Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6738 Entscheidungen

„Ein Projekt von regionalem Interesse“

„Idyllische Lage, behindertengerechter Ausbau“ – so lautet die Überschrift zu einem Beitrag, den eine Regionalzeitung online veröffentlicht. Der Artikel informiert über ein für das kommende Jahr geplantes Neubauprojekt mit zwölf Eigentumswohnungen in einer Stadt des Verbreitungsgebietes. Das Objekt wird ausführlich beschrieben und angepriesen. Zu Wort kommt auch der Geschäftsführer des Bauträgers, der sich positiv über die Lage des Hauses und die Wohnungen äußert. Der Beschwerdeführer sieht einen Fall von Schleichwerbung. Der Chefredakteur teilt mit, dass der beanstandete Text nicht nur online, sondern auch in der gedruckten Ausgabe erschienen sei. Er wolle klarstellen, dass es sich bei dem Artikel um einen redaktionellen Beitrag handele, der ein Bauprojekt von regionalem Interesse beschreibe. In der Stadt habe das Thema Bauen eine Sonderrolle. Sie gehöre zu den Städten im Land mit den niedrigsten Mieten. Aus historischen Gründen gebe es in der Stadt ein Überangebot an Wohnungen. Damit einhergehe, dass die Preise vergleichsweise niedrig seien und sich viele Wohnungen in einem schlechten Zustand befänden. Wenn nun wie in diesem Fall ein Bauunternehmer Geld in die Hand nehme und an einer exponierten Lage ein Projekt mit zwölf Wohneinheiten mit gehobenem Standard verwirklichen wolle, stoße dies auf ein erhebliches öffentliches Interesse.

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„Die Ermittler lasen alles mit“

Redaktionsmitglieder werben für Trachten

Eine Münchner Tageszeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Tradition liegt bei Trachten im Trend“. Der Artikel beschäftigt sich mit Bekleidungstrends in der Trachtenmode anlässlich des Beginns des Münchner Oktoberfestes. Zu Wort kommen in dem Beitrag sechs regionale Anbieter aus der Branche. Auf einem beigestellten Foto sind zwei Redaktionsmitglieder in Trachtenkleidung zu sehen. Die Hersteller und die Preise der Kleidungsstücke, die die beiden tragen, werden genannt. Ebenso das Geschäft, das die Bekleidung für das Foto zur Verfügung gestellt hat. Der Beschwerdeführer sieht in dem Beitrag Schleichwerbung für die Hersteller der Kleidung sowie für das genannte Geschäft. Der Chefredakteur für den Bereich Heimatzeitungen teilt mit, dass die Frage, was man beim Oktoberfest an Kleidung trage, viele Leserinnen und Leser umtreibe. Die Redaktion habe sich daher bei mehreren Trachtengeschäften in der Region nach den aktuellen Trends erkundigt. Um diese sichtbar zu machen, hätten zwei Mitarbeiter für ein Foto Trachtengewänder angezogen. Zum Leser-Service gehöre auch dazu, zu beschreiben, was die beiden Modelle auf dem Bild tragen. Es würden keine Kleidungsstücke angepriesen. Man habe auch kein Geschäft und kein Produkt in den Mittelpunkt gerückt. Einen Verstoß gegen presseethische Grundsätze vermag er - der Chefredakteur – nicht zu erkennen.

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Verletzungen mit dem Tatwerkzeug Maßkrug

„Berliner Deppen-Rapper verärgern Stadt und Wirte“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung online über Reaktionen von Veranstaltern des Münchner Oktoberfestes auf ein Musikvideo über das Volksfest. Darin enthalten ist die Passage „Es flogen keine Bierkrüge durch die Menge“. Der Beschwerdeführer widerspricht dieser Behauptung der Redaktion. Die Polizei in München habe 35 Fälle gezählt, in denen es zu Körperverletzungen mit dem Tatwerkzeug Maßkrug gekommen sei. Das seien drei Vorfälle mehr als im Vorjahr gewesen. Die Chefreporterin der Münchner Redaktion nimmt zu der Beschwerde Stellung. Das kritisierte Musikvideo habe in München aus mehreren Gründen für großen Ärger gesorgt. Die darin gezeigten Bilder stammten aus einem anderen Jahr. Zum anderen enthalte es ehrverletzende Behauptungen über Markus Söder und Uli Hoeneß. Im fraglichen Beitrag sei der Ruf des Volksfestes stark beschädigt worden. Die Vertreterin der Zeitung stellt ausdrücklich fest, dass die Redaktion sehr sorgfältig recherchiert habe. Dies sei vor Ort und auf dem Weg über viele Telefonate geschehen.

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Kinder in „genüsslicher Nahaufnahme“ gezeigt

Die Online-Version einer Boulevardzeitung berichtet über einen Vorfall in einer US-amerikanischen Kindertagesstätte. Unter der Überschrift „Halloween in Kita: Betreuer erschrecken Kinder mit Maske“ zeigt die Redaktion ein Video, in dem Erzieherinnen mit Halloween-Masken Kinder erschrecken und auch nicht ablassen, als diese schreien und weinen. Zu sehen sind die verängstigten Kinder, die ohne Verfremdung gezeigt werden. Die Redaktion teilt mit, dass die Polizei Ermittlungen aufgenommen habe. Die Erzieherinnen seien entlassen worden. Der Beschwerdeführer kritisiert, dass verängstigte Kinder „in genüsslicher Nahaufnahme“ gezeigt würden. Er spricht von einem Griff „in die unterste Schublade sensationsgeiler Berichterstattung“. Offensichtlich pfeife die Zeitung auf die selbst gegebenen Regeln ihres Berufsstandes als auch auf die Menschenwürde der hilflosen Kinder. Die Rechtsvertretung des Verlages beruft sich auf die Berichterstattung in anderen Medien. Vor diesem Hintergrund könne es nicht presseunethisch gewesen sein, dass auch diese Zeitung das Video ohne Anonymisierungsbearbeitung veröffentlicht habe.

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Ministerin verursacht Kopfschütteln

Unter der Überschrift „Familienministerium rät Kindern zu Pubertäts-Blockern“ berichtet eine Boulevardzeitung online und gedruckt über eine Informationsseite der Bundesregierung. Die Rede ist von Kopfschütteln über Familien- und Jugendministerin Lisa Paus. Mit offiziellem Logo und aus Steuermitteln finanziert wende sich ihr Ministerium im Internet an Kinder, die „merken: Ich bin gar kein Mädchen. Oder: Ich bin gar kein Junge“. Die Zeitung zitiert das „Regenbogenportal“ - laut Ministerium gedacht als „Informationsplattform für die LSBTIQ*-Community. Zitat: „Bist du noch sehr jung? Und bist du noch nicht in der Pubertät. Und du kannst in Ruhe überlegen: Welcher Körper passt zu mir?“ Und dies – so die Zeitung weiter – ohne die erheblichen Risiken, Nebenwirkungen und Folgen, vor denen Mediziner warnten. Ein zum Beitrag gestellter Kommentar befasst sich kritisch mit der Regierungsseite. Wenn mit Wissen und Billigung der Bundesfamilienministerin Kindern (!) nahegelegt werde, schwerwiegende hormonelle Eingriffe an sich vorzunehmen, sei eine rote Linie überschritten. Zwei Beschwerdeführer kritisieren die Berichterstattung. Der eine hat sachliche Anmerkungen zu einzelnen Passagen. Der andere stört sich an dem beigestellten Kommentar, in dem er eine Kampagne gegen die Grünen sieht. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist die Vorwürfe der Beschwerdeführer zurück. Verstöße gegen presseethische Grundsätze seien nicht erkennbar.

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Ein Mann verdrückt im Jahr 250 Kilo Goldbären

Eine Boulevardzeitung berichtet gedruckt und online über einen Lebensmittelingenieur. Der arbeitet bei einem namentlich genannten Hersteller als „Goldbären-Sommelier“ und muss nach eigenem Bekunden pro Jahr 250 Kilogramm Goldbären naschen. Die Firma feiert gerade das Jubiläum ihres hundertjährigen Bestehens. Der Beschwerdeführer sieht einen massiven Verstoß gegen die Ziffer 7 des Pressekodex (Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten). Die Zeitung zitiere wörtlich den Werbespruch der Firma. Der Name des Produkts werde in Großbuchstaben wiedergegeben und mehrfach genannt. Tüten mit dem Goldbärenlogo würden im Bild gezeigt. Einen Tag danach habe die Zeitung einen als „Anzeige“ gekennzeichneten Beitrag über die Firma veröffentlicht. Über einen Zusammenhang zwischen dem redaktionellen Beitrag und der darauffolgenden Anzeige könne nur spekuliert werden. Die Rechtsvertretung des Verlages sieht keinen presseethischen Verstoß. Es gehe hier um eine rein redaktionelle Berichterstattung und eben nicht um Werbung. Die Abbildung der Produkte des Herstellers diene in erster Linie dazu, der Leserschaft klarzumachen, wie umfangreich das Sortiment sei, dass der „Sommelier“ einer regelmäßigen Prüfung unterziehen müsse.

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Kein „Medien-Pranger“ im Rechtsstaat

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Beitrag unter der Überschrift „Terror-Chefin wollte Lauterbach entführen“. Im Beitrag geht es um eine ältere Frau, der die Bundesanwaltschaft vorwirft, Rädelsführerin einer terroristischen Vereinigung zu sein. Sie wird mit einem unverfremdeten Bild gezeigt. Im Artikel ist davon die Rede, die Gruppierung habe es sich zum Ziel gesetzt, in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen und damit letztlich den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen. Es sei geplant gewesen, einen bundesweiten Black Out durch Beschädigung oder Zerstörung von Einrichtungen zur Stromversorgung herbeizuführen. Außerdem sollte Gesundheitsminister Lauterbach entführt werden. Dem Beitrag ist ein Foto der Frau beigefügt. Darauf ist zu sehen, wie sie gerade aus dem Polizei-Helikopter steigt. Der Vorgang nimmt auch auf der Titelseite der Print-Ausgabe der Zeitung einen breiten Raum ein. Im Inneren der Ausgabe steht ein Beitrag unter der Überschrift „Die Terror-Oma mit dem Kartoffelsack“. In mehreren Beiträgen ist immer wieder von der „Terror-Oma“ die Rede. Der Beschwerdeführer kritisiert die Berichterstattung. Um Betroffene als Straftäter bezeichnen zu dürfen, bedürfe es nach der in Deutschland geltenden Unschuldsvermutung ihrer rechtskräftigen Verurteilung. Die Vorverurteilung als „Terror-Oma“ verletze die Ziffer 13 des Kodex. Ziel der Berichterstattung dürfe in einem Rechtsstaat nicht eine soziale Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines „Medien-Prangers“ sein. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist die Beschwerde als unbegründet zurück. Die veröffentlichten Fotos machen die Frau nicht erkennbar. Sie würde lediglich von der Seite gezeigt und dies auch noch in unscharfer Auflösung. Selbst wenn man die Erkennbarkeit der „Terror-Oma“ hier einmal unterstellen wolle, würde in diesem Fall das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiegen. Nach Auffassung der Zeitung seien keinerlei presseethische Grundsätze verletzt worden.

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„Die Terror-Oma mit dem Kartoffelsack“

Eine Großstadtzeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Die Terror-Oma mit dem Kartoffelsack“. Darin ist die Rede von einer älteren Frau, die laut Generalbundesanwaltschaft Chefin einer Terror-Bande sein soll. Diese soll einen Umsturz in Deutschland und die Entführung des Bundesgesundheitsministers Lauterbach geplant haben. Die Frau sei verhaftet und zum BGH nach Karlsruhe geflogen worden. Zum Beitrag gestellt sind zwei Fotos der Frau, wie sie mit einer Kartoffel-Papiertüte aus dem Polizeihelikopter steigt bzw. von zwei Polizeibeamten eskortiert wird. Der Begriff „Terror-Oma“ wird einmal in der Schlagzeile und einmal im Beitrag verwendet. Zwei Tage später berichtet die Zeitung mit neuen Details über die Frau. Der Beschwerdeführer stört sich vor allem an der Bezeichnung der Frau als „Terror-Oma“. Und daran, dass dieser Begriff in Überschrift und Text gleich fünfmal verwendet wird. Er sieht die Ziffer 8 (Schutz der Persönlichkeit) und 13 (Unschuldsvermutung) verletzt.

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Als „kenntnisfreie Panikmache“ erkennbar

Ein Redaktionsnetzwerk berichtet online unter der Überschrift „“Corona: Amtsärzte fordern Maskenpflicht in Innenräumen - ab Inzidenz 1000 auch in Bars und Restaurants“ über die Corona-Situation. Die Zahl der Corona-Infektionen würden wieder in die Höhe schnellen. Die Amtsärzte forderten angesichts der hohen Inzidenzen eine erneute Maskenpflicht in Innenräumen. Der Beschwerdeführer kritisiert die Aussage, dass die Zahl der Corona-Infektionen wieder in die Höhe schnellen. Das sei nachweislich unwahr. Zum fraglichen Zeitpunkt habe die Inzidenz dem Pandemie-Radar des Rudolf-Koch-Instituts (RKI) zufolge bei 688 gelegen. Das seien 22 Prozent weniger als der Höchststand der letzten zwei Monate. Von einem “in die Höhe schnellen“ könne also nicht die Rede sein. Ein Vertreter des Redaktionsnetzwerks stellt fest, die vom Beschwerdeführer kritisierte Passage sei richtig. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung habe die deutschlandweite Inzidenz der Corona-Infektionen bei 274,3 gelegen, vier Wochen später bei 750,7. Die Redaktion verhalte sich vorbildlich. Sie ermögliche es durch ihre fortlaufend aktualisierte Berichterstattung der Leserschaft, selbst die Corona-Entwicklung nachzuvollziehen. Die im Artikel berichtete Forderung der Amtsärzte (Maskenpflicht in Innenräumen) sei durch diese Art der Berichterstattung inzwischen im Rückblick mit dem Wissen von heute gut als kenntnisfreie Panikmache erkennbar.

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