sollte. Eine erste Anwenderstudie gebe es bereits. 125 Teilnehmer hätten über mindestens sechs Wochen täglich dreimal zwei Cystus-Halspastillen gelutscht. Am Ende der Studie - so die Zeitung – habe sich keiner der Teilnehmer angesteckt, obwohl im Haus lebende Angehörige von neun Teilnehmern erkrankt seien. Ein Leser der Zeitung sieht Verstöße gegen die Ziffern 2 (Journalistische Sorgfaltspflicht), 7 (Trennung von Redaktion und Werbung) und 14 (Medizin-Berichterstattung). Die von der Zeitung genannte Studie liege nicht vor und könne nicht geprüft werden. Sie entziehe sich jeder kritischen Beurteilung. Der Chefredakteur der Zeitung hält es für die journalistische Pflicht der Redaktion, in der größten Pandemie-Krise seit Jahrzehnten über mögliche Medikamente und Wirkstoffe zu berichten. Wenn Kitas, Schulen und Geschäfte geschlossen seien und jeden Tag über 1000 Menschen in Deutschland sterben, bedeute die Aussicht auf ein mögliches Mittel gegen die Pandemie Hoffnung und Zuversicht für die Menschen und damit auch für die Leser seiner Zeitung. Die Redaktion habe kein Produkt beworben, sondern über das wesentliche Substrat berichtet. Ein wichtiger Punkt bei der Entscheidung, über diese Forschung zu berichten, sei auch die Befürchtung der im Text erwähnten Personen gewesen, aus grundsätzlichen oder ideologischen Gründen könnte die Politik die Wirksamkeit dieses Mittels nicht oder nur gering anerkennen. Es sei eine wichtige Aufgabe der unabhängigen Presse, einseitigen Lobbyismus aufzuzeigen.

Weiterlesen

Beanstandetes Foto kam von Nachbarn

Ein Lehrer-Paar (69/70) wird ermordet. Eine Boulevardzeitung berichtet über das Verbrechen online. Sie zitiert Nachbarn. Diese hätten am Abend einen Knall gehört. Dann seien Flammen aus dem Einfamilienhaus von Annegret (69) und Kurt G. (70) geschlagen. Polizisten entdecken vor dem Haus die schwer verletzte Freundin und Nachbarin der Hausbesitzer, Susanne G. (56). Im Haus finden die Ermittler die beiden Leichen. Die Zeitung zitiert Ermittler. Danach hätte ein unbekannter Täter im Haus Feuer gelegt und ein Auto in Brand gesetzt. Aus dem Artikel geht außerdem hervor, dass es sich bei dem Haus um eine „Villa am Lohweg“ handele und das männliche Opfer früher Rektor am Gymnasium, seine Frau Lehrerin an der Grundschule gewesen sei. Zum Artikel gestellt ist ein Foto des Hauses, darin eingeklinkt ein unverfremdetes Foto der Opfer. Eine Leserin der Zeitung sieht in der Veröffentlichung des Fotos der Opfer einen Verstoß gegen die Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit). Die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen stünden über dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Der Opferschutz sollte die oberste Priorität haben. Der Justiziar der Zeitung teilt mit, die Redaktion habe das Foto von Nachbarn erhalten. Die Beschwerde sei unbegründet.

Weiterlesen

Wohlwollen für den neuen Bürgermeister

Unter der Überschrift „Wenn spät im Rathaus Licht ist“ veröffentlicht eine Regionalzeitung ein wohlwollendes Porträt zum Amtsantritt des neuen Bürgermeisters einer Kleinstadt. Ein anonymisierter Beschwerdeführer sieht in dem Beitrag unter der Überschrift „Wenn spät im einen Verstoß gegen Ziffer 6 des Pressekodex (Trennung von Tätigkeiten). Der Autor des Artikels sei Schriftführer im Ortsvorstand der CSU und arbeite eng mit dem Bürgermeister zusammen. Auf diese Tätigkeit weist die Redaktion nicht hin. Es gebe im vorliegenden Fall auch keinen triftigen Grund für eine Veröffentlichung, da erst vor kurzem der eigentlich zuständige Redakteur den neuen Rathauschef vorgestellt habe. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, er könne die von dem Beschwerdeführer geäußerte Kritik nicht nachvollziehen und weise die Vorwürfe zurück. Der freie Mitarbeiter habe den beanstandeten Artikel geschrieben, da sich der zuständige Redakteur zu diesem Zeitpunkt im Urlaub befunden habe. Der Hintergrund der Beschwerde dürfte laut Chefredakteur politischer Natur sein, da das Bürgermeisteramt als Ergebnis der Kommunalwahl von der SPD zur CSU gewechselt sei. Der Chefredakteur verwahrt sich gegen den Vorwurf, die Redaktion bevorzuge in ihrer Arbeit einseitig die CSU. Es stelle keine presseethisch unzulässige Doppelfunktion dar, wenn ein freier Mitarbeiter in seiner Freizeit ein unbezahltes Ehrenamt in einer politischen Partei wahrnehme. Im ganzen Bericht – so der Chefredakteur – werde kein einziges Mal die Parteizugehörigkeit des neuen Bürgermeisters genannt. Auch die Bezeichnung „CSU“ finde sich dort nicht.

Weiterlesen

Wie rechte und linke „Wirrköpfe“ auf einander treffen

Eine Berliner Zeitung veröffentlicht online einen Beitrag unter der Überschrift „Extremisten-Krieg in Neukölln – Prozess um Auto-Brandstiftung – Freispruch für Angeklagten“. Gedruckt lautet die Schlagzeile „Extremisten-Krieg in Neukölln - Hat linker Wirrkopf rechtem Wirrkopf das Auto abgefackelt?“ Es geht im Beitrag um den Strafprozess gegen „Ulrich O. (41). Das Verfahren endet mit einem Freispruch vom Vorwurf der Brandstiftung. Der Besitzer des abgebrannten Autos werde seinerseits in der linken Szene als einer der Täter gehandelt, der einem Linken-Politiker das Auto angezündet habe. Die Frage steht – so die Zeitung – im Raum, ob der Angeklagte Widerstand gegen Beamte geleistet habe. Beschwerdeführer in diesem Fall ist der im Beitrag genannte Angeklagte Ulrich O. Er beschwert sich über den Printbeitrag, der nach seiner Ansicht gegen die Ziffern 8 und 13 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte bzw. Unschuldsvermutung) verstoße. Er stört sich vor allem an der Passage, er sei ein „linker Wirrkopf“, der möglicherweise einem „rechten Wirrkopf“ das Auto abgefackelt habe. Zudem werde er mit einem „Extremisten-Krieg in Neukölln“ in Verbindung gebracht. Tatsächlich sei der Anlass des Artikels sein Freispruch. Der Beschwerdeführer stellt fest, dass er nicht vorbestraft und nicht psychisch erkrankt sei und es auch keinerlei Anlass gebe, ihn der Teilnahme an einem „Extremisten-Krieg“ zu bezichtigen. Die Autorin des Beitrages nimmt zu der Beschwerde Stellung. Ihre Zeitung berichte normalerweise nicht über Prozesse, die mit einem Freispruch enden. Sie habe dies aber im vorliegenden Fall für nötig erachtet, da sie im Vorfeld ausführlich über den Fall berichtet habe. Dem veröffentlichten Inhalt habe sie nichts hinzuzufügen. Sie halte ihn für ausgewogen und durchaus positiv für den Angeklagten. Die Formulierung „Extremisten-Krieg“ sei sicher eine (Boulevard-)Zuspitzung. Die Auseinandersetzung habe aber mehrfach in den Medien eine Rolle gespielt. Auch darauf gehe sie im Text ein. Die Autorin stellt schließlich fest, sie habe den Beschwerdeführer nicht in eine kriminelle Ecke gestellt und ihn auch nicht als verrückt erklärt.

Weiterlesen

Werbung im redaktionellen Umfeld

Eine Zeitschrift veröffentlicht einen Artikel über Urlaubsreisen auf der “Burgenstraße“ in Baden-Württemberg und Bayern. Zum Beitrag gestellt ist eine Information, in der an den Touristik-Experten einer namentlich genannten Versicherungsgesellschaft mehrere Fragen gerichtet werden. Der Mitarbeiter der Firma bekommt von der Redaktion die Gelegenheit, die Produkte seines Unternehmens zu empfehlen. Ein Leser der Zeitschrift sieht in dem Beitrag einen Fall von Schleichwerbung für die Produkte der Versicherung. Dem widerspricht der Chefredakteur der Zeitschrift. Es gehe hier nur um ein Interview mit einem Fachmann, der Hinweise zu Reiseversicherungen gebe.

Weiterlesen

Vergebliche Flucht vor der Werbung

Das Magazin einer Wochenzeitung befasst sich unter der Überschrift „Zuhause ist es am Schönsten“ mit dem Thema Homeoffice. Sieben Journalisten schreiben über das Wohnen und Arbeiten von morgen. In allen Beiträgen geht es auch um die zum Homeoffice passenden Möbel. Deren Hersteller werden jeweils genannt. Innerhalb der Veröffentlichung sind ganzseitige Anzeigen von Firmen platziert, die im Beitrag werbend genannt sind. Ein Leser der Zeitung sieht in den Beiträgen Fälle von Schleichwerbung. Der Werbung zu entfliehen, sei unmöglich. Sie sei direkt mit den Inhalten verbunden. Der Rechtsvertreter der Wochenzeitung nimmt Stellung zu der Beschwerde. Ein Verstoß gegen die Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen setze voraus, dass die in den Texten erwähnten Unternehmen Anzeigen geschaltet hätten. Dies sei nicht der Fall. Anzeigengeschäfte der genannten Unternehmen im Zusammenhang mit dieser Veröffentlichung habe es nicht gegeben. Richtlinie 7.1 des Kodex sei somit nicht betroffen. Leser, die sich mit dem Thema „Homeoffice“ und „Einrichtung“ beschäftigten, hätten ein Interesse daran, dass die illustrierten Möbelstücke identifizierbar gemacht würden. Dies sei im Interesse der Leserinnen und Leser und nicht des Verlages. Eine Bezahlung oder ein anderer geldwerter Vorteil sei in keinem Fall vereinbart oder geleistet worden. Auf Preisangaben, die Nennung von Produktdetails, Kontaktdaten der Hersteller oder Hinweisen auf konkrete Bestellmöglichkeiten sei verzichtet worden. Auch ein Verstoß gegen die Richtlinie 7.2 sei somit nicht gegeben.

Weiterlesen

Ethnische Herkunft mehrmals genannt

„Verliebter Afghane vor Gericht“ – so überschreibt eine Regionalzeitung ihren Bericht über ein Gerichtsverfahren gegen einen Mann, der einer Kollegin nachgestellt haben soll. Mehrfach soll er der Arbeitskollegin aufgelauert haben. Die Redaktion schreibt: „Da die Frau, die dem Mann aus Afghanistan den Kopf verdreht hatte, aber nichts von ihm wissen wollte, sich zunehmend verfolgt fühlte, landete die Sache jetzt vor Gericht.“ Der Angeklagte habe in einem Seniorenheim gearbeitet. Die Redaktion weiter: „Eine der Mitarbeiterinnen dort hat ihm und auch einem zweiten Afghanen gehörig den Kopf verdreht.“ Der Anwalt des Angeklagten sagt, die Frau habe dem Kollegen falsche Hoffnungen gemacht. Bei der Arbeit seien übers Handy Fotos hin- und hergeschickt worden. Es sei geflirtet worden. Dabei sei auch Sex im Spiel gewesen. Ein ernsthaftes Interesse habe die Frau an dem Mann jedoch nicht gehabt. Drei Leserinnen bzw. Leser der Zeitung beschweren sich über den Artikel. Vor allem wird die wiederholte Nennung der Herkunft des Angeklagten kritisiert, die für das Gesamtverständnis nicht erforderlich sei. Stalking und Gewalt gegen Frauen würden in dem Beitrag durch die Anmerkung verharmlost, dass die Frau an dem Vorgang nicht ganz unschuldig sei. Der Autor des Beitrages hält es für eine seiner Aufgaben als Journalist, die Gerichtsverhandlung für seine Leser transparent zu machen. Es gebe in diesem Fall gute Gründe, die Herkunft des Angeklagten zu nennen. Die Polizeistatistik zeige, dass der Zuzug vieler junger, männlicher Flüchtlinge aus dem islamischen Raum zu verschiedenen gesellschaftlichen Konflikten und einer Zunahme im Bereich der Sexualstraftaten geführt habe. Die in diesem Fall vor Gericht verhandelte Nachstellung bzw. Stalking, also die Belästigung einer Frau, lasse sich grundsätzlich diesem Deliktbereich zuordnen. Es existiere also ein gesamtgesellschaftlicher Kontext, der sich der Leserschaft nur durch die Nennung der Nationalität erschließe bzw. ohne diese sogar verschleiert worden wäre.

Weiterlesen