Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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7055 Entscheidungen
Unter dem Titel „Anwohner erleichtert: Autoschreck ist gefasst“ berichtet eine Lokalzeitung über die Festnahme eines 32-jährigen Marokkaners wegen des Verdachts, sieben geparkte Fahrzeuge beschädigt zu haben. Da er wohnsitzlos sei, sei er im Rahmen eines „beschleunigten Verfahrens" noch am gleichen Tag zu einer Geldstrafe im dreistelligen Bereich verurteilt worden. Die Beschwerdeführerin beanstandet die Nennung der Nationalität des Festgenommenen. Diese sei unnötig. Die Redaktion entgegnet, dass insbesondere die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht 2015/16 und die teils zögerliche Nennung der Nationalitäten der Tatverdächtigen dazu geführt hätten, dass bei vielen Menschen ein Misstrauen gegenüber den Medien entstanden sei.
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Eine Lokalzeitung berichtet über ein Treffen in der örtlichen Stadthalle, wo „rund 300 Konservative und Rechte“ darüber diskutierten, ob Deutschland eine „neue Partei zwischen CDU und AfD“ brauche. Bebildert wird der Beitrag online und in der Druckfassung mit einem Foto, das den regionalen CDU-Vorsitzenden zusammen mit dem „Werte-Union“-Vorsitzenden Hans-Georg Maaßen zeigt. In der Bildunterschrift der Print-Version heißt es, Maaßen sei „voriges Jahr“ auf Einladung des CDU-Vorsitzenden in die Stadt gekommen. „Am Wochenende haben sie sich in der Stadthalle bei der ‚Vollversammlung der Schwarmintelligenz‘ wiedergesehen.“ In der Online-Version steht unter dem Bild nur der Name des Fotografen, aber keine Bildbeschreibung. Im ersten Absatz der Print-Version schreibt die Redaktion, der CDU-Vorsitzende „spricht in der Stadthalle die Grußworte“. Weiter unten heißt es, „Teilnehmer berichten“, dass er „Grußworte gesprochen hat“. Beschwerdeführer ist der CDU-Vorsitzende. Er macht Verstöße gegen mehrere Ziffern des Pressekodex geltend. Unter anderem kritisiert er, dass das Foto von 2020 stamme, also bereits drei Jahre alt sei. Außerdem habe er kein Grußwort gesprochen, sondern mit seiner Frau in der letzten Reihe gesessen. In der Vorprüfung beschränkt der Presserat das Verfahren auf die Frage des Grußwortes und auf die fehlende Kennzeichnung des Bildes als nicht aktuelles Symbolfoto. Der Chefredakteur erklärt dazu, in der Printausgabe sei das verwendete Archivfoto deutlich als solches gekennzeichnet worden.
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Die Onlineredaktion einer Tageszeitung veröffentlicht zwei Artikel zu den Freien Wählern (FW) und ihrem Landesvorsitzenden. Er habe „offensichtlich beste Verbindungen zur UID (Union Internationaler Demokraten), die Lobbyorganisation der türkischen Regierungspartei AKP und Präsident Recep Tayyip Erdogan“, heißt es im ersten Beitrag. Belegt wird dies mit einem „Anstandsbesuch“ des FW-Landeschefs und Europaabgeordneten 2018 beim UID-Landesvorsitzenden; diese Begegnung sei vom UID-Hessen als „bedeutend“ bezeichnet worden. Außerdem habe der UID-Präsident den Politiker 2019 in der Kölner UID-Zentrale empfangen. „Beste Beziehungen“ pflege er offenbar auch zu dem Erdogan-nahen Unternehmerverband MÜSIAD; dort sei er 2019 und 2023 zu Veranstaltungen eingeladen worden. In einem Interview mit einer Videoplattform habe er die Treffen so kommentiert: „Mir ist das wichtig, mit allen Menschen ins Gespräch zu kommen“. Er wisse, dass die UID vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Sich selbst bezeichnete er als „Friedensstifter“. Auf Nachfrage der Redaktion habe das Büro des Politikers allerdings berichtet, er habe in diesem Jahr an keiner Veranstaltung der MÜSIAD, UID oder anderer AKP-naher Organisationen teilgenommen. Zum angeblichen Anstandsbesuch habe das Büro erklärt, der Politiker sei lediglich eingeladen worden. Inzwischen hätten sich die Freien Wähler sogar für ein UID-Verbot ausgesprochen. In dem zweiten Online-Artikel schreibt die Zeitung, dass der Landesvorsitzende 2022 auch an einer UID-Veranstaltung zum Fastenbrechen teilgenommen habe. In Teilen der türkischen Presse werde er als Politiker gefeiert, der von der UID unterstützt werde. Recherchen der Zeitung hätten ergeben, dass auch andere FW-Vertreter Verbindungen zu Organisationen hätten, die vom Verfassungsschutz beobachtet würden. Mindestens zwei der Gründer der FW-Landesarbeitsgemeinschaft Integration (LAG) hätten enge Verbindungen zum Moscheeverein IGMG, auch bekannt als Milli Görüs. Der LAG-Vorsitzende habe die Aktivität von einem der beiden Mitbegründer bei Milli Görüs bestätigt. Laut Zeitung war der andere dort zumindest früher aktiv. Sie berichtet auch von zwei weiteren früheren Kontakten zwischen FW-Politikern und Milli Görüs. Der FW-Landesvorsitzende macht einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht geltend. Die Zeitung habe mehrfach versucht, einzelne FW-Mitglieder in die Nähe von UID und Milli Görüs zu rücken, ohne auf Einsprüche der Personen selbst zu reagieren. Angebote eines persönlichen Gesprächs seien vom Redakteur und auch von der Chefredaktion nicht wahrgenommen worden. Der Landesvorsitzende sei schon als Jugendlicher in einer christlichen Jugendorganisation aktiv gewesen. Mit UID-Vertretern habe er sich zum ersten Mal im Landtagswahlkampf 2018 getroffen. Die Teilnahme an einer UID-Veranstaltung zum Fastenbrechen 2022 werde als Aufhänger genutzt, um eine ideologische Nähe zur UID zu konstruieren. Dabei verschweige die Zeitung, dass auch CDU- und SPD-Politiker teilgenommen hätten. Die Digital-Redaktion bekräftigt, dass sich der FW-Landesvorsitzende mindestens zweimal zu offiziellen, hochrangigen Terminen mit der UID getroffen habe.
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„Ziviler Protest muss aus dem Volk kommen“: Unter dieser Überschrift kommentiert eine Tageszeitung einen vom Bund geplanten Autobahnausbau in einer Großstadt. Der Autor erwähnt einen „quasi städtisch geführten Arbeitskreis“, der die Initiativen gegen den Ausbau zusammenfasse und den Protest institutionalisieren solle. Der Kommentar endet mit den Worten: „Der städtische Arbeitskreis kann keine überregional wirksamen zivilen Proteste oder gar Straßenblockaden anschieben gegen den Wahnsinn, bis zu zwölfspurige Autobahnen durch eine Stadt zu bauen. Um erfolgreich zu sein, müssen die Aktionsformen sich immer am Rande des Erlaubten bewegen, manchmal auch darüber hinaus. Dafür braucht es ein paar Mutige aus dem Volk. Freiwillige vor." Der Beschwerdeführer sieht in dem Beitrag einen Aufruf zum gesetzeswidrigen Handeln, eventuell sogar zu Straftaten. Die Redaktion erwidert, dass es sich hier um einen Autobahnausbau auf bis zu zwölf Spuren mitten in der Innenstadt handele. Der Ausbau werde sogar von der Stadtverwaltung als eigentlich untragbar bezeichnet. Bisher gebe es aber keine wirksamen Proteste aus der Bevölkerung.
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Unter der Überschrift „Wieder Reichsbürger-Razzia“ berichtet eine überregionale Boulevardzeitung über eine Durchsuchungsaktion im Umfeld der Terror-Gruppe „Vereinte Patrioten“. Beigestellt ist ein Portraitfoto mit der Bildunterschrift „Heinrich XIII. Prinz Reuß (71) soll der Kopf der ‚Vereinten Patrioten‘ sein“. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass der mutmaßliche Terrorist Prinz Reuß keine Verbindung zu den „Vereinten Patrioten“ habe. Die Gruppe um Reuß sowie die „Vereinten Patrioten“ seien zwei unabhängig voneinander operierende „Reichsbürger“-Terrorzellen in zwei völlig unterschiedlichen Ermittlungsverfahren. Der Bericht erwecke beim durchschnittlich verständigen Leser den Eindruck, Reuß solle der Kopf der genannten Terrorzelle sein. Die Zeitung nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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Eine lokale Boulevardzeitung berichtet über eine Razzia im Umfeld der Terror-Gruppe „Vereinte Patrioten“. Beigestellt ist ein Portraitfoto mit der Bildunterschrift „Nach Ermittlungen zu ‚Vereinten Patrioten‘ fassten Ermittler ‚Reichsbürger‘ um Heinrich XIII. Prinz Reuß (71)“. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass der mutmaßliche Terrorist Prinz Reuß keine Verbindung zu den „Vereinten Patrioten“ habe. Die Gruppe um Reuß sowie die „Vereinten Patrioten“ seien zwei unabhängig voneinander operierende „Reichsbürger“-Terrorzellen in völlig unterschiedlichen Ermittlungsverfahren. Der Bericht erwecke beim durchschnittlich verständigen Leser den Eindruck, Reuß solle der Kopf der genannten Terrorzelle sein. Die Zeitung nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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Vier Tage nach dem Hamas-Überfall auf Israel vom 7. Oktober 2023 schildert eine Boulevardzeitung grausame Details des Massakers. Als Aufmacher auf der Titelseite erscheint dazu die große Schlagzeile „Sie schnitten Babys die Köpfe ab!" Der Presserat erhält hierzu vier Beschwerden wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die Pressekodex-Ziffern 4 („Grenzen der Recherche“) und 11 („Sensationsberichterstattung, Jugendschutz“). In der Vorprüfung beschränkt der Presserat das Verfahren auf Ziffer 11, da im Übrigen keine Verstöße ersichtlich waren. Zu diesem Punkt heißt es in den Beschwerden, dass die Überschrift gegen den Kinder- und Jugendschutz verstoße. Der Titel erschüttere das Vertrauen von Kindern in die Menschlichkeit und Sicherheit so stark, dass sie in Angst, Verunsicherung, Schrecken und Verstörung versetzt würden. Eine Beschwerdeführerin habe selbst erlebt, wie schockiert Schulkinder auf die überdimensionale Schlagzeile reagiert hätten. Und da die Zeitung überall ausliege, könne man kaum verhindern, „diesen schrecklichen, widerlichen Satz zu lesen“. Zudem kritisieren die Beschwerdeführenden teilweise eine Sensationsberichterstattung. Die Arbeit mit derartigen Emotionen und Widerwärtigkeiten als Erheischen von Aufmerksamkeit sei (ungeachtet des Wahrheitsgehalts) jenseits ethischer Grundsätze, die in der Gesellschaft verankert und geachtet werden sollten. Die Chefredaktion erwidert, dass der Hamas-Terror vom 7. Oktober in seiner besonderen Brutalität auf das Tiefste verstörend sei und wohl alles bisher Erlebte und Gesehene an Abgründigkeit übertroffen habe.
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Eine Tageszeitung berichtet wiederholt über Ermittlungen gegen einen namentlich genannten AfD-Landtagsabgeordneten. Im ersten Artikel wird ein Gerücht aufgegriffen, wonach es bei ihm eine Hausdurchsuchung gegeben habe. Die Redaktion habe den Politiker dazu befragen wollen. Der aber habe das Telefonat nach ersten Auskünften abgebrochen und die Zeitung an seine Anwältin verwiesen. Später habe sein persönlicher Referent bei der Redaktion angerufen und betont, der Politiker sei krankgeschrieben und aktuell nicht in der Verfassung, Auskünfte zu geben. Er habe darum gebeten, aus Rücksicht darauf nichts zu publizieren. Nach der Schilderung dieser Telefonate berichtet die Zeitung darüber, was die Behörden zu dem Vorgang sagen. Demnach hatte die Polizei tatsächlich „auf gefahrenabwehrrechtlicher Grundlage eine Hausdurchsuchung durchgeführt und Gegenstände beschlagnahmt“. Am Folgetag berichtet die Zeitung, dass sich der Abgeordnete laut Recherchen einer Boulevardzeitung in einem psychiatrischen Krankenhaus befinde. Angeblich habe er Gäste in einer Shisha-Bar mit einer Softair-Pistole bedroht. Daraufhin sei die Polizei angerückt und habe den Abgeordneten in die Klinik eingeliefert, da er bereits bei anderer Gelegenheit „ausfällig geworden sein soll". Infolge der Einweisung solle die Polizei zu seinem Wohnhaus geschickt worden sein, um dort die Waffen des Jägers sicherzustellen. Beschwerdeführer ist ein Vertreter der AfD-Landtagsfraktion. Er sieht den Persönlichkeitsschutz und die Ehre des Politikers verletzt. Die Zeitung habe wiederholt über einen psychisch Kranken berichtet. Sie erwecke den Eindruck, als ob die „Taten" des Abgeordneten nicht ursächlich auf die Erkrankung zurückzuführen seien, und habe damit ein verheerendes Bild von Fraktion und Landespartei konstruiert. Der Chefredakteur weist die Vorwürfe zurück. Es handele sich nicht um eine unangemessene oder gar reißerische und ehrabschneidende Darstellung.
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Nach der Tötung eines zehnjährigen Mädchens in einem bayerischen Kinderheim berichtet eine Boulevardzeitung online, dass einer der beiden Tatverdächtigen, ein elfjähriger Heim-Mitbewohner, schon vorher zu Gewalt geneigt habe. Er sei damals in einem Bezirkskrankenhaus untergebracht gewesen und solle dort einen anderen Patienten gewürgt haben. Das Krankenhaus habe vergeblich davor gewarnt, den auffälligen Jungen in das dafür nicht geeignete Kinderheim in Wunsiedel zu verlegen. Dort soll es dann zur Tötung des Mädchens durch den Jungen und durch einen 25-jährigen Ex-Heimbewohner gekommen sein. Nach Informationen der Zeitung soll sich der Elfjährige jetzt wieder im Bezirkskrankenhaus befinden. Der 25-Jährige wird von der Zeitung mit einem Porträtfoto gezeigt. Dabei wird nur die Augenpartie mit einem schwarzen Balken verdeckt. Der Beschwerdeführer kritisiert die Aussage über den mutmaßlichen Aufenthaltsort des Elfjährigen (Bezirkskrankenhaus). Dadurch könne der Junge identifiziert werden. Die Zeitung habe die nötige Sorgfalt zum Schutz seiner Identität auch dadurch verletzt, indem sie Details zu seinen psychischen Auffälligkeiten berichtet habe. In der Vorprüfung des Falles erweitert der Presserat die Beschwerde auf das Foto des 25-Jährigen. Die Zeitung bestätigt zwar, dass das Alter des Jungen von der Presse Zurückhaltung erfordere.
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Eine überregionale Tageszeitung berichtet online über Demonstrationen in vielen ostdeutschen Städten gegen die Energie-, die Russland- und die Anti-Corona-Politik der Bundesregierung. Dem Artikel ist ein Video beigefügt, in dem vor allem das Geschehen in einer der Städte dargestellt wird. Hier gab es auch eine Gegendemonstration. Sie habe unter dem Motto „Spuk auf rechts" gestanden. Viele Gegendemonstranten hätten Halloween-Kostüme getragen, heißt es in dem Filmbeitrag weiter. Das Vorschaltbild des Videos zeigt im Vordergrund einen Mann mit einer Totenkopfmaske mit Ziegenhörnern; im Hintergrund laufen Demonstranten. In der längeren Bildunterschrift werden nur die regierungskritischen Demonstrationen erwähnt, nicht aber die Gegenaktionen. Nach Ansicht des Beschwerdeführers führt das Vorschaubild zu dem völlig falschen Eindruck, dass es sich bei dem okkult-verschwörerisch und aggressiv wirkenden Ziegenmasken-Mann um einen der eigentlich bürgerlich-friedlichen Demonstranten handele. Nur im Video erfahre man, dass diese satanisch anmutende Person wohl ein linker Gegendemonstrant sei. Der Textbeitrag weise auf diesen Kontext nicht hin; von Gegendemonstrationen sei überhaupt nur ganz kurz an einer Stelle die Rede. Die Redaktion hätte das Foto für den Leser wahrheitsgetreu und unmissverständlich einordnen müssen und ihn nicht im Unklaren darüber lassen dürfen, welche der erwähnten Personengruppen dahinterstecke. Der Chefredakteur entgegnet, dass das Vorschaubild authentisch von der im Video gezeigten und im Sprechertext benannten „Spuk“-Situation handele und kein Symbolfoto sei. Alles weitere, was der Beschwerdeführer anführe, sei verschwörungstheoretischer Natur.
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