Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.
6869 Entscheidungen
Eine Boulevardzeitung berichtet über den Freitod eines Geistlichen. Seit Anfang des Jahres habe der krebskranke Mann gewusst, wie es um ihn stand. Im Mai sei er wegen seines fortschreitenden Leidens vom Amt des Superintendenten des Kirchenkreises zurückgetreten. Im November sei er aus seiner Wohnung verschwunden. Jetzt, drei Wochen später, habe der Sohn die Leiche an einem nahegelegenen See aufgefunden. Die Zeitung nennt Name, Dienst- und Lebensalter sowie die Adresse des Selbstmörders und veröffentlicht sein Foto. Die Schlagzeile lautet »Krebs! Pfarrer ertränkte sich.« Der Kirchenkreis sieht die Intimsphäre des Geistlichen durch diese Berichterstattung verletzt. Zudem stimmten viele Fakten nicht. So sei der Theologe nicht an Krebs erkrankt. Die Redaktion sieht das anders: Über einen derart hochrangigen Würdenträger dürfe auch unter Namensnennung berichtet werden. Der Hinweis auf die Krebserkrankung stamme von zwei, namentlich benannten Informanten. (1991)
Weiterlesen
Eine Kunstzeitschrift schreibt einen offenen Kunstpreis aus, um den sich jeder bildende Künstler bewerben kann. Zum Wettbewerb erscheint - anstelle eines Kataloges - ein Supplement, das der gesamten Ausgabe der Zeitschrift beiliegt. Jeder am Wettbewerb beteiligte Künstler kann selbst entscheiden, in welcher Größe ein Beitrag über ihn und sein Werk in dieser Sondernummer publiziert werden soll: Für diese Beiträge - vom Umfang bis zu einer Zeitungsseite groß - sollen die interessierten Künstler gestaffelte Preise entrichten. Den Interessenten wird ein entsprechend vorformuliertes Rückschreiben mit den einschlägigen Preisen für die Selbstpräsentation in Form von Artikeln bereitgestellt. Der Herausgeber eines Konkurrenzblattes hält das Angebot von Zeitungsberichten zum Kauf für einen Verstoß gegen den Pressekodex. Es stelle eine für den Leser nicht erkennbare Verquickung von Werbung, Insertion und Redaktion dar, wenn sich eine Zeitschrift zur Regel mache, sich die Beiträge über Künstler von diesen Künstlern direkt bezahlen zu lassen, ohne dass diese Beiträge dann als »Anzeigen« gekennzeichnet seien. Die Veranstalter des Wettbewerbs verweisen darauf, dass das Supplement vom redaktionellen Teil der Zeitschrift klar getrennt sei und in einer zusätzlichen Auflage von 15.000 Exemplaren auch als Ausstellungsführer diene. (1992)
Weiterlesen
In einer kleinen Stadt wird eine Frau mit dem Hammer erschlagen. In einer gemeinsamen Pressekonferenz berichten Staatsanwaltschaft und Mordkommission über die Hintergründe des Raubmordes. Der mutmaßliche Täter steht fest, er ist geständig. Ausführlich berichtet die Lokalzeitung über die Ermittlungen der Kriminalpolizei. Im Vorspann werden Vor- und Zuname, Alter und Adresse des Tatverdächtigen genannt. Am folgenden Tag setzt die Zeitung ihre Berichterstattung in der Mordsache fort. Auch diesmal erwähnt sie die Personalien und Adresse. Eine Leserin beschwert sich beim Deutschen Presserat. Mit Namens- und Adressenangabe werde in die Privatsphäre der Familie des Tatverdächtigen so massiv eingegriffen, dass diese mit schwerwiegenden Folgen für ihr weiteres Leben In der Kleinstadt rechnen müsse. Die Zeitung erklärt, sie habe mit ihrer detaillierten Berichterstattung nicht nur den Bürger informieren, sondern auch die kriminalpolizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen unterstützen wollen. Da der Täter die Tatwaffe auf dem Weg von der Wohnung des Opfers zu seiner eigenen Wohnung angeblich weggeworfen habe, sei es für die Auffindung von Zeugen wichtig zu wissen, wo der Täter wohne. Die Zeitung weist ausdrücklich darauf hin, dass sie bei Kapitalverbrechen stets die Namen der Täter nenne, vor allem bei Mord, Totschlag, Entführung und Drogenhandel. (1992)
Weiterlesen
In einer Stadt streitet ein Aktionsbündnis verschiedener Gruppen um eine Unterkunft für Asylbewerber. An dieser Auseinandersetzung beteiligt sich auch die örtliche Zeitung. So erwirkt der Anwalt des Bündnisses in der aktuellen Phase der Berichterstattung den Abdruck mehrerer Gegendarstellungen. Die Zeitung berichtet schließlich über ein Gespräch, das sie mit einem von drei Anmeldern einer schließlich verbotenen Demonstration geführt hat. In dem Bericht werden die Anmelder der Demonstration mit Namen und fast vollständiger Anschrift genannt. Auch der Anwalt der Betroffenen wirr! in der Berichterstattung der Zeitung häufiger erwähnt. Er behauptet in einer gemeinsamen Beschwerde an den Deutschen Presserat, aufgrund der anheizenden Veröffentlichungen der Zeitung mehrere anonyme Drohanrufe erhalten zu haben. Er habe dem Lokalredakteur von diesen Drohanrufen berichtet. Dennoch habe dieser in der folgenden Berichterstattung die Namen und Adressen der Anmelder der Demonstration angegeben. Es gebe kein legitimes Interesse an der Mitteilung dieser Personalien, insbesondere nicht im Hinblick auf die erwähnten Drohanrufe. Die Zeitung verwahrt sich gegen die Behauptung, mit einer »anheizenden Berichterstattung« Drohanrufe ausgelöst zu haben. Die Nennung der Namen sei gerechtfertigt: Normalerweise seien die Veranstalter von Demonstrationen, zu denen Tausende von Teilnehmern erwartet werden, etablierte Organisationen oder Institutionen. Da im vorliegenden Fall die Verhältnisse anders lagen, habe ein öffentliches Interesse daran bestanden, zu erfahren, wer die Initiatoren der Demonstration sind. (1992)
Weiterlesen
Eine überregionale Tageszeitung berichtet über den Berliner Sozialistenfriedhof: »Wo Pieck, Ulbricht und Grotewohl ruhen«. Nach einer Mitteilung über die Pläne der Stadt Berlin, einen Teil des Friedhofs als zeitgeschichtliches Zeugnis zu erhalten, fährt der Autor in dem Beitrag wie folgt fort: »Nichts deutet darauf hin, dass bisher jemand Hab oder Zorn auf die SED an deren gestorbenen Führern, an ihren Gräbern hätte auslassen wollen. Ein Wunder an Duldsamkeit, über das niemand spricht, das niemandem auffällt. Oder ist es Gleichgültigkeit? ... Ein »verdienter Lehrer des Volkes« darf diesen Regime-Titel auf dem Grabstein unbehelligt führen. Auch gegen die Sprachregelung wurde niemand tätlich, nach der, wie es auf einem Grabstein heißt, »imperialistische Söldner« 1970 In Guinea einen Deutschen mit Doktortitel aus dem sozialistischen Teil Deutschlands ermordeten. Jahrzehntelang haben die deutschen Bolschewiken Vandalismus betrieben. Nun, da sie die Macht verloren haben, kehrt er sich nicht gegen sie. Der Vandalismus ist mit ihnen untergegangen.« Ein Leser des Blattes sieht in der Reportage eine latente Aufforderung zur Grabschändung. (1992)
Weiterlesen